Polit-BebenBundesgericht setzt Schaffhauser Ständerat ab
Lea Oetiker
26.3.2025
Das Bundesgericht hat die Wahl von Schaffhauser Ständerat Stocker aufgehoben.
sda
Das Bundesgericht hat die Wahl des Schaffhauser SP-Politikers Simon Stocker zum Ständerat aufgehoben. Stocker hatte dem Urteil zufolge zum Zeitpunkt der Wahl keinen Wohnsitz im Kanton Schaffhausen.
Das Bundesgericht hat eine entsprechende Beschwerde gegen einen Entscheid des Obergerichts gutgeheissen, wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Urteil hervorgeht. Der Schaffhauser Regierungsrat und das Obergericht hatten die Beschwerde zuvor abgelehnt.
Anders als die Vorinstanzen kam das oberste Gericht zum Schluss, dass sich Stockers Lebensmittelpunkt und somit auch sein politischer Wohnsitz zum Zeitpunkt der Wahl in der Stadt Zürich befand. Zwar war Stocker demnach bereits in der Stadt Schaffhausen angemeldet und hatte dort eine Wohnung gemietet. Gelebt und gearbeitet habe er aber in erster Linie in Zürich, wo auch der Wohnsitz seiner Frau und seines Kindes war.
Die kantonale Verfassung setzt für die Wahl in den Ständerat einen Wohnsitz in Schaffhausen voraus. Der Wohnsitz einer Person liegt dort, wo sich ihr Lebensmittelpunkt befindet.
Wahl nicht rückwirkend aufgehoben
Stockers Wahl zum Ständerat wird «aus Verhältnismässigkeits-, Rechtssicherheits-, und Vertrauensüberlegungen» erst mit Wirkung ab dem Urteil des Bundesgerichts aberkannt, wie es weiter hiess.
Der abgesetzte Ständerat Simon Stocker im Interview
Seit Mittwoch ist Simon Stocker nicht mehr Ständerat. Das Bundesgericht kippte seine Wahl. Im Interview nimmt er Stellung.
26.03.2025
Weder das Bundesgericht noch die Vorinstanzen hätten der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt. Die Entscheide, an welchen Stocker im Amt als Ständerat mitgewirkt habe, würden somit weder nichtig noch anfechtbar.
Schaffhausen muss erneut wählen
Der Schaffhauser Regierungsrat muss nun eine Neuwahl ansetzen. Entgegen des Antrags des Beschwerdeführers rückt Thomas Minder (parteilos), der die zweitmeisten Stimmen erzielte, nicht automatisch nach. Mangels kantonaler Gesetzgebung im konkreten Fall gelte der Grundsatz, wonach für ausscheidende Mitglieder normalerweise Nachwahlen durchgeführt werden.
Die Neuwahl für den zweiten Schaffhauser Ständeratssitz findet am 29. Juni statt. Die Ansetzung der Wahl an diesem Datum ermögliche die Teilnahme des neu gewählten Mitglieds des Ständerates in der am 8. September beginnenden Herbstsession, heisst es in der Medienmitteilung. Somit werde der zweite Schaffhauser Ständeratssitz nur in der Sommersession 2025 vakant sein. Ein allfälliger zweiter Wahlgang würde am 24. August 2025 durchgeführt.
Simon Stocker hatte sich bei den Wahlen im Herbst 2023 im zweiten Wahlgang überraschend gegen den früheren Ständerat Thomas Minder durchgesetzt. Gegen den Wahlentscheid erhoben zwei Personen Stimmrechtsbeschwerde, darunter der aktuelle Beschwerdeführer. Letzterer verfasste im Wahlkampf mehrere Leserbriefe zugunsten von Minder
Stocker meldet sich: «Ich stelle mich zur Wahl»
Stocker meldete sich kurz nach der Verkündung des Urteils in einem Statement in den sozialen Medien zu Wort. Auf Instagram schreibt der 43-Jährige:
«Liebe Schaffhauserinnen, liebe Schaffhauser, liebe Unterstützerinnen & Unterstützer Heute ist ein schwieriger Tag für mich: Das Bundesgericht hat meine Wahl zum Schaffhauser Ständerat vom 19. November 2023 aufgehoben.Klipp und klar gesagt: Gerichtsurteile sind zu akzeptieren. Das ist ein zentraler Grundsatz unseres Rechtsstaats und es ist gerade in der heutigen Zeit wichtig, sich daran zu halten. Schmerzhaft ist es für mich trotzdem: Im Kern ist das Urteil auch eine Absage an ein gleichberechtigtes Familienmodell.
Meine Frau und ich haben uns das so eingerichtet und wir leben gut damit. Darauf sind wir stolz, obwohl unser Privatleben in den letzten eineinhalb Jahren öffentlich verhandelt wurde. Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht und eine pragmatische Lösung gefunden, um unser Leben, das beruflich an unterschiedlichen Orten in der Schweiz stattfindet, gleichberechtigt zu organisieren. Dass nun das Bundesgericht unsere Art zu Leben als nicht vereinbar mit einem politischen Amt erachtet und das mir nun meine Wahl kostet, ist enttäuschend und stimmt uns traurig.
Was heisst das Urteil und wie geht es weiter? Klar ist: Ich bin nicht mehr Ständerat. Und es braucht jetzt Neuwahlen. Meine Erfahrung und meine Arbeit in Bern bestärken mich, ohne zu zögern zu sagen: Ich trete wieder zur Wahl an und bin überzeugt, dass es mir zusammen mit euch allen erneut gelingen wird, diesen Sitz zu erobern.2023 habe ich die Wahl dank einer ganz breiten Koalition gewinnen können. Diesen Support habe ich nicht nur im Wahlkampf, sondern auch immer wieder in den letzten Jahren gespürt. Das treibt mich an, jetzt Vollgas zu geben. Mein Blick ist nach vorne und in die Zukunft gerichtet. Die Planung des Wahlkampfs startet heute. Ich halte euch auf dem Laufenden und danke schon jetzt ganz herzlich für eure Unterstützung.»