Gesundheit Spitalfehler nicht systematisch erfasst

SDA

10.6.2020 - 12:38

Angst vor dem Pranger verzögert in der Schweiz eine zentrale Erfassung von ärztlichen Fehlern mit oft irreparablen Schäden an Patienten (Symbolbild).
Angst vor dem Pranger verzögert in der Schweiz eine zentrale Erfassung von ärztlichen Fehlern mit oft irreparablen Schäden an Patienten (Symbolbild).
Source: KEYSTONE/LAURENT GILLIERON

Falsches Bein operiert, grössere Metallteile im Bauch vergessen oder nicht das richtige Medikament verabreicht: Was in Schweizer Spitälern schiefläuft und irreparable Schäden verursacht, wird nach wie vor nicht systematisch erfasst – im Gegensatz zu anderen Ländern.

174 Risiko- und Qualitätsmanager von Spitälern hatte die Stiftung Patientensicherheit im vergangenen Jahr angeschrieben, 95 haben geantwortet, wie es auf ihrer Homepage heisst und der «Tages-Anzeiger» am Dienstagabend berichtete. Damit lagen Daten aus knapp hundert Spitälern vor.

Im internationalen Sprachgebrauch werden schwerwiegende Vorfälle, «die nahezu vollständig zu vermeiden» wären, «wenn die entsprechenden Präventionsmassnahmen umgesetzt werden» als sogenannte Never Events bezeichnet.

In der Umfrage, die die Stiftung Patientensicherheit Ende 2019 durchführte, geben 73 Prozent der Spital-Risiko- und -Qualitätsmanager an, sie fänden, dass Never Events eine wichtige oder zentrale Bedeutung haben. 81 Prozent finden es sehr wichtig, dass Never Events systematisch erfasst werden, um die Patientensicherheit zu verbessern, und niemand fand dies unwichtig.

Allerdings erfahren 54 Prozent der Spital-Manager von den Never Events in der eigenen Klinik nichts – oder wenn, dann nur über inoffizielle Kanäle. 62 Prozent würden es begrüssen, wenn die Never Events einer neutralen Stelle anonym gemeldet werden könnten, und 45 Prozent finden, es sollte eine Meldepflicht für Never Events geben.

Trotzdem existieren in der Schweiz bisher weder eine national gültige Never-Event-Liste noch übergeordnete Vorgaben für eine Meldepflicht solcher Ereignisse. Dies obwohl vor allem im angloamerikanischen Raum seit über zehn Jahren Erfahrungen mit der Auswahl, der verbindlichen Definition und dem Management solcher Ereignisse vorliegen.

Angst vor dem Pranger

Den Grund für die zögerliche Entwicklung in der Schweiz – aber auch in Deutschland, wo die Diskussion erst im Gange ist – sieht David Schwappach, Direktor der Stiftung Patientensicherheit, in der Furcht, als Spital oder Arzt an den Pranger gestellt zu werden.

Das liege im Widerspruch zur Verantwortung, die die Gesundheitsbranche gegenüber der Bevölkerung trage, sagte Schwappach am Mittwoch im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «In der Luftfahrt wäre eine solche Haltung undenkbar, dort überwiegt das Interesse an der Verbesserung der Sicherheit des Gesamtsystems.»

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