Neat-Ausbau Versprechen nicht gehalten: Sommaruga rüffelt Deutschland

tafi

1.9.2020

Am Freitag wird der Ceneri-Basistunnel eröffnet. Von der fertiggestellten Neat profitiert auch Deutschland, hält sich aber nicht an Zusagen. Von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga gibt es dafür deutliche Kritik.

Die Neat ist nicht nur ein Jahrhundertprojekt für die Schweiz: Mit der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale, so der volle Name, ist die Schiene bereit, den Güterverkehr zwischen Rotterdam und Genua von der Strasse zu übernehmen. Denn mit dem Ceneri-Basistunnel wird auf der Nord-Südachse der Schweiz das letzte Teilstück mit einer Eckhöhe von vier Metern durchgängig.

Von dem Milliardenprojekt Neat, das mit der Eröffnung des neuen Tunnels Ende der Woche fertiggestellt wird, profitiert ganz Europa – und insbesondere Deutschland.

Doch ausgerechnet der grosse Nachbar spielt nicht mit. Dort kommt der Ausbau der Zubringerstrecken nur schleppend voran. Der vereinbarte vierspurige Ausbau der Rheintalstrecke wird vor 2041 nicht fertig sein.

Bevor am Freitag, 4. September, mit dem Ceneri-Basistunnel das letzte Neat-Teilstück eröffnet wird, kritisiert Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in Interviews Deutschland ganz offen. «Deutschland ist beim Bahnausbau in Verzug. Hier hat die Schweiz bereits Druck gemacht», sagte Sommaruga bei «20 Minuten».

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga fordert von Deutschland, seine Versprechen einzuhalten: Auf der deutschen Seite stockt der Ausbau der Zulaufstrecken für die Neat gehörig.
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga fordert von Deutschland, seine Versprechen einzuhalten: Auf der deutschen Seite stockt der Ausbau der Zulaufstrecken für die Neat gehörig.
KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Sommaruga nimmt Deutschland in die Pflicht

Sie habe sich daher als eine ihrer ersten Amtshandlungen als Verkehrsministerin mit dem deutschen Amtskollegen Andreas Scheuer getroffen und zumindest eine Vereinbarung getroffen, um «auf der Rheintalstrecke zwischen Karlsruhe und Basel mit betrieblichen und technischen Verbesserungen schnell zusätzliche Kapazitäten zu schaffen, damit wir die Neat besser nutzen können, bis der Ausbau steht».



Das reicht aber auf lange Sicht nicht aus. Die Strecke ist ohnehin an der Kapazitätsgrenze, Ausweichmöglichkeiten gibt es nicht. 2017 sorgte eine Havarie beim Bau eines Tunnels in Baden-Württemberg für einen 51-tägigen Unterbruch der Strecke und damit verbunden für einen erheblichen Rückgang des Transitverkehrs.

Dabei habe man zusammen mit allen betroffenen Staaten eine Qualitätscharta entworfen: «Alle beteiligten Staaten verpflichteten sich dabei zu mehr Pünktlichkeit und Verbindlichkeit», betont Sommaruga in einem SRF-Interview.



«Wir verlangen aber auch, dass Deutschland sein Versprechen einhält und mit dem eigentlichen Ausbau vorwärtsmacht», fordert Sommaruga bei «20 Minuten» und verspricht, weiterhin Klartext zu reden. «Deutschland hat Verspätung und muss sehr viel investieren.» Positiv sei zumindest, dass auch in Deutschland die Politik in Richtung Verlagerung gehe.

Die Schweiz kann stolz sein

Einen Tag, bevor der Ceneri-Tunnel offiziell eröffnet wird, hat Sommaruga die nächste Gelegenheit, Andreas Scheuer ins Gewissen zu reden. Auf Einladung der Bundespräsidentin treffen sich dann Delegationen aus den Verkehrsministerien der Nachbarländer in Locarno. Gesprächsthemen sollen der alpenquerende Schienengüterverkehr, internationale Personenzüge sowie eine umweltfreundliche Verkehrspolitik sein.

Verlassen will sich Sommaruga dennoch nicht auf die Berliner Politik. «Parallel dazu werde ich Kontakt mit Frankreich und Belgien aufnehmen. Ziel ist eine zweite Zulaufstrecke das linke Rheinufer entlang.»



Schliesslich sei die Neat «das Herzstück der europäischen Verlagerungspolitik. Zwischen Rotterdam und Genua kann man jetzt die Güter verlagern. Darauf können wir richtig stolz sein», erklärte Sommaruga gegenüber SRF und betont auch den Beitrag zum Alpenschutz. Ohne die Investitionen «würden heute jedes Jahr 800'000 Lastwagen mehr die Alpen auf der Strasse überqueren».

Bei der Eröffnung des Ceneri-Tunnels soll laut «20 Minuten» am Freitag auch eine Gedenkstätte für zwei bei den Bauarbeiten ums Leben gekommene Arbeiter eingeweiht werden. «Wir müssen uns bewusst sein, dass zwei Menschen auf der Baustelle ihr Leben gelassen haben, was mich sehr traurig macht», fühlt Sommaruga mit den Angehörigen. «Es ist wichtig, dass wir das nicht ausblenden. Ein verlorenes Menschenleben ist für die Angehörigen auch zehn Jahre später noch sehr traurig. Wir bleiben in Gedanken bei den Angehörigen.»

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