Corona-Effekt Stell dir vor, es ist Dämmerung – und keiner bricht ein

Von Gil Bieler

2.11.2020

Volles Haus: Wenn die Bewohner ständig daheim sind, schreckt das Einbrecher ab. (Symbolbild)
Volles Haus: Wenn die Bewohner ständig daheim sind, schreckt das Einbrecher ab. (Symbolbild)
Getty Images

Wenigstens etwas Gutes hat die Coronapandemie: Einbrecher haben es schwerer, weil Herr und Frau Schweizer mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen. Doch die Täter sind findig – und satteln um.

Ob Homeoffice oder Quarantäne: Gründe, um 2020 zu Hause zu bleiben, gibt es viele. Das mag einem manchmal stinken, hat aber einen netten Nebeneffekt, wie Markus Stauffer vom Verein Sicheres Wohnen Schweiz (SWS) bestätigt: «Einbrecher werden abgeschreckt, wenn jemand zu Hause ist.» Denn Einbrecher seien typischerweise keine Gewalttäter. «Sie wollen einsteigen, Wertsachen stehlen und dann unentdeckt wieder verschwinden.»

Der Fachmann, der früher bei der Kantonspolizei Bern für die Prävention zuständig war, erwartet daher, dass die Fallzahlen bei Einbrüchen und Einbruchsversuchen im Coronajahr merklich sinken werden. Und er räumt mit der landläufigen Meinung auf, Einbrecher schlügen typischerweise in der Dämmerung zu: «Zwar stimmt es, dass Täter im Dunkeln besser geschützt sind. Aber Einbrüche in Wohnungen und Häuser ereignen sich auch tagsüber», erklärt Stauffer.

Zudem würden sich Einbrüche nicht nur in der kalten Jahreszeit ereignen, sondern auch während der Sommer- und Herbstferienzeit. Wegen der Reisebeschränkungen erwartet er auch hier einen positiven Coronaeffekt. Die definitiven Zahlen werden aber erst im kommenden Frühling publiziert.

Abschreckende Wirkung

Auf Anfrage von «blue News» bestätigen mehrere Polizeikorps solch eine positive Entwicklung. So erklärt die Kantonspolizei St. Gallen: «Die Einbrüche in Privathaushalte sind in diesem Jahr bislang rückläufig. Sicher ein Grund dafür war, dass die Bewohner mehr zu Hause waren.» Der Rückgang betrage rund ein Drittel, während des Lockdowns im Frühling seien es sogar 50 Prozent gewesen. «Dies hat auch mit den Kriminaltouristen zu tun, welche damals nicht einreisen konnten.» Auch bei der Kantonspolizei Bern wurden während des Lockdowns weniger Einbruchsdelikte in Wohnungen festgestellt.

Die Luzerner Polizei beobachtet generell, dass Täter vor einem Einbruchversuch zurückschrecken, wenn jemand zu Hause zu sein scheint. Ebenso die Stadtpolizei Zürich: «Wenn Einbrecherinnen und Einbrecher während ihrer Tat hören oder sehen, dass jemand die Wohnung oder die Geschäftsräume betritt, ergreifen sie meist die Flucht.» Die Kantonspolizei Aargau rechnet ebenfalls mit solch einer abschreckenden Wirkung im Coronajahr, kann aber keine Abnahmen bei der Deliktszahl ausmachen.

Nur noch halb so viele Einbruchsdelikte wie 2012

Ganz generell ist die Zahl der Einbruchdelikte in der Schweiz seit Jahren rückläufig. 2019 wurden landesweit 36'419 Einbruch- und Einschleichdiebstähle gezählt – rund hundert pro Tag. Das klingt nach viel, doch sind es 6,3 Prozent weniger Fälle als im Vorjahr und nur noch halb so viele wie noch im Rekordjahr 2012, wie die Kriminalstatistik des Bundes zeigt.

Der Verein SWS wird von diversen Verbänden im Sicherheitsbereich, der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), der Polizei und der Schweizerischen Kriminalprävention getragen. Sein Ziel ist es, die Bevölkerung für den Schutz vor Einbrechern zu sensibilisieren. Entsprechend erfreut ist Markus Stauffer über die Entwicklung in diesem Bereich.

Stauffer nennt auch die Gründe dafür: So hätten die jahrelangen Präventionsbemühungen der Polizei und aus der Privatwirtschaft Früchte getragen. Die Menschen würden ihr Zuhause zunehmend besser schützen und die Polizeikorps agierten gezielt mit Personen- und Fahrzeugkontrollen. Das spreche sich gerade bei organisierten Banden aus dem Ausland schnell herum.

Doch: Die Profis würden dazulernen, sagt Stauffer: «Banden mit den nötigen Ressourcen verlagern dann ihren Fokus. Es ist kein Zufall, dass die Zahl der Betrugsfälle wie zum Beispiel beim Enkeltrick, durch Abzocke und Skimming oder Internet-Betrügereien zugenommen hat.» Gemäss Kriminalstatistik 2019 stieg die Zahl der Betrugsstraftaten gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent auf 17'606 Fälle. Innert zehn Jahren entspricht das gar einer Verdoppelung. Dieser Anstieg dürfte auf die zunehmende digitale Kriminalität zurückzuführen sein, heisst es im Bericht. 

Wie viele Einbrüche in der Schweiz auf das Konto von professionell agierenden Banden gehen, ist laut Stauffer nicht bekannt. Er schätzt aber, dass es die Mehrheit der Delikte sein dürfte.

So beugen Sie einem Einbruch vor

Um sich vor Einbrechern zu schützen, empfiehlt der Verband Sicheres Wohnen Schweiz (SWS) ein Drei-Säulen-Modell.

1. Richtiges Verhalten: Dazu zählt beispielsweise, dass man Türen und Fenster abschliesst, den Schlüssel nicht stecken lässt und eine gute Beziehung zu den Nachbarn pflegt, damit man gegenseitig die Wohnungen im Auge behält.
2. Bauliche Massnahmen: Dazu zählen zum Beispiel verstärkte Fenster und Türen, Zusatzschlösser, Verriegelungen und Fenstergitter.
3. Elektrotechnische Massnahmen: Etwa eine Alarmanlage.
Falls dennoch etwas passiert: Ruhe bewahren und die 117 wählen.
Mehr Informationen auf Sicheres-wohnen-schweiz.ch

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