Schafzüchter entsorgen WareSchweizer Wolle wird zum Abfallprodukt
Jenny Keller
25.4.2025
Schweizer Schafe müssen jährlich geschoren werden. Doch wohin mit der Wolle, wenn niemand sie will?
Bild: IMAGO/Pond5 Images
Schweizer Schafhalter*innen stehen vor einem Problem: Die Lager sind voll, die Nachfrage eingebrochen. Swisswool, der grösste Abnehmer für Rohwolle, verhängt erstmals einen Annahmestopp. Was läuft schief auf dem Wollmarkt?
Die Schweizer Schafwolle bleibt auf Halde: Swisswool nimmt diesen Frühling keine neue Wolle an, weil 400 Tonnen unverkauft im Lager liegen.
Für viele Züchter*innen ist die Schur ein Verlustgeschäft. Sie müssen ihre Wolle voraussichtlich kostenpflichtig entsorgen.
Schweizer Wolle eignet sich kaum für Kleidung und wird meist zu Dämmstoffen verarbeitet, deren Absatz zuletzt stark eingebrochen ist.
Seit der Abschaffung der Subventionen 2009 fehlt es der Wolle an wirtschaftlicher Rückendeckung – trotz ökologischer Vorteile und regionaler Produktion.
Wer dieser Tage Schafe hält, weiss: Die Schur bringt kein Geld, sondern kostet. Und in diesem Jahr womöglich sogar noch mehr. Denn der grösste Wollabnehmer der Schweiz, die Firma Swisswool mit Sitz in Buchs SG, nimmt diesen Frühling keine Wolle mehr an.
Grund sind überfüllte Lager, wie Geschäftsführer Friedrich Baur gegenüber SRF erklärte: «Das Jahr 2024 war katastrophal, der Bedarf ist komplett eingebrochen.»
Swisswool kauft jährlich etwa die Hälfte der gesamtschweizerischen Rohwolle auf – rund 300 Tonnen. Doch derzeit lagern circa 400 Tonnen unverkaufte Wolle.
Ein Nebenprodukt ohne Marktwert
Wegen dieses Überhangs müssen bis zu 80 Tonnen neue Schurwolle von diesem Frühling voraussichtlich entsorgt werden, schätzt Matthias Rüesch vom St. Galler Schafzuchtverband.
Dabei ist das Scheren gesetzlich vorgeschrieben: Aus tierschutzrechtlichen Gründen müssen Schafe mindestens einmal pro Jahr geschoren werden. Die Kosten fürs Scheren übersteigen allerdings oft den Erlös.
«Es gibt kein anderes Unternehmen, das Wolle im grossen Stil entgegennimmt und bar bezahlt», so Rüesch. Je nach Qualität zahlt Swisswool 30 Rappen bis 1.50 Franken pro Kilo. Das reicht in den seltensten Fällen, um die Scherkosten zu decken.
Dämmmaterial statt Pullover
Laut Swisswool wurde der Annahmestopp nötig, um die überfüllten Lager zu entlasten. Die Nachfrage nach Wollprodukten war zwar während der Corona-Pandemie kurzfristig gestiegen, ist seither aber stark eingebrochen – sowohl im Inland als auch international.
Zudem verlor Swisswool seine langjährige Wäscherei in Belgien wegen deren finanzieller Schieflage, was die Verarbeitung zusätzlich erschwert hat.
Wer denkt, Schweizer Wolle werde zu Kleidung verarbeitet, irrt. Wegen ihrer groben Faser eignet sich die Wolle meist nicht für Textilien. Stattdessen wird sie zu Matratzenfüllungen oder ökologischen Dämmmaterialien verarbeitet.
Strukturelle Fragen bleiben offen
Gerade diese Märkte sind in den letzten Jahren unter Druck geraten – durch günstigere Konkurrenzprodukte, steigende Logistikkosten und schwankende Bautätigkeit.
Trotzdem sieht Swisswool-Chef Baur keinen grundsätzlichen Strukturbruch: «Das Geschäft mit Wollprodukten an sich ist nicht gefährdet.» Man hoffe, bis zur Schur im Herbst wieder neue Verarbeitungswege im europäischen Ausland gefunden zu haben.
Schafwolle: Vom Schären bis zum fertigen Duvet
Die momentane Krise rückt ein grundsätzliches Problem ins Licht: Schafwolle ist zwar ein ökologisch wertvolles Naturprodukt, sie wächst nach, ist biologisch abbaubar und regional produziert. Dennoch fehlt ihr der ökonomische Rückhalt.
Was nun?
Mit der Abschaffung der Wollsubventionen im Jahr 2009 wurde die Produktion den Marktkräften überlassen. Seither kämpfen Betriebe immer wieder mit Preisdruck und Übermengen.
Initiativen wie Swisswool entstanden genau aus diesem Grund. 2010 gegründet, wollte man der Schweizer Wolle eine stabile Abnahme sichern und neue Verwendungszwecke fördern. Das gelang zwischenzeitlich, doch nun droht erneut die Entwertung eines traditionsreichen Rohstoffs.
Während die Schafe geschoren werden müssen, stellt sich die Frage: Wohin mit der Wolle? Die Lagerung lohnt sich bei geringen Preisen kaum, die Entsorgung verursacht Kosten. Einige Stimmen fordern nun erneut eine gezielte Förderung von Naturmaterialien wie Wolle, etwa durch ökologische Bauvorgaben oder eine Stärkung regionaler Lieferketten.
Bis dahin bleibt vielen Landwirt*innen nur die Hoffnung auf den Herbst, und dass sich die Wertschätzung für Schweizer Wolle nicht dauerhaft verliert.
Zahlen und Fakten zur Schweizer Wolle
– Rund 700 Tonnen Rohwolle fallen jährlich in der Schweiz an.
– Swisswool kauft davon etwa die Hälfte auf.
– Der Kilo-Preis liegt zwischen 0.30 und 1.50 Franken.
– Die meiste Wolle wird zu Isolationsmaterialien verarbeitet.
– Für Bekleidung ist sie wegen der groben Struktur kaum geeignet.
Dieser Artikel wurde mithilfe von KI erstellt.
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