Sonntagspresse So viele Demos wie noch nie in der Schweiz

SDA/tpfi

1.12.2019

Allein in Bern sollen bis Ende des Jahres voraussichtlich mehr als 300 Demonstrationen stattgefunden haben. (Archivbild)
Allein in Bern sollen bis Ende des Jahres voraussichtlich mehr als 300 Demonstrationen stattgefunden haben. (Archivbild)
Bild: Keystone/Anthony Anex

Freispruch für zwei Mafiabosse der Frauenfelder Mafia-Zelle, russische Rettungspläne für den angeschlagenen Schweizer Stahlkonzern Schmolz+Bickenbach und ein Basler Uni-Professor, der die Hirnströme von Pädophilen misst: Das sind die wichtigsten Schlagzeilen der Sonntagszeitungen.

Die Schweiz im Demo-Fieber

Die Schweizer Städte vermelden so viele Demonstrationen wie noch nie. Am stärksten betroffen ist die Hauptstadt Bern, wo dieses Jahr voraussichtlich erstmals die Zahl von 300 Kundgebungen überschritten wird, wie die «SonntagsZeitung«» berichtet. Im Durchschnitt muss die enge Stadt sechs Kundgebungen pro Woche aushalten. An manchen Wochendtagen fanden schon vier Demonstrationen gleichzeitig statt. Die zunehmende Protestfreude ärgert dem Bericht zufolge nicht nur Anwohner, Pendler und Besucher, für zahlreiche Läden in den Innenstädten ist sie demnach existenzbedrohend. In Zürich etwa kündigte eine Boutique nach 30 Jahren ihre Schliessung an, da an vielen Samstagen — sonst der umsatzstärkste Tag — wegen Demonstrationen die Kundschaft wegblieb. Die Vereinigungen der Innenstadt-Läden sind alarmiert. Ihrer Meinung nach vermiesen Staus, umgeleitete Tramlinien und Vandalismus das Einkaufserlebnis. Die Branche wird auch stark vom Online-Handel bedrängt.

Whistleblower will gegen Kanton Graubünden klagen

Der ehemalige Unterengadiner Bauunternehmer Adam Quadroni bereite eine Staatshaftungsklage gegen den Kanton Graubünden vor. (Archivbild)
Der ehemalige Unterengadiner Bauunternehmer Adam Quadroni bereite eine Staatshaftungsklage gegen den Kanton Graubünden vor. (Archivbild)
Bild: Keystone

Der Enthüller im Bündner Baukartell-Skandal will juristisch gegen den Kanton vorgehen, weil Behörden ihn nicht korrekt behandelt haben. Der ehemalige Unterengadiner Bauunternehmer Adam Quadroni bereite eine Staatshaftungsklage gegen den Kanton Graubünden vor, berichtet die «NZZ am Sonntag». Im Raum stehen Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche, die der Whistleblower Quadroni einerseits wegen inkorrekter Polizeieinsätze geltend machen will. Andererseits sei er als Bauunternehmer boykottiert worden, nachdem er sich gegen das Baukartell gewehrt hatte. Die systematische Nichtberücksichtigung habe seine Firmen ruiniert. Die Voraussetzungen für eine Klage, dass ihm durch amtliche Tätigkeit Schaden entstand und er zudem in seiner Persönlichkeit sowie seiner körperlichen Integrität verletzt wurde, sehen Quadronis Anwälte als erfüllt an. Sie wollen nicht nur den Kanton belangen, sondern auch Staatshaftungsklagen gegen mehrere Unterengadiner Gemeinden einreichen. Die Anwälte sehen sich in den in der vergangenen Woche veröffentlichten Untersuchungsberichten in ihrer Meinung bestärkt. Die illegalen Absprachen im Strassenbau im Unterengadin sind schweizweit der bisher grösste aufgeflogene Fall von Manipulationen auf dem Bau. So kam es bei mehreren hundert Projekten zwischen Baufirmen zu Absprachen um Preise und Aufträge. Die Wettbewerbskommission (Weko) büsste zwölf Baufirmen mit total elf Millionen Franken.

SP-Chef Levrat plädiert für Rytz

SP-Chef Christian Levrat hat die CVP zur Wahl der Grünen Regula Rytz in den Bundesrat aufgerufen. Levrat warnte in der Westschweizer Sonntagszeitung «Le Matin Dimanche», dass die Wahl von Rytz anstelle von Ignazio Cassis (FDP) für die Christlichdemokraten die «einzige Überlebenschance im Bundesrat» sei. Die CVP hatte letzte Woche erklärt, dass sie die Grüne Regula Rytz bei den Gesamterneuerungswahlen für den Bundesrat am 11. Dezember nicht unterstützen werde. Diese Strategie sei «politischer Selbstmord», sagte Levrat. In Anbetracht der Tatsache, dass die Stabilität der Zauberformel Vorrang vor allem habe, wie von der CVP und der SVP stets argumentiert werde, werde die CVP 2023 ihren einzigen Sitz verlieren, sagte Levrat. Dies weil die Grünen bei der Wählerstärke erneut besser abschneiden würden. «Ich will, dass diese Partei im Bundesrat bleibt», sagte Levrat, «aber die CVP muss eine klare Einschätzung der Situation vornehmen.» Für den SP-Präsidenten gibt es «keinen Grund zu warten», um die Grünen in die Regierung zu bringen. Letztere seien heute die viertstärkste Partei. «Ich verstehe nicht, warum die SVP und die FDP eine Mehrheit im Bundesrat behalten sollten, die sie nicht mehr im Parlament haben.»

SVP-Chef Albert Rösti reagiert auf Angriff gegen Cassis

SVP-Chef Albert Rösti will an der heutigen parteipolitischen Zusammensetzung des Bundesrats festhalten. Er lehnt die Idee von CVP-Präsident Gerhard Pfister zu einem Parteien-Gipfel für eine mögliche neue Zauberformel ab, wie er dem «SonntagsBlick» sagte. «»Ich habe mich noch nie einem Gespräch verweigert, glaube aber nicht, dass die Parteien aktuell eine bessere Lösung finden werden», sagte Rösti. Ein Gipfel zur künftigen Zauberformel im Bundesrat war vom CVP-Präsidenten vorgeschlagen worden, nachdem die Grünen nach den Wahlen ihren Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat angemeldet hatten. Rösti kritisiert den Angriff der Grünen-Parteipräsidentin und Nationalrätin Regula Rytz auf den Tessiner Bundesratssitz von Ignazio Cassis (FDP): «Der Angriff auf die italienische Schweiz ist unverständlich. Die regionale Vertretung ist in der Verfassung festgeschrieben.» Einen Ausbau des Bundesrats auf neun Mitglieder lehnt Rösti ebenfalls ab: «Davon halte ich nichts. Das bläht nur unnötig die Verwaltung auf.»

Russische Rettungspläne für Schmolz+Bickenbach

Der Stahlproduzent Schmolz+Bickenbach hat ein schwarzes drittes Quartal mit roten Zahlen hinter sich. (Archivbild)
Der Stahlproduzent Schmolz+Bickenbach hat ein schwarzes drittes Quartal mit roten Zahlen hinter sich. (Archivbild)
Bild: Keystone/Ennio Leanza

Im Streit um die Rettung des in Finanznöten steckenden Stahlkonzerns Schmolz+Bickenbach (S+B) hat der russische Investor Viktor Vekselberg einen neuen Plan ausgearbeitet. Diesen will er am Montag an der Generalversammlung als Alternative zur geplanten, wenig chancenreichen Kapitalerhörung von 325 Millionen Franken einbringen, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Demnach soll es eine Kapitalerhöhung von lediglich 200 Millionen Franken geben. Amag-Besitzer und Teilhaber Martin Haefner wäre dann nur noch ein kleiner Minderheitsaktionär. Dieses will Haefner jedoch mit allen Mitteln verhindern. Er bot darum Vekselberg an, ihn auszukaufen. Das Problem bei diesem Vorschlag sind allerdings die amerikanischen Sanktionen gegen Vekselberg, die so einen Deal eventuell verbieten. Nun suchen beide Parteien nach Lösungen. Grossaktionär Haefner sagte in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag», er sei nicht nur bereit, jetzt Kapital einzuschiessen, sondern auch in ein paar Jahren, etwa um eine Übernahme oder eine Kooperation zu ermöglichen. Denn in der Stahlbranche brauche es eine Konsolidierung. Ein S+B-Sprecher sagte der Zeitung, das Unternehmen mit weltweit 10'000 Mitarbeitenden verfüge aus heutiger Sicht bis in den Januar über genügend Liquidität. Die Löhne für den Dezember seien gesichert. In der Schweiz stehen in Emmenbrücke und Luzern 800 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Freispruch für Mafia-Bosse 

Das oberste Gericht Italiens hat das Urteil gegen zwei Bosse der Frauenfelder Mafia-Zelle aufgehoben. Gemäss dem Urteil des Kassationshofs in Rom muss sich nun die Vorinstanz noch einmal mit dem Fall befassen, wie der «SonntagsBlick» berichtet. Die beiden Bosse der Schweizer Zelle waren bereits in erster Instanz zu hohen Haftstrafen verurteilt worden, die zweite erhöhte auf zwölf und 14 Jahre Gefängnis. In ihrem Urteil verzichteten die Römer Richter auf jeden Aufschub und veranlassten die sofortige Freilassung der Männer. Laut deren Anwälten beurteilten die Richter alle vorgelegten Beweise für deren Mitgliedschaft in der Frauenfelder Mafia-Zelle als unzureichend. Die Anwälte hatten in ihrem Berufungsantrag von einer «stillen Mafia» gesprochen, einer Organisation, die keine einschüchternden oder erpresserischen Methoden anwende. Das neue Urteil könnte sich auch auf laufende Verfahren gegen weitere Mitglieder der Frauenfelder Zelle auswirken. Erst im Frühjahr wurden neun Mitglieder zu Haftstrafen zwischen zehn und 13 Jahren verurteilt.

Uni-Professor misst die Hirnströme von Pädophilen

Ein Basler Psychiater und Universitätsprofessor hat ein Verfahren entwickelt, mit dem er laut eigenen Angaben mit grosser Sicherheit feststellen kann, ob jemand pädophil ist. «Wir messen Hirnströme von Personen, insbesondere die Veränderungen der Hirnströme, wenn die Personen Reizen ausgesetzt sind», sagte Marc Graf, Professor für forensische Psychiatrie, im Interview mit der «NZZ am Sonntag». Unter anderem zeige man Probanden Bild-Sequenzen, in welche Kürzest-Sequenzen mit pädoerotischen Stimuli eingestreut seien. Diese führten bei Pädophilen zu spezifischen Mess-Ausschlägen. «Allein aufgrund dieser Messungen lassen sich mit 80 bis 90 Prozent Sicherheit Aussagen darüber machen, ob die untersuchten Personen pädosexuelle Neigungen haben oder nicht», sagte Graf. Diese Erkenntnisse könnten für Diagnosen und Prognosen von pädosexuellen Tätern hilfreich sein. Gefährlichkeits- und Rückfallprognosen von forensischen Psychiatern werden in der Justiz immer wichtiger. Sie sind unter anderem zentral bei der Frage, ob Häftlinge aus kleinen Verwahrungen entlassen werden können.

Kinderbücher boomen

Kinderbücher feiern Hochkonjunktur — nicht nur in der Vorweihnachtszeit. So kam es im vergangenen Jahr zu so vielen Neuerscheinungen wie noch nie, wie der «SonntagsBlick» schreibt. 2018 kamen über 8800 Kinder- und Jugendbücher auf den deutschsprachigen Markt. «Diese Zahl hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt», sagte Christine Tresch vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM) der Zeitung. Die Kinder- und Jugendliteratur sei seit den 1968er-Jahren ein Seismograf gesellschaftlicher Veränderungen. Sie reagiere oft viel schneller als die Belletristik für Erwachsene auf aktuelle Themen. So seien Flucht und Migration vor drei, vier Jahren ein grosses Thema in der Kinder- und Jugendliteratur gewesen. Zurzeit finde man viele Romane für Jugendliche, die die #MeToo-Debatte aufgreifen würden. Auch die Klimadiskussion sei in der aktuellen Kinderliteratur präsent. Die drei erfolgreichsten Schweizer Kinderhelden sind dem Bericht zufolge Globi, 1933 von Robert Lips erschaffen, Schellen-Ursli (1945) von Selina Chönz und Alois Carigiet sowie die unangefochtene Königin der Schweizer Kinder- und Jugendliteratur: Heidi, die 1880 erschienene Romanfigur von Johanna Spyri.

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