Nationalräte unter Druck Roger Köppel soll Immunität verlieren, Fabian Molina muss zittern

red./SDA

11.5.2022

Nationalratskommission will Immunität von Roger Köppel aufheben

Nationalratskommission will Immunität von Roger Köppel aufheben

Die zuständige Nationalratskommission will die Immunität von SVP-Nationalrat Roger Köppel aufheben. Das gab sie am Mittwoch bekannt. Es geht um den Verdacht der Amtsgeheimnisverletzung.

11.05.2022

Zwei Nationalräte mussten sich heute vor der Immunitätskommission verantworten. Das Verdikt: Die Immunität von Roger Köppel (SVP) soll aufgehoben werden. Auch Fabian Molina (SP) droht eine Strafverfolgung.

red./SDA

Nach Abschluss der Sondersession im Bundeshaus mussten SVP-Nationalrat Roger Köppel und sein SP-Ratskollege Fabian Molina vor der Immunitätskommission der grossen Kammer erscheinen. Das neunköpfige Gremium entschied am Mittwochnachmittag darüber, ob die beiden Zürcher ihren Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung verlieren sollen.

Der Entscheid fiel für beide Politiker unerfreulich aus: Molina ist nach Ansicht der Kommission überhaupt nicht durch seine parlamentarische Immunität geschützt. Und Köppel soll seine Immunität verlieren. Stützt nun auch die Ständeratskommission diesen Entscheid, kann die Bundesanwaltschaft gegen den SVP-Politiker ermitteln. 

Im Fall Köppel fiel der Entscheid in der Nationalratskommission mit 5:3 Stimmen bei einer Enthaltung, wie Kommissionspräsidentin Aline Trede (Grüne, Bern) vor den Medien in Bern sagte. Voraussichtlich an ihrer nächsten ordentlichen Sitzung vom 30. Juni und 1. Juli berät auch die Rechtskommission des Ständerats (RK-S) über den Fall.

Die Aufhebung der relativen Immunität von Roger Köppel wäre eine Premiere: Noch nie hoben die Parlamentskommissionen die Immunität eines amtierenden Ratsmitglieds auf. Das müsste in einem nächsten Schritt aber auch noch die Immunitätskommission des Ständerats beschliessen.  

Amtsgeheimnis verletzt?

Worum geht's? Im Fall von Roger Köppel steht der Verdacht der Amtsgeheimnisverletzung im Raum. Der «Weltwoche»-Chefredaktor hatte am 24. März im Videoformat «Weltwoche Daily» von einer Durchsuchung bei einer Tochterfirma des Schweizer Uhrenherstellers Audemars Piguet in Moskau vom 22. März berichtet. Dabei habe der russische Inlandgeheimdienst FSB wegen angeblicher Zollvergehen Uhren im Wert von mehreren Millionen Franken beschlagnahmt, so Köppel.

Laut einem Bericht des «Blick» stützte sich Köppel dabei auf eine als vertraulich gekennzeichnete Informationsnotiz des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Gegenüber der Zeitung wies der Beschuldigte den Vorwurf zurück, das Kommissionsgeheimnis verletzt zu haben. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates, in der auch Köppel sitzt, hatte Strafanzeige gegen ihn eingereicht.

Ob seine Aussagen strafrechtlich relevant waren, will die Bundesanwaltschaft prüfen – wofür aber Köppel seine Immunität verlieren müsste. 

SVP-Nationalrat Roger Köppel vor der Anhörung heute im Bundeshaus. (Keystone/Peter Klaunzer)
SVP-Nationalrat Roger Köppel vor der Anhörung heute im Bundeshaus. (Keystone/Peter Klaunzer)
Keystone

Neben den allfälligen weiteren strafrechtlichen Abklärungen der Bundesanwaltschaft ist beim Nationalratsbüro auch noch hängig, ob eine allfällige Disziplinarmassnahme gegen Köppel ausgesprochen wird. Noch ist unklar, wann ein Entscheid darüber gefällt wird.

Die fraglichen Bestimmungen im Parlamentsgesetz sehen Disziplinarmassnahmen vor für Fälle, in denen ein Ratsmitglied gegen die Ordnungs- und Verfahrensvorschriften der Räte verstösst. Das kann ein Verweis sein oder, in ganz schweren Fällen und bei einer wiederholten Tat, ein Ausschluss eines Ratsmitglieds bis zu sechs Monate von Kommissionssitzungen. Erhebt der oder die Betroffene Einsprache dagegen, entscheidet der Rat darüber.

Auch wenn es immer wieder zu Verletzungen des Kommissionsgeheimnisses kommt, sind Verweise an Ratsmitglieder selten. 2008 wollte das damalige Ratsbüro gleich vier Nationalräten und einer Nationalrätin einen Verweis erteilen, im Zusammenhang mit der Mörgeli-Mengele-Affäre. Weil sie Einsprache dagegen erhoben, liess der Nationalrat dann aber alle fünf ungeschoren davonkommen.

Molina lief an unbewilligter Demonstration mit

Im Fall von Fabian Molina geht es um die Teilnahme an einer Demonstration gegen Corona-Skeptiker und Rechtsextreme vom Februar in der Zürcher Innenstadt. Weil diese nicht bewilligt war, musste auch der SP-Politiker um seine parlamentarische Immunität bangen. Angezeigt wurde er von Massnahmengegnern. Sie werfen ihm Landfriedensbruch, Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration sowie Verstoss gegen das Vermummungsverbot vor.

In den Augen der Mehrheit der Nationalratskommission steht Molinas Teilnahme an der Kundgebung aber nicht mit dessen Funktion als Nationalrat in Verbindung. Deshalb geniesst er auch keinen parlamentarischen Schutz vor Strafverfolgung.

Die Kommission entschied daher für Nichteintreten. Der Entscheid fiel laut Trede mit 6:2 Stimmen.

Folgt die Ständeratskommission diesem Entscheid, kann die Zürcher Staatsanwaltschaft gegen Molina ermitteln.

Die Rechtskommission des Ständerats entscheidet voraussichtlich an ihrer nächsten ordentlichen Sitzung vom 30. Juni und 1. Juli über den Fall. Tritt auch sie nicht auf das Gesuch um Aufhebung der Immunität ein, ist der Weg für die Strafverfolger definitiv frei.

Korrektur: In einer ersten Version dieses Artikels stand fälschlicherweise, dass Fabian Molina seine Immunität nach Ansicht der Nationalratskommission behalten solle. Richtig ist aber, dass die Kommission Nichteintreten beschlossen hat. Wir bitten um Kenntnisnahme.