Nach Schweizer Razzia Mafiajäger: «Hätte ich Angst, wäre ich nicht Staatsanwalt»

tsha

30.7.2020

In diesem Restaurant in Muri AG schlug die Polizei in der vergangenen Woche zu.
In diesem Restaurant in Muri AG schlug die Polizei in der vergangenen Woche zu.
Bild: Keystone

Nach dem spektakulären Einsatz in der vergangenen Woche rückt die Mafia auch in der Schweiz wieder in den Fokus. Der Staatsanwalt des Bundes hat dem organisierten Verbrechen den Kampf angesagt.

Die Mafia – das ist längst nicht mehr nur ein italienisches Problem. Dass die organisierten Banden auch in der Schweiz aktiv sind, wurde zuletzt immer wieder deutlich. So warnte kürzlich das Bundesamt für Polizei, dass die Mafia die Coronakrise zu ihren Gunsten ausnutze.

So betätige sich das organisierte Verbrechen zunehmend als Geldverleiher für Unternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten seien; auch Geldwäsche habe zuletzt zugenommen: «Es werden beispielsweise Beatmungsgeräte, medizinisches Material oder Masken hergestellt, und dadurch entstehen mehr Möglichkeiten, Geld zu waschen», erklärte kürzlich ein Fedpol-Sprecher im SRF-Interview.

Schlagzeilen machte zuletzt aber vor allem ein spektakulärer Einsatz gegen die 'Ndrangheta. Schweizerische und italienische Behörden hatten in der vergangenen Woche in einer gemeinsamen Aktion gegen die kalabrische Mafia Dutzende Personen festgenommen, darunter auch in Muri AG. 



Auf Schweizer Seite war der Staatsanwalt des Bundes, Sergio Mastroianni, an der Aktion beteiligt. Angst vor der Mafia, sagt Mastroianni nun in einem «Blick»-Interview, habe er nicht: Dann «wäre ich nicht Staatsanwalt des Bundes». Die Behörden würden Mitarbeitende, «die möglicherweise einer Bedrohungssituation ausgesetzt sein könnten», beschützen.

«Gravierende Ereignisse» sind nicht auszuschliessen

Zu den Vorgängen im Aargau äussert sich Mastroianni mit Hinweis auf laufende Ermittlungen nicht. Wohl aber zum Vorgehen der Mafia auf Schweizer Boden. «Hier geht es oftmals nicht um das Geldverdienen, sondern um das ‹Reinwaschen› von Vermögen», erklärt Mastroianni.

Die Mafia dränge in «legale Wirtschaftsbereiche. Und zwar in jeden nur denkbaren Bereich, in dem sich spekulieren lässt». Das führe bisweilen dazu, dass Personen, die Aufträge oder Mandate für Drittpersonen ausführen, Geschäfte mit der Mafia machten – ohne es zu wissen.



In der Schweiz sei die Mafia daran interessiert, möglichst unterm Radar zu bleiben und spektakuläre Aktionen zu vermeiden. Denn nur so können sie ihren Geldwäschegeschäften ungehindert nachgehen. Dennoch seien «gravierende Ereignisse» nicht auszuschliessen, so Mastroianni.

Zu den gefährlichsten Gruppen, die in der Schweiz aktiv seien, gehöre die 'Ndrangheta, deren Ursprünge im süditalienischen Kalabrien liegen. Deren Zweitsprache sei Deutsch – weshalb sich die Organisation nicht nur im Tessin, sondern auch in der Deutschschweiz eingenistet habe. 

Um die Mafia hierzulande effektiv zu bekämpfen, brauche es laut Mastroianni gemeinsame Ermittlerteams, wie es sie zwischen Italien und der Schweiz bereits gebe. Ein solches Team war auch vergangene Woche im Einsatz – und das mit Erfolg: Bei der Razzia, die gleichzeitig in Italien und in der Schweiz durchgeführt wurde, beschlagnahmten die beteiligten Beamten nicht nur 169 Millionen Euro – insgesamt 75 Personen gingen den Ermittlern ins Netz.

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