Rassismus in der SchweizTausende demonstrieren gegen Polizeigewalt
SDA/dor
8.6.2020
Am Wochenende haben in der Schweiz Tausende Menschen gegen Rassismus demonstriert. Die Teilnehmenden in Lausanne, Basel, Zürich, Bern und Neuenburg protestierten unter dem Motto «Black Lives Matter» gegen Diskriminierung und Polizeigewalt gegen Schwarze.
In Lausanne gingen am Sonntagnachmittag mehr als 2'000 Menschen gegen Rassismus auf die Strasse. Die Kundgebung war nicht genehmigt. Die Polizei war zwar präsent, griff aber nicht ein. Gleichzeitig fanden in der ganzen Stadt mehrere Sit-ins statt.
Aus allen Mündern waren Rufe zu hören wie «Black lives matter» («Schwarze Leben zählen»), «I can't breathe» («Ich kann nicht atmen») oder «Ma couleur n'est pas une menace» («Meine Hautfarbe ist keine Bedrohung»).
Die Bürgerrechtsbewegung Black Lives Matter hatte sich 2013 zunächst im Internet in den USA unter dem Hashtag #blacklivesmatter gebildet, nachdem der mutmassliche Täter des getöteten schwarzen amerikanischen Teenagers Trayvon Martin freigesprochen wurde.
Am Samstagnachmittag hatten sich in Basel gut 5'000 Menschen zu einer unbewilligten Kundgebung gegen Rassismus versammelt. Auch dort trugen die Demonstrierenden Schilder mit der Aufschrift «Black lives matter» oder «White silence = violence» («Weisses Schweigen = Gewalt»). Rednerinnen berichteten von ihren eigenen täglichen Erfahrungen mit Rassismus in der Schweiz. Rassismus sei bei Weitem kein rein amerikanisches Problem, sagte eine Frau.
Demonstrationsteilnehmende verteilten Schutzmasken, die fast durchs Band getragen wurden. Die Polizei zeigte Präsenz, verteilte Flugblätter mit den Verhaltensrichtlinien des Bundesrats, griff aber nicht ein. Die Kundgebung verlief friedlich, Sachbeschädigungen seien keine festgestellt worden, wie ein Polizeisprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Man habe aus Gründen der Verhältnismässigkeit und um Eskalationen zu vermeiden darauf verzichtet, die Kundgebung aufzulösen.
Im Gegenteil sogar: Als sich die Kundgebungsteilnehmenden auf der Mittleren Brücke über den Rhein zu mehreren Schweigeminuten hinsetzten, waren Polizisten zu sehen, die sich solidarisch niederknieten.
Zürcher Polizei nimmt Organisatorin fest
In Zürich starteten über 1'000 Teilnehmende am frühen Samstagnachmittag von der Bahnhofstrasse aus. Die Polizei begleitete den Umzug bis zur Kasernenwiese, wo sich die Demonstration auflöste. Die unbewilligte Kundgebung wurde von der Polizei weitgehend toleriert. Es sei jederzeit möglich, das Gelände oder den Umzug zu verlassen, teilte die Stadtpolizei über Twitter mit.
Die Polizei nahm jedoch eine Frau fest, die nach Angaben der Stadtpolizei Zürich als Organisatorin der illegalen Demonstration erkannt wurde. Eine zweite Person hat die Polizei wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte an die Staatsanwaltschaft verzeigt.
Zwar dürfen in der Schweiz seit Samstag wieder politische und zivilgesellschaftliche Kundgebungen bewilligt werden, jedoch nur unter gewissen Bedingungen. So muss die Zahl der Teilnehmenden auf 300 begrenzt sein, und die Veranstalter müssen ein Schutzkonzept erarbeiten und eine verantwortliche Person bezeichnen.
In Bern protestierten am Samstagnachmittag ein paar Dutzend Menschen mit einer symbolischen Aktion gegen Rassismus. Sie setzten sich im Halbkreis auf den Bahnhofplatz und trugen Hygienemasken mit der Aufschrift «can‘t breathe». Den Passanten streckten sie Kartons mit dem Slogan «Black Lives Matter» oder «Rassismus ist überall» entgegen. In Biel hatten bereits am Freitag mehr als 1'000 Menschen unter diesem Slogan gegen Rassismus demonstriert.
In Neuenburg fand am Samstag eine bewilligte Kundgebung mit 500 Personen in zwei Gruppen statt. Die Begrenzung von 300 Personen der Behörden konnte entsprechend eingehalten werden. Laut der Kantonspolizei Neuenburg verlief die Kundgebung ruhig; die Demonstrierenden hätten alle Schutzmasken getragen, hiess es.
Trotz Corona-Beschränkungen sind in vielen europäischen Städten in den vergangenen Tagen Tausende Menschen auf die Strasse gegangen. Auslöser ist der Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in den USA Ende Mai.
Im texanischen Houston marschierten Zehntausende im Gedenken an den getöteten George Floyd.
Bild: Keystone/AP/David J. Philipp
Demonstrationen fanden am Dienstag unter anderem auch in Los Angeles, New York und Washington statt.
Bild: Keystone
Bei einem Gedenkmarsch in Los Angeles kniete Bürgermeister Eric Garcetti nieder.
Bild: Getty/Kent Nishimura
Der gewaltsame Tod von George Floyd bewegt in den USA die Gemüter. Der Afroamerikaner war am 25. Mai bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis brutal getötet worden, obwohl er unbewaffnet war.
Bild: Keystone
Ein weisser Polizist hatte fast zehn Minuten lang sein Knie in den Nacken des am Boden liegenden Floyd gedrückt, bis dieser das Bewusstsein verlor. Floyd hatte mehrfach gesagt, er bekomme keine Luft.
Bild: Keystone
Die Polizei hat Floyd angehalten, weil er mit einer gefälschten Banknote bezahlt haben soll. Der Bruder des Opfers (im weissen T-Shirt) trauert an der Todesstelle in Minneapolis.
Bild: Keystone
Auch in zahlreichen anderen Städten gehen die Menschen auf die Strasse, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu demonstrieren. Hier etwa in New York ...
Bild: Keystone
... und in Charlotte im Bundesstaat North Carolina.
Bild: Keystone
Wie hier in Seattle verlaufen die Demonstrationen oft friedlich, doch ...
Bild: Keystone
... kommt es auch zu Gewalt, Sachbeschädigungen und Plünderungen. Hier haben Randalierer in Philadelphia ein Polizeiauto in Brand gesetzt.
Bild: Keystone
Los Angeles im Jahr 2020: In der Westküstenmetropole wecken solche Bilder Erinnerungen an die schweren Unruhen von 1992. Damals gab es Dutzende von Toten, nachdem Polizisten freigesprochen wurden, die den Afroamerikaner Rodney King bei einer Verhaftung massiv verprügelt hatten.
Bild: Keystone
Bereits wurden Tausende Festnahmen aus zahlreichen US-Städten gemeldet. Im Bild ein Demonstrant in Washington.
Bild: Keystone
«Black Lives Matter», auch die Leben von Schwarzen zählen – so lautet das Motto der Protestbewegung ...
Bild: Keystone
... die auch von vielen Weissen unterstützt wird.
Bild: Keystone
Am Montagabend, 1. Juni, liess US-Präsident Donald Trump die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vor dem Weissen Haus vorgehen.
Bild: Keystone
Der Grund dafür wurde später klar: Trump lief öffentlichkeitswirksam zu Fuss zum nahegelegenen Lafayette-Park ...
Bild: Keystone
... wo er sich mit einer Bibel in der Hand vor der historischen St.-John's-Kirche fotografieren liess. Für diese Aktion wurde Trump unter anderem von der für die Kirche zuständigen Bischöfin kritisiert.
Bild: Keystone
Auch nach einer Woche ist die Protestwelle noch nicht abgeflacht. Trump droht Staaten und Gemeinden, die «zu wenig» gegen die Proteste unternähmen, mit dem Militär.
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