«Unterlassene Hilfe» Warum Berlin der Ukraine keine Schweizer Munition geben darf

bo, sda

24.4.2022 - 12:19

Deutsche Soldaten vor einem Schützenpanzer Marder. Bei der von der Schweiz verweigerten Weitergabe von deutschem Kriegsmaterial an die Ukraine soll es sich um in der Schweiz hergestellte Munition für diesen Schützenpanzer handeln. 
Deutsche Soldaten vor einem Schützenpanzer Marder. Bei der von der Schweiz verweigerten Weitergabe von deutschem Kriegsmaterial an die Ukraine soll es sich um in der Schweiz hergestellte Munition für diesen Schützenpanzer handeln. 
Archivbild: Keystone

Deutschland darf nach einem Veto des Bundes keine in der Schweiz gekaufte Munition in die Ukraine weitergeben. Mitte-Präsident Gerhard Pfister bezichtigt den Bundesrat daher der «unterlassenen Hilfeleistung».

Keystone-SDA, bo, sda

Deutschland wollte die Munition aus der Schweiz ins Kriegsgebiet schicken. Der nördliche Nachbar fragte deshalb in der Schweiz an, ob dies möglich sei. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA eine entsprechende Meldung der «Sonntagszeitung».

Mit Verweis auf die Schweizer Neutralität und «die zwingenden Ablehnungskriterien der Kriegsmaterialgesetzgebung» habe das Seco die Anfragen aus Deutschland abgelehnt. Eine solche Lieferung sei rechtlich unmöglich. Exporte in Länder, die in intensive und länger andauernde interne oder internationale Kampfhandlungen verwickelt sind, seien zwingend verboten.

Damit ist die Schweiz laut kritischen Stimmen in Deutschland mitverantwortlich dafür, dass Deutschland keine Marder-Schützenpanzer in die Ukraine liefern kann. Deren Gefechtsköpfe sollen nämlich mit Munition bestückt sein, die aus der Schweiz stammt.

Unklare Verbindung zu Schützenpanzern

Inwiefern diese Munition tatsächlich in Verbindung mit der in einem TV-Beitrag des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) diskutierten Lieferung von Marder-Schützenpanzern steht, gehe aus den von Deutschland erhaltenen Anfragen nicht hervor, schreibt das WBF dazu. «Diese Informationen liegen uns nicht vor.»

Weiter betont das WBF in seiner Antwort, die Schweiz verlange für den Export von fertigem Kriegsmaterial an andere «staatliche Endempfänger» grundsätzlich eine Nichtwiederausfuhr-Erklärung des Empfängerlandes. Darin verpflichtet sich dieses, das aus der Schweiz erhaltene Kriegsmaterial nicht ohne das vorherige Einverständnis der Schweiz weiterzugeben. Dies ist laut WBF eine international gängige Praxis von kriegsmaterialexportierenden Ländern.

Zur im Medienbericht aufgeführten Tatsache, dass trotzdem Schweizer Gefechtsköpfe auf Panzerwaffen zum Beispiel aus Grossbritannien in der Ukraine landen, hält das Wirtschaftsdepartement fest, es müsse unterschieden werden zwischen dem Export von fertigem Kriegsmaterial an Staaten und Zulieferungen von Einzelteilen und Baugruppen an private Unternehmen. Für letzteres brauche es keine Nichtwiederausfuhr-Erklärung.

«Unterlassene Hilfe»

Der Entscheid über einen Export dieser Panzerabwehrwaffen und die darin verbaute Baugruppe aus der Schweiz obliege dann ausschliesslich den britischen Behörden. Dies garantiere, dass die Schweizer Industrie an den internationalen Wertschöpfungsketten im Rüstungsbereich teilnehmen könne.

Im erwähnten Fall geht es laut WBF um an eine Firma in Grossbritannien exportierte Gefechtsköpfe, die dort in NLAW-Panzerabwehrwaffen (Next Generation Light Anti-Tank Weapon) eingebaut werden. Kein Verständnis für die Haltung des Seco gegen die Weitergabe der Munition hat Mitte-Präsident Gerhard Pfister.

Er liess am Sonntag via Twitter verlauten, der Bundesrat hätte seines Erachtens die Kompetenz, Deutschland die Lieferung an die Ukraine zu erlauben, wenn diese gemäss Embargo-Gesetz im Interesse der Schweiz sei. «Das scheint mir hier gegeben, wenn die Schweiz einer europäischen Demokratie hilft, sich zu verteidigen.» Der Bundesrat sei deshalb verantwortlich für diese «unterlassene Hilfe an die Ukraine».