Kanton Waadt geht voranDie «Heilung» von Schwulen und Lesben soll landesweit verboten werden
Von Gabriela Beck
7.7.2022
Die Waadt hat einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der es untersagt, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person durch Interventionen zu beeinflussen. Beobachtern genügt das nicht.
Von Gabriela Beck
07.07.2022, 18:15
08.07.2022, 06:39
Von Gabriela Beck
In vielen Ländern sind Praktiken verboten, die die Änderung der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität einer Drittperson zum Ziel haben, also etwa aus Schwulen oder Lesben heterosexuelle Personen machen zu wollen.
Ein Bericht des UNO-Menschenrechtsrats setzt solche «Konversionstherapien» sogar mit Folter gleich. In der Schweiz sind sie noch erlaubt. LGBT-Verbände sprechen sich deutlich gegen solche Therapien aus und fordern ein schweizweites Verbot dieser Praktiken.
Ein Verbot von Konversions-«Therapien» sei nötig, um LGBT-Personen in der Schweiz besser zu schützen, erklärt etwa Daniela Enzler von der Schweizer Sektion von Amnesty International blue News. Denn in der Regel sei bei dieser Praxis kein eindeutiges Zwangsmoment auszumachen.
Die betroffenen Personen nähmen freiwillig an den sogenannten «Therapien» teil, da sie unter dem Einfluss ihres Umfeldes zur Überzeugung gelangt seien, etwas an ihrer Persönlichkeit sei falsch, unmoralisch oder krank und müsse geheilt werden. Es sei eine sehr subtile, aber invasive Diskriminierungsform mit massiven Auswirkungen auf das Wohlbefinden, die Selbstfindung und die Psyche der Betroffenen.
Mehr und mehr Kantone wie Zürich, Genf oder Basel haben inzwischen parlamentarische Motionen eingereicht oder an die Regierung überwiesen, um Konversionsmassnahmen zu untersagen. Im Kanton Waadt gibt es nun sogar einen Gesetzesentwurf dazu.
«Wir sehen auf kantonaler Ebene einen Trend hin zum Verbot von solchen Praktiken. Nun hoffen wir, dass sich dadurch auf nationaler Ebene weiter politisch Druck aufbaut, damit bald gesetzliche Grundlagen für ein Verbot und die Unterstrafestellung von Konversionsmassnahmen schweizweit geschaffen werden», sagt Alessandra Widmer, Co-Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation Schweiz (LOS), zu blue News.
Die Problematik: In der momentanen Situation können die LGBT-Verbände nicht gegen Hinweise und Beschwerden vorgehen, da die Rechtsgrundlage dazu fehlt.
«Konversionsmassnahmen sind Alltagsrealität»
Widmer fordert aber nicht nur ein Verbot von Konversionsmassnahmen, sondern eine neue Definition von «Konversionstherapie». Der Versuch, queere Menschen der Norm anzugleichen, passiere ja nicht nur im Rahmen von «Therapien» oder «Conversion Camps», sagt sie. Viel häufiger seien fragwürdige Situationen im Bereich der Seelsorge, während eines Coachings oder beim Hausarzt. Sie seien Alltagsrealität. «Das fängt schon bei einer Beratung an, die nicht ergebnisoffen geführt wird», so Widmer. Deshalb sei es wichtig, das Thema gesellschaftlich und politisch ins Bewusstsein zu rücken und gesetzlich zu verankern.
Entsprechende Vorstösse wurden beim Nationalrat und beim Bundesrat eingereicht, erklärt Enzler. Ziel sei, diese schädliche Praxis landesweit zu verbieten und Personen davor zu schützen, in ihren persönlichsten Bereichen manipuliert und diskriminiert zu werden.
Allerdings: Solange nur einzelne Kantone die Praxis verbieten, können Anbieter*innen ihre Aktivitäten in andere Kantone verschieben. Deshalb sei ein landesweites Verbot nötig, so Enzler. Die Waadt könne hier eine Vorreiterrolle spielen und mit gutem Beispiel vorausgehen.
So erinnerte der sozialdemokratische Abgeordnete Julien Eggenberger in seinem Motionsantrag, der dem Gesetzesentwurf vorausging, den Waadtländer Grossen Rat daran, dass ein in den Kantonen Genf und Waadt praktizierender homöopathischer Arzt 2018 angeboten hatte, «Homosexualität zu heilen». Im Jahr 2020 bot ein Psychiater in Schwyz solche «Therapien» an. Sie würden auch in religiösen Kreisen praktiziert. Der Antrag nannte als Beispiel die evangelische Lazarus-Kirche in Bussigny VD, die Kurse zur «Wiederherstellung der Identität» anbot.
«Die Schweiz sieht sich als modernes queer-freundliches Land, da passt es nicht, dass hier immer noch Konversionsmassnahmen erlaubt sind, die zum Beispiel in Deutschland und Österreich verboten sind», fasst Widmer zusammen.