«Nur mehr Bussen» Bürgerliche schäumen über Tempo-30-Zone am Zürcher HB – Grüne relativieren

Dominik Müller

22.10.2025

Auf der Nordbrücke in Zürich Wipkingen gilt bereits Tempo 30, auf mehreren Strassen rund um den Hauptbahnhof folgt die Temporeduktion nun ebenfalls.
Auf der Nordbrücke in Zürich Wipkingen gilt bereits Tempo 30, auf mehreren Strassen rund um den Hauptbahnhof folgt die Temporeduktion nun ebenfalls.
Keystone

Mit Tempo 30 will die Stadt Zürich die Innenstadt rund um den HB sicherer machen. Der Entscheid führt zu unterschiedlichen Reaktionen – und kommt zu einem brisanten Zeitpunkt.

Dominik Müller

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Stadt Zürich will rund um den Hauptbahnhof fast flächendeckend Tempo 30 einführen.
  • FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois bezweifelt den Sicherheitsnutzen und sieht stattdessen höhere Kosten sowie Nachteile für Rettungskräfte und Logistik.
  • Grünen-Gemeinderat Markus Knauss begrüsst die Massnahme und bezeichnet sie als «überfällig».
  • Der Entscheid fällt kurz vor der Abstimmung über die Mobilitätsinitiative.

Rund um den Hauptbahnhof Zürich soll zukünftig auf diversen Strassen Tempo 30 gelten. Bahnhofquai, Central, Gessnerallee, Sihlquai, Museumstrasse, Stampfenbachplatz – auf insgesamt 24 Strassen und Plätzen will die Stadt die erlaubte Höchstgeschwindigkeit drosseln.

Die Stadt argumentiert mit der Sicherheit: Im HB-Gebiet habe es in den vergangenen fünf Jahren mehr als 700 Unfälle gegeben, was zu 14 Unfallschwerpunkten geführt habe. «Mit der Einführung von Tempo 30 wird die Verkehrssituation übersichtlicher und sicherer», heisst es in der Mitteilung.

Ein Argument, dass der Zürcher FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois nicht nachvollziehen kann: «Die Massnahme führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern nur zu mehr Bussen», sagt er zu blue News. Tagsüber stocke der Verkehr um den HB ohnehin, der Effekt von Tempo 30 und damit der Sicherheitsgewinn seien entsprechend gering.

Tempo 30 bringe Kosten statt Sicherheit

Das Sicherheits-Argument sei von der Stadt deshalb nur vorgeschoben. «Dort, wo sehr viele Fahrzeuge unterwegs sind, gibt es natürlich auch mehr Unfälle», sagt Bourgeois. Das bedeute aber nicht, dass sich um den Hauptbahnhof überproportional viele Unfälle ereignen.

Hinzu komme, dass Tempo 30 der Sicherheit an anderen Orten auch schade: «Wer am HB steht, sieht alle paar Minuten ein Blaulicht vorbeifahren. Diese Fahrzeuge müssen nun auch langsamer unterwegs sein», führt Bourgeois aus. Das gelte insbesondere für den Sanität-Standort Wache Zentrum, zumal der Neumühlequai auch von der Massnahme betroffen ist.

In den rot-markierten Gebieten soll neu Tempo 30 gelten.
In den rot-markierten Gebieten soll neu Tempo 30 gelten.
Stadt Zürich

Und zu guter Letzt seien nachts vor allem Logistik-Fahrten von einem höheren Zeitaufwand betroffen, etwa bei der Belieferung der ShopVille-Geschäfte. Bourgeois' Fazit zur Tempo-30-Offensive am HB fällt entsprechend vernichtend aus: «Am Tag bringt es keine zusätzliche Sicherheit und in der Nacht Mehrkosten für das Gewerbe und längere Interventionszeiten für Sanität und Feuerwehr.»

«Das war längst überfällig»

Ganz anders hat Markus Knauss, Zürcher Gemeinderat der Grünen, den Entscheid der Stadt aufgenommen: «Das war längst überfällig», sagt er zu blue News. Rund 700'000 Fussgänger*innen seien täglich rund um den HB unterwegs, «da ist es nur logisch, auf Tempo 30 umzustellen».

Es sei wichtig, dass sich alle Autofahrer*innen darauf einstellen, dass um den Bahnhof langsam gefahren werden müsse, so Knauss. Zumal es immer wieder Personen am Lenkrad gebe, die «auch für 100 Meter auf's Gaspedal treten».

Auch das Argument, Rettungskräfte würden ausgebremst, relativiert Knauss: «Das Problem von Feuerwehr und Sanität ist, dass es in der Innenstadt zu viele Autos auf den Strassen hat.» Permanente Stausituationen führen zu einem wesentlich höherem Zeitverlust als «die paar Sekunden, die man durch Tempo 30 verliert».

Brisanter Zeitpunkt

Brisant ist der Zeitpunkt der Massnahme: Am 30. November stimmt der Kanton Zürich über die Mobilitätsinitiative ab. Diese würde den Städten Zürich und Winterthur die Kompetenz entziehen, auf kantonalen Hauptachsen selbstständig Temporeduktionen anzuordnen.

Für Marc Bourgeois ist klar: «Die Stadt wollte die Massnahme vor dem Volksentscheid durchsetzen.» Dies mache insbesondere der Umstand offensichtlich, dass der Entscheid rund fünfeinhalb Wochen vor der Abstimmung erfolge – mit einer Rekursfrist von vier Wochen.

Markus Knauss wittert hingegen kein politisches Kalkül: «Der Geschwindigkeitsplan wurde bereits im Dezember 2021 beschlossen, damals stand die Mobilitätsinitiative noch nicht im Raum.» Dieses Konzept werde nun Schritt für Schritt von der Stadtverwaltung umgesetzt. Zudem geht Knauss davon aus, dass eine Tempo-30-Einführung rund um den HB sogar bei einer allfälligen Annahme der Mobilitätsinitiative zulässig sei.


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