«Stark vereinfacht» So trügerisch sind die Nutri-Scores der Lebensmittel-Multis

aru

6.6.2023

Der Nutri-Score gibt Hinweise, wie gesund die Zusammensetzung eines Lebensmittels ist. Lebensmittel aus unterschiedlichen Produktgruppen wie Müesli oder Tiefkühlpizza lassen sich damit aber nicht vergleichen.
Der Nutri-Score gibt Hinweise, wie gesund die Zusammensetzung eines Lebensmittels ist. Lebensmittel aus unterschiedlichen Produktgruppen wie Müesli oder Tiefkühlpizza lassen sich damit aber nicht vergleichen.
Wolfgang Kumm/dpa/dpa-tmn

Grün ist gut, rot ist schlecht: Nutri-Scores sollen dir zeigen, welche Lebensmittel gesund sind. Die Politik will die Wegweiser nun aber in die Schranken weisen, weil sie teilweise irreführend seien.

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  • Der Nutri-Score informiere die Konsument*innen nicht optimal über die Lebensmittel, sagt die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates.
  • Denn manche Lebensmittel, die hochverarbeitet seien, schneiden besser ab als Naturprodukte.
  • Obwohl der Bundesrat keinen Handlungsbedarf sieht, sagt der Ständerat Ja zum Vorstoss. Nun ist der Nationalrat an der Reihe.

Das Problem ist simpel: «Bei Nutri-Score schneiden hochverarbeitete Produkte mit vielen Ersatz- und Zusatzstoffen unter Umständen besser ab als Naturprodukte.» Das hält die Kommission für Wirtschaft, Bildung und Kultur des Ständerats für ein grosses Problem. Sie reichte eine Motion ein, die heute Dienstag im Ständerat besprochen wurde.

«Der Nutri-Score ist zu stark vereinfacht, er berücksichtigt Verarbeitungsgrad, Zusatzstoffe, Nachhaltigkeit, Produktionsmethode und Herkunft nicht oder zu wenig», schreibt die Kommission in der Motion, die vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen wird.

Es geht um bewusstere Kaufentscheide

Denn die Landesregierung findet, dass der Nutri-Score keine Ernährungsempfehlung, sondern ein Informationsmittel für Konsument*innen ist, um bewusstere Kaufentscheide treffen zu können.

Was will die Kommission? Die problematischen Effekte der Nutri-Scores sollen unterbunden werden, wofür der Bundesrat die gesetzlichen Rahmenbedingungen festlegen soll. Bislang kennzeichnet die Lebensmittelbranche ihre Produkte freiwillig mit dem Score, was auch weiterhin so bleiben soll.

Die Kommission möchte vermehrt auf die Lebensmittel-Pyramide setzen, die den Konsument*innen angibt, wie viel von einem Lebensmittel tatsächlich konsumiert werden sollte. «Nutri-Score soll nicht unlauter und irreführend eingesetzt werden», sagte Ständerat Benedikt Würth in der Diskussion.

Kein Label deckt alles ab

Gesundheitsminister Alain Berset verwies in der Debatte darauf, dass der Nutri-Score im Besitz der Santé Publique France sei und eine Reglementierung aus der Schweiz daher nicht möglich sei.

Kein Label könne alle Aspekte der Lebensmittel-Qualität berücksichtigen, sagt Undine Lehmann zu «SRF». Sie ist Ernährungswissenschaftlerin an der Berner Fachhochschule und hat am Bericht des Bundesrates mitgearbeitet. Weiter berücksichtige der Nutri-Score Zucker-, Salz- und Gemüseanteil sowie den Energiegehalt eines Lebensmittels. «Diese Aspekte stehen im Zusammenhang mit Krankheiten wie Übergewicht oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen», so Lehmann.

Andere Aspekte von Nahrungsmitteln wie Zusatzstoffe, Verarbeitungsgrad oder Nachhaltigkeit müssten allenfalls mit anderen Labels gekennzeichnet werden, sagt sie weiter.

Der Lebensmittel-Pyramide fehlt es dagegen wiederum an Informationen, die die Nutri-Scores liefern. Beispielsweise würden bei der Pyramide die verarbeiteten Lebensmittel nicht im Detail unterschieden, was aber die Nutri-Scores eben tun.

Mit 33 zu 8 Stimmen bei einer Enthaltung wurde die Motion angenommen. Nun kommt sie in den Nationalrat.