Bericht von SP bestellt Streit um Schengen und Kriminalität – nur die SVP sieht Nachteile

SDA

21.3.2019 - 12:27

Die Schweiz gehört seit 2008 zum Schengen-Raum. Der Nationalrat zieht eine positive Bilanz. (Archivbild)
Die Schweiz gehört seit 2008 zum Schengen-Raum. Der Nationalrat zieht eine positive Bilanz. (Archivbild)
Source: Keystone

Der Nationalrat hat sich mit der Frage befasst, ob die Schengen-Zusammenarbeit der Schweiz Nutzen oder Schaden gebracht hat. Bis auf die SVP zogen alle Fraktionen eine positive Bilanz.

Den Bericht hatte der Nationalrat verlangt, mit der Annahme eines Postulats der SP-Fraktion. Diese sieht im Ergebnis eine Bestätigung für ihre Haltung zu Schengen. Die Bilanz sei positiv für die Schweiz, sagte Carlo Sommaruga (SP/GE). Die Untersuchung zeige, was auf dem Spiel stehe bei der Abstimmung vom 19. Mai zur Übernahme der EU-Waffenrichtlinie. Beim einem Nein droht der Schengen-Austritt.

Die Rednerinnen und Redner anderer Fraktionen stiessen ins selbe Horn. «Schengen ist ein grosser volkswirtschaftlicher Vorteil», sagte Kathy Riklin (CVP/ZH). Das müsse unbedingt zur Kenntnis genommen werden mit Blick auf die Abstimmung. Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) sprach von einem unverzichtbaren Sicherheitsinstrument, das 40 Fahndungstreffer pro Tag ermögliche.

Statistik versus Gefühl

Die Rednerinnen und Redner der SVP wiesen auf die Kriminalität hin. Diese sei mit Schengen gestiegen, behaupteten sie. Dem widersprachen die Vertreter der anderen Parteien. Die Statistiken zeigten klar, dass die Kriminalität nicht zu-, sondern abgenommen habe. «Wenn Sie eine alternative Wahrheit haben, behalten Sie diese für sich», sagte Sommaruga zu Yvette Estermann (SVP/LU).

Roland Büchel (SVP/SG) kritisierte den «Schengen-Jubel». Der Bericht sei «offensichtlich bestellt». Er sei nicht die einzige Wahrheit. Man dürfe nicht so tun, als ob Schengen unverzichtbar wäre und jene abkanzeln, die eine andere Meinung hätten. Er sei gar nicht gegen Schengen, aber gegen Propaganda. «Fragen Sie einmal die Leute, die überfallen werden», sagte Büchel zu Sommaruga, der aus Polizeistatistiken zitierte.



Aussenminister Ignazio Cassis wies ebenfalls auf die Statistiken hin. Es gebe dieses Gefühl, dass die Kriminalität gestiegen sei, stellte er fest, auch in seinem Kanton. «Wenn wir die Zahlen betrachten, ist sie aber zurückgegangen.» Cassis rief dazu auf, die Sache nüchtern zu betrachten. Der Bundesrat sei der Auffassung, dass die Vorteile der Mitgliedschaft von Schengen und Dublin ganz klar überwögen.

Positive finanzielle Bilanz

Der Bericht kommt zum Schluss, dass das Schengen-Visum und der Verzicht auf systematische Grenzkontrollen für die Schweizer Volkswirtschaft wichtig sind, insbesondere für die Grenzregionen und den Tourismus. Die finanzielle Bilanz von Schengen und Dublin fällt ebenfalls positiv aus, namentlich wegen Einsparungen im Asylbereich.

Wäre die Schweiz nicht mehr assoziiertes Mitglied der Abkommen von Schengen und Dublin, müssten die Nachbarstaaten systematische Grenzkontrollen durchführen. Das hätte Wartezeiten und Staus an den Grenzübergängen zur Folge.

Ohne Schengen und Dublin wäre gemäss dem Bericht für das Jahr 2030 ein jährlicher Einkommensverlust zwischen 4,7 und 10,7 Milliarden Franken zu erwarten. Das entspricht einem um 1,6 bis 3,7 Prozent tieferem Bruttoinlandsprodukt.

Einsparungen im Asylbereich

Die im Dublin-Abkommen geregelte Asylzusammenarbeit ermöglicht gemäss dem Bericht Einsparungen, welche die Kosten um ein Mehrfaches übersteigen. Weil die Schweiz mehr Personen an andere Dublin-Staaten überstellt hat, als sie von diesen übernahm, sparte sie pro Jahr durchschnittlich 270 Millionen Franken.

Insgesamt hat die Schweiz gemäss dem Bericht durch Schengen/Dublin somit zwischen 2012 und 2016 rund 220 Millionen Franken pro Jahr eingespart. Würde sie nicht mehr teilnehmen, würden weitere Kosten anfallen. Denn ohne Schengen-Zusammenarbeit gäbe es eine Sicherheitslücke: Die Schweiz hätte keinen Zugang mehr zu Daten des Fahndungssystems SIS, der Visumdatenbank VIS und der Fingerabdruckdatenbank Eurodac.

Der Wegfall der Dublin-Zusammenarbeit würde bedeuten, dass viele Asylsuchende länger in der Schweiz blieben. Zudem könnte jeder Asylsuchende, dessen Gesuch in einem Dublin-Staat abgewiesen wurde, in der Schweiz erneut ein Asylgesuch stellen. Dieses müssten die Schweiz im ordentlichen Verfahren materiell prüfen.

Die Schweiz nimmt seit Dezember 2008 operationell an der Schengen- und Dublin-Zusammenarbeit teil. Die beiden Abkommen sind gekoppelt.

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