Stefan Blättler gewählt Der neue Bundesanwalt steht vor grossen Aufgaben

Von Lukas Meyer

29.9.2021

Stefan Blättler freut sich auf der Tribüne des Nationalrats in Bern über seine Wahl. 
Stefan Blättler freut sich auf der Tribüne des Nationalrats in Bern über seine Wahl. 
Bild: Keystone/Peter Klaunzer

Es ist vollbracht: Mit der Wahl von Stefan Blättler zum neuen Bundesanwalt ist die Ära Lauber definitiv zu Ende. Der Neue muss jetzt das Vertrauen in die Behörde wiederherstellen.

Von Lukas Meyer

Über einem Jahr war die Stelle des Bundesanwalts vakant, doch seit heute steht der Nachfolger von Michael Lauber steht: Die Vereinigte Bundesversammlung hat Stefan Blättler am Mittwoch mit 206 von 208 gültigen Stimmen gewählt – ein glanzvolles Resultat.

Sein Vorgänger Michael Lauber war wegen diverser Treffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino während der Ermittlungen gegen den Weltfussballverband zurückgetreten, mit der Suche nach einem Nachfolger tat sich die Gerichtskommission der Räte lange schwer. Hier das 


Transparenz: Dieser Artikel erschien erstmals am 14. September und wurde nun aus gegebenem Anlass aktualisiert. 


Wer ist der neue Bundesanwalt werden?

Stefan Blättler ist promovierter Jurist, hat bei der Berner Kantonspolizei Karriere gemacht und leitet diese seit 2006. Von 2014 bis 2020 leitete er die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten.

Der 62-jährige Blättler sollte auf Anfang Jahr eigentlich die Leitung des Schweizerischen Polizei-Instituts übernehmen. Dann lockte die Bundesanwaltschaft – Bekannte machten ihn «intensiv auf die Stelle aufmerksam», erzählt er dem «Blick». Schliesslich habe er sich gesagt: «Okay, ich probiere es.»

«Herr Blättler verfügt über langjährige Erfahrung in der Strafverfolgung und umfassende Führungskompetenzen. Er bringt zudem die erforderlichen persönlichen Fähigkeiten für die Leitung der Bundesanwaltschaft mit», schreibt die von Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR) präsidierte Gesichtskommission.



Warum dauerte die Suche so lange?

Dreimal wurde die Stelle ausgeschrieben. Offenbar hatten valable Kandidat*innen keine Lust auf den Job, und jene, die sich bewarben, genügten den Anforderungen nicht, meint die «Neue Zürcher Zeitung». Zudem war die Suche von Indiskretionen und Informationslecks geprägt.

Bereits gab es Diskussionen über neue Lösungen wie eine Dreierspitze, um die Last auf mehrere Schultern zu verteilen. Auch dass das Parlament den Bundesanwalt und dessen Stellvertreter wählt, wurde infrage gestellt. Bis 2011 war dies Aufgabe des Bundesrates.

Beim dritten Verfahren wurde ein Dutzend Bewerbungen in einem externen Evaluationsverfahren und einem zweistufigen Anhörungsverfahren geprüft. Mit Stefan Blättler tauchte ein neuer Kandidat auf, für den sich die Kommission schliesslich einstimmig aussprach.

Und so sieht der neue Bundesanwalt Stefan Blättler ohne Schutzmaske aus.
Und so sieht der neue Bundesanwalt Stefan Blättler ohne Schutzmaske aus.
Bild: Keystone

Hinzu kamen Diskussionen um das Pensionsalter. Dieses war für Bundesanwälte bisher bei 65 Jahren angesetzt – auch das schränkte das Feld möglicher Kandidat*innen ein. Mehr noch, hätte Blättler nach seiner Wahl nur drei Jahre lang das Amt ausüben können.

Um dies zu ändern, hat das Parlament in der laufenden Herbstsession das Pensionsalter für Bundesanwälte auf neu 68 Jahre angehoben. 

Was war das Problem mit Michael Lauber?

Der letzte Bundesanwalt Michael Lauber trat vor gut einem Jahr zurück, nachdem das Bundesverwaltungsgericht urteilte, dass er seine Amtspflichten verletzt habe. Zuvor gelangte die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft zum selben Schluss und die Gerichtskommission startete ein Amtsenthebungsverfahren. 

Im Kern ging es bei den Vorwürfen gegen Lauber um das Verfahren gegen den Weltfussballverband Fifa. Mit dem Fifa-Chef Gianni Infantino sollen informelle Treffen stattgefunden haben. Später konnte sich Lauber bei Befragungen nicht mehr an diese erinnern.

Bereits die Vorgänger von Lauber erlebten einen unschönen Abgang: Erwin Beyeler wurde von der Bundesversammlung 2011 nicht wiedergewählt, Valentin Roschacher trat wegen der gescheiterten Ermittlungen gegen den Privatbankier Oskar Holenweger 2006 zurück.

Was macht die Bundesanwaltschaft überhaupt und wie ist sie organisiert?

Die Bundesanwaltschaft ermittelt bei Straftaten, die in ihre Zuständigkeit fallen – etwa grenzüberschreitende Geldwäscherei, Korruption und organisierte Kriminalität, Delikte gegen Bundesräte und Beamte oder Wahl- und Abstimmungsfälschung. Zudem ist sie zuständig für internationale Rechtshilfe und koordiniert die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden.

Die Behörde zählt 220 Mitarbeiter*innen. Sie ist aufgeteilt in die Abteilungen Staatsschutz/Kriminelle Organisationen, Wirtschaftskriminalität, Rechtshilfe/Terrorismus/Völkerstrafrecht/ Cyberkriminalität sowie Forensische Finanzanalyse.

Vor welchen Herausforderungen steht der neue Bundesanwalt?

Der Ruf der Bundesanwaltschaft ist ramponiert  – nicht zuletzt wegen der schleppend laufenden Ermittlungen gegen die Fifa, der gemäss der «Süddeutschen Zeitung» «wohl grössten Justizaffäre der Schweiz». Nach Lauber verliessen in diesem Jahr auch Generalsekretär Mario Curiger und Medienchef André Marty die Behörde, von fünf Mitgliedern der Geschäftsleitung sind momentan nur zwei im Amt.

Blättler soll vor allem Ruhe in die Bundesanwaltschaft bringen, schreibt der «Tages-Anzeiger». Politiker verschiedener Seiten sind überzeugt, dass ihm das gelingen kann – gerade weil es ihn nicht an die Öffentlichkeit dränge und er sich in seinem wohl letzten Job nicht mehr profilieren müsse.



Blättler sieht die Bundesanwaltschaft nicht als Sanierungsfall und verweist im Gespräch mit dem «Blick» auf die Fälle, die in letzter Zeit ans Bundesstrafgericht gelangten. Sein Ziel ist aber klar: «Ich möchte, dass die Strafverfolgung des Bundes wieder als das wahrgenommen wird, was sie ist: eine gute und rechtsstaatliche Organisation.»

Michael Lauber sah sich zum Rücktritt gezwungen. 
Michael Lauber sah sich zum Rücktritt gezwungen. 
Bild: Keystone