AKW-AbschaltungSo viel Strom fällt mit Beznau weg und so soll er ersetzt werden
Von Stefan Michel
9.12.2024
2033 will die Axpo das AKW Beznau vom Netz nehmen. Dann muss das Schweizer Stromsystem eine beträchtliche Menge Energie aus anderen Quellen erzeugen – oder importieren.
Von Stefan Michel
09.12.2024, 04:30
Stefan Michel
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Geht das AKW Beznau 2033 wie von der Betreiberin Axpo ankgekündigt vom Netz, entfallen 6 Terawattstunden Strom pro Jahr. Die Hälfte davon ist Winterstrom.
2033, nach 64 Betriebsjahren, hat das Kernkraftwerk Beznau ausgedient. Die Axpo ist nicht gewillt, weitere Investitionen zu tätigen, um das jetzt schon älteste im Betrieb befindliche AKW noch länger zu betreiben.
Die Reaktionen auf den Entscheid zeigen die Positionen, die in der Schweizer Energiepolitik dominieren.
Wie viel Strom entfällt, wenn das AKW Beznau vom Netz geht?
In dieser Frage gibt es keine zwei Meinungen: Die beiden Reaktoren Beznau 1 und 2 liefern jährlich rund 6 Terawattstunden Strom. Die Hälfte davon im Winter, wie der Axpo-CEO Christoph Brand der «Aargauer Zeitung» erklärt. Die Leistung im Winter ist besonders wichtig, da dann Solarkraftwerke weniger liefern.
Zu beachten ist, dass bis 2050 auch die letzten Schweizer AKW – Gösgen und Leibstadt – vom Netz gegangen sein werden. Das sind weitere 22 Terawattstunden Strom pro Jahr, die das Schweizer Energiesystem ersetzen muss. Hinzu kommt, dass der Strombedarf gemäss Prognosen bis 2050 um 30 bis 50 Prozent steigen wird.
Wie wollen die Schweizer Energieversorger die Leistung des AKW Beznau ersetzen?
Für den Verband der Schweizer Stromversorger VES steht fest: Im Winter 2033/2034 wird eine Stromlücke in der Grösse der genannten 3 Terawattstunden Strom bestehen.
Die atomkritische Schweizerische Energiestiftung SES hält dagegen: Der Ausbau der Solarenergie erfolge so schnell, dass diese schon vor 2030 die Leistung der Reaktoren von Beznau und des bereits stillgelegten AKW Mühleberg ersetzen werde – auch im Winter.
Economiesuisse rechnet, dass die aktuelle Solarenergie-Gewinnung um 150 Prozent gesteigert werden müsste, um Beznau zu kompensieren. Zudem müsste im Winter wegen des Nebels und der kurzen Tage Stromspeicherkapazität in der Grössenordnung aller Pumpspeicher-Kraftwerke der Schweiz vorhanden sein.
Grundsätzlich haben die Stromversorger und der Bund einen Fahrplan für die Energiewende. Nicht wenige der Projekte für mehr Strom aus Sonne, Wind und Wasser kämpfen aber mit Einsprachen. Der Solarexpress ist ins Stocken gekommen, der Widerstand gegen Windturbinen ist gross und auch die Erhöhung von Staumauern nicht unumstritten.
Können erneuerbare Energien ab 2033 genug Strom liefern?
Erneuerbare-freundliche Organisationen wie die SES und Swissolar sind überzeugt, dass der Zubau schnell genug ist (siehe oben). Aktuell erzeugen Solaranlagen rund 6 Terawattstunden, also gleich viel wie das AKW Beznau. Jährlich sollen ab 2027 2 Gigawatt neu installiert werden. Es bleibt aber das Problem der Speicherung, da Solarstrom nur tagsüber und bei nicht zu dichter Bewölkung anfällt. Zudem muss das Stromnetz ausgebaut werden, um die Energie der vielen dezentralen Anlagen aufnehmen und dorthin leiten zu können, wo sie gebraucht wird.
Der VES verweist auf den Mantelerlass, der die Wasserkraft um 2 Terawattstunden ausbauen will. Die fehlende eine Terawattstunde mit Solar- und Windenergie zu decken, traut der Verband der Stromversorger diesen Energiequellen nicht zu. Dies auch, weil das Stromnetz nicht schnell genug ausgebaut werden könne.
Die Schweiz exportiert und importiert schon heute Strom. Dies wird sie weiterhin tun. 2023 hat sie 33,8 Terawattstunden ins Ausland geliefert und 27,5 Terawattstunden aus dem Ausland bezogen.
Die SES verweist darauf, dass die Preise an den internationalen Energiebörsen tief seien, was auf ein ausreichendes Angebot an Strom hindeute in den kommenden Jahren hindeute. Das kann sich freilich auch schnell ändern, wie die Monate nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine gezeigt haben. Damals ging die Angst vor einer Stromlücke in der Schweiz um, die sich letztlich aber nicht aufgetan hat.
Die Schweiz hat 2017 für den Atom-Ausstieg gestimmt. Das daraus folgende Gesetz ist in Kraft, auch wenn das Uvek unter der Leitung von Bundesrat Rösti Vorbereitungen getroffen hat, sodass das AKW-Neubauverbot aufgehoben werden könnte.
Klar ist aber, dass die neun Jahre bis zur Abschaltung von Beznau bei weitem nicht reichen werden, um ein neues Kernkraftwerk demokratisch zu bewilligen, zu projektieren und zu bauen. Das sehen Befürworter wie Gegner neuer AKW in der Schweiz gleich. 20 Jahre bis zur Inbetriebnahme gelten als optimistischster Zeitrahmen.
Der atom-freundliche VSE verweist auf die modularen Kleinreaktoren, die in anderen Ländern entwickelt werden und wesentlich schneller ans Netz gehen könnten. Diese seien «die einzige Hoffnung» für die Schweiz. Sollten sie rechtzeitig marktfähig werden, könnte die Schweiz laut dem VSE Ende der 2020er-Jahre mit dem Bau beginnen.
Die atom-skeptische SES hingegen sieht das Ende von Beznau als nächsten Schritt des Schweizer Atom-Ausstiegs. Der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien ermögliche es, diesen fortzusetzen. Ab 2034 bleiben noch die Kernkraftwerke Gösen und Leibstadt am Schweizer Netz.
Axpo-CEO: Begrüssen Aufhebung des Neubauverbots von Kernkraftwerken
Das Energieunternehmen Axpo will das Kernkraftwerk Beznau noch bis im Jahr 2033 betreiben. Der Bau eines neuen Kernkraftwerkts ist aber nicht geplant, wie Axpo-Chef Christoph Brand gegenüber AWP Video sagt. Dennoch begrüsst er den Entscheid von Bundesrat Albert Rösti, das Neubauverbot für Kernkraftwerke aufzuheben. Das gebe der Schweiz in pukto Energie mehr Optionen. Betriebswirtschaftlich sei der Bau eines Kraftwerks der neuen Generation aber für ein Unternehmen nicht umsetztbar. «Das kann nur der Staat machen – wenn überhaupt.» Was die Option 'Kernkraft' für die Schweiz genau kosten würde, wisse aber niemand. Axpo will das Szenario nun aber einmal durchrechnen. Der Axpo-Chef erhofft sich dadurch eine Versachlichung der Diskussion um die Kernkraft im Rennen mit anderen Energien wie Wind- oder Gaskraft.