Konzern-InitiativeVerbrechen im Ausland: Heftige Kritik an Glencore mit Sitz in Zug
tsha
22.10.2020
Kein Unternehmen steht in der Schweiz derart im Fokus wie der Rohstoffgigant Glencore. Die Vorwürfe gegen das Unternehmen sind massiv im Vorfeld der Abstimmung der Konzern-Initiative.
Eigentlich richtet sich die Konzernverantwortungsinitiative (KVI), über die das Stimmvolk und die Stände am 28. November entscheiden, gegen all jene Schweizer Unternehmen, die im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards missachten. Wer sich die Argumente der Initianten ansieht, könnte aber meinen, die Initiative hätte vor allem einen Gegner: das Unternehmen Glencore mit Hauptsitz in Baar, Kanton Zug.
«In der peruanischen Stadt Cerro de Pasco verseucht Glencore das Trinkwasser der ansässigen Bevölkerung», heisst es an prominenter Stelle auf der Internetseite der Initiative. Und ein paar Zeilen weiter: «Glencore vergiftet Flüsse im Kongo und die Luft in Sambia.»
Tatsächlich befindet sich Glencore schon lange im Fokus Schweizer und internationaler Umweltaktivisten. Bereits Firmengründer Marc Rich, von Medienvertretern gerne als «King of Oil» tituliert, scherte sich wenig um Recht und Gesetz. So half Rich, das internationale geächtete Apartheidsregime in Südafrika am Leben zu halten, indem er es verbotenerweise mit Erdöl belieferte.
«Alles ist vergiftet»
Glencore ist heute die weltweit grösste Unternehmensgruppe, die mit Rohstoffen handelt, und das umsatzstärkste Unternehmen der Schweiz. Das 1974 gegründete Unternehmen ist immer wieder in Korruptionsskandale verwickelt, ausserdem soll Glencore in mehreren Fällen Umweltstandards verletzt haben und an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sein. Für die Schweiz, so urteilt der «Blick», sei das Unternehmen «ein Reputationsrisiko».
Im Ostafrikanischen Sambia etwa soll Glencore für massive Umweltschäden verantwortlich sein. In dem Land betreibt das Unternehmen ein Kupferschmelzwerk, das laut einem SRF-Bericht hochgiftiges Schwefeldioxid ausstösst. Die Belastung mit dem giftigen Gas betrage bis zum 77-fachen des Richtwerts der WHO, so Messungen der SRF-«Rundschau» vom vergangenen Jahr. Die Folge: Fälle von Atemnot bei Anwohnern sowie zahlreiche Spitaleinweisungen.
Im August wurde das Unternehmen von einem Gericht in Sambia zur Zahlung einer Entschädigung von umgerechnet 47'000 Franken an die Familie eines Abgasopfers verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Politikerin Beatrice Mithi vor rund sechs Jahren nach dem Einatmen von Abgasen aus dem Kupferschmelzwerk einen Asthmaanfall erlitt und starb.
Negativschlagzeilen macht auch eine Mine in Peru: In der Stadt Cerro de Pasco produziert Glencore Zink, Blei und Silber. «Die Mine führt zu einer extremen Umweltverschmutzung durch Blei, Arsen und viele weitere Schwermetalle», heisst es auf der Seite der KVI. »Alles ist vergiftet: die Luft, der Boden, das Wasser.»
«Nicht verbessert, im Gegenteil»
Laut Glencore befindet sich die Mine erst seit zwei Jahren in Unternehmensbesitz; zuvor habe sie dem Staat gehört. Man habe die Zinkhalden saniert und die Wasseraufbereitung repariert. Gegenüber «Blick» sagte Glencore-Sprecherin Sarah Antenore, im Mittelpunkt der Nachhaltigkeitsstrategie des Rohstoff-Giganten stünden die Themen Umwelt und Menschenrechte. «Leider besteht ein Teil der Kampagne daraus, irreführende Informationen über Glencore zu verbreiten, indem der historische Kontext ignoriert wird.»
Für die Initianten ein Scheinargument: Die Situation in der peruanischen Mine «hat sich in letzter Zeit nicht verbessert, im Gegenteil: Eine Haaranalyse bei Kindern zeigt, dass sich die Bleikonzentration in den letzten Jahren weiter verschlimmerte», schreiben sie.
Dass der Ruf seines Unternehmens mies ist, weiss auch Konzernchef Ivan Glasenberg. Vor drei Jahren ging er in die Offensive und verkündete laut «Handelszeitung»: «Wir arbeiten in keiner unserer Minen unethisch.» Und Stakeholder-Chefin Marie Roth sagte damals gar: «Glencore findet die Konzernverantwortungsinitiative grundsätzlich gut.» Allerdings glaube sie, die Initiative «nützt nichts».
Die neue Offenheit des zuvor so verschlossenen Unternehmens ist Teil einer Strategie, die seit dem Börsengang im Jahr 2011 verstärkt gefahren wird: Durch offene Kommunikation versucht Glencore, seinen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
«Leugnen der Fakten»
Für Chantal Peyer von der Entwicklungsorganisation «Brot für alle» ein nur allzu offensichtliches Ablenkungsmanöver. «Glencore erkennt Umweltverschmutzung oder Menschenrechtsverletzungen nicht an und beginnt fast immer mit dem Leugnen der Fakten», so Peyer gegenüber «Blick». Das Unternehmen reagiere immer nur dann, wenn der Druck durch die Öffentlichkeit zu gross werde.
Längst ist Glencore auch in den Fokus internationaler Ermittlungsbehörden geraten. Wegen Korruptionsfällen im Kongo hat die Schweizer Bundesanwaltschaft im Juni eine Strafuntersuchung gegen das Unternehmen gestartet. Dem zentralafrikanischen Land, das auf seine Rohstoffexporte angewiesen ist, sollen hohe Einnahmen entgangen sein, nachdem Minenrechte zu einem Dumpingpreis an eine Glencore-Tochterfirma gingen. Im Raum steht der Vorwurf, dass bei dem Deal Schmiergelder geflossen sind.
Für die Unterstützer der KVI geht es aber vor allem um die Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen durch das Unternehmen. «Konzerne wie Glencore, die Flüsse vergiften oder ganze Landstriche zerstören», so Dick Marty, alt Ständerat FDP und Co-Präsident Initiativkomitee, «sollen auch dafür geradestehen.»