Scheidender Taskforce-Chef «Klar ist, dass das Virus nicht verschwinden wird»

sda/sob/uri

12.8.2021 - 05:50

Der scheidende Präsident der Covid-19-Task-Force des Bundes, Martin Ackermann, zieht eine gemischte Bilanz nach eineinhalb Jahren Corona-Pandemie. (Archiv)
Der scheidende Präsident der Covid-19-Task-Force des Bundes, Martin Ackermann, zieht eine gemischte Bilanz nach eineinhalb Jahren Corona-Pandemie. (Archiv)
Keystone

Martin Ackermann tritt als oberster wissenschaftlicher Berater des Bundes für die Corona-Pandemie ab. Er attestiert der Schweiz insgesamt einen guten Mittelweg durch die Krise und warnt Ungeimpfte, sie würden früher oder später mit dem Virus in Kontakt kommen.

Keystone-SDA, sda/sob/uri

Die Schweiz hat nach Ansicht des scheidenden Präsidenten der Covid-19-Task-Force des Bundes, Martin Ackermann, in der Corona-Pandemie einen guten Mittelweg gefunden. Es habe sich gezeigt, dass der Staat nicht alles verordnen müsse.

Viele Menschen seien von sich aus vorsichtig, sagte Ackermann in Interviews mit den Tageszeitungen «Neue Zürcher Zeitung», «Blick» und dem Newsportal nau.ch. Was der Staat verordnet habe, habe die Bevölkerung gut umgesetzt. Das sei ein Schlüssel zum Erfolg.

Im Rückblick zieht Ackermann ein gemischtes Fazit. Zu Beginn der Krise im Frühjahr 2020 habe die Schweiz schnell mit wirksamen Massnahmen reagiert, die breit mitgetragen worden seien, sagte Ackermann der NZZ. Im Herbst seien die Fallzahlen dann rasch gestiegen. Die Reaktion darauf sei zu zögerlich gewesen.

Moderate Massnahmen

Für jede Woche, mit der man die Zunahme der Ansteckungen früher hätte stoppen können, hätte sich die Spitzenbelastung im Gesundheitswesen etwa halbiert. Viel weniger Menschen wären krank geworden und gestorben. In diesem Jahr sei es gelungen, die Pandemie mit moderateren Massnahmen als im benachbarten Ausland einzudämmen.

Wie stark die vierte Welle der Pandemie ausfallen werde, hänge davon ab, wie viele Personen sich noch impfen liessen und wie sich die Leute verhielten. «Klar ist aber, dass das Virus nicht verschwinden wird. Ungeimpfte werden früher oder später damit in Kontakt kommen», sagte Ackermann gegenüber dem «Blick».

Viele sind ohne Immunität

Die Gefahr sei nicht gebannt. Drei Millionen Menschen hätten in der Schweiz keine Immunität. Das sei deutlich mehr, als sich bisher mit dem Virus infiziert hätten. Wenn sich die Personen ohne Immunität innerhalb weniger Monate ansteckten, werde das zu vielen Hospitalisierungen führen.

Ungeimpfte sollten beim Impfentscheid unterstützt werden. Mit einbezogen werden sollten Hausärztinnen und Hausärzte, die eine Vertrauensbeziehung zu ihren Patienten hätten. Auch Impfungen im Betrieb könnten helfen. Je einfacher der Zugang sei, desto mehr Leute erreiche man.

Hohe Belastung

Die Krise sei nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, gestand Ackermann im Interview mit nau.ch ein. Er sei in der Nacht oft wach gelegen und habe Mühe gehabt einzuschlafen. Im letzten Winter habe die Taskforce nicht gewusst, wie die Fallzahlen zu senken wären und eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindern werden könne.

Eine Prognose für den kommenden Herbst sei schwierig. Es gebe drei Faktoren, die eine Rolle spielten. Erstens wisse man nicht, wie viele Personen sich noch impfen liessen. Zweitens sei unklar, wie viel ansteckender die Delta-Variante sei und drittens wisse niemand, wie sich die Menschen in der nächsten Zeit verhalten würden.

Bisher habe es durch Mutationen des Virus eher kleine Änderungen in der Wirkung der Impfung gegeben, insbesondere im Schutz vor schweren Erkrankungen. Und die heutigen Impfstoffe liessen sich zum Glück relativ rasch anpassen. Eine Mutation, die die aktuellen Impfstoffe komplett unwirksam mache, erachte er derzeit als unwahrscheinlich.