Erasmus+Weil Parmelin zögert: Kein Auslandsstudium für Tausende Schweizer?
tsha
13.7.2020
Fast 30'000 Schweizer Studierende gingen 2019 mithilfe von Erasmus+ ins Ausland. Damit könnte allerdings bald Schluss sein. Bildungsminister Guy Parmelin schiebe die Verlängerung von Erasmus auf die lange Bank.
Zum Studieren ins Ausland gehen – in Corona-Zeiten ein Ding der Unmöglichkeit. Denn derzeit wird an den meisten Universitäten weltweit nicht einmal ein Regelbetrieb angeboten, und Reisen in andere Länder ist sowieso nur unter Einschränkungen möglich. Irgendwann aber wird es die Schweizer Studenten wieder nach Barcelona, Berlin oder Paris ziehen, auf eigene Faust oder im Rahmen des Programms Erasmus+.
Letzteres aber könnte in Zukunft schwierig werden. Denn laut einem «Blick»-Bericht läuft die Schweizer Teilnahme an dem EU-Austauschprogramm Ende Jahr aus. Und der Bundesrat, so ein Vorwurf der Politik, verzögere eine Vorlage zur Erneuerung.
Kurz erklärt
Erasmus+ ist das «EU-Programm zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport» und sorgt unter anderem für den europa- und weltweiten Austausch von Studenten. Man wolle damit «die internationalen Kompetenzen, die persönliche Entwicklung und Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden stärken», so die EU.
Ende Jahr läuft die aktuelle Runde des Programms aus, 2021 startet eine zweite Runde. Doch ob die Schweiz daran teilnimmt, ist offenbar unklar.
Bildungsminister Guy Parmelin «zögert die Vorlage hinaus und verweigert damit eigentlich den Auftrag des Parlaments», sagte SP-Nationalrat Eric Nussbaumer gegenüber «Blick». Das Parlament hatte bereits 2017 eine vollständige Teilnahme an Erasmus+ gefordert, und auch Parmelin hatte mehrfach zugesichert, er stünde hinter einer Fortführung von Erasmus+ ebenso wie hinter dem Forschungsprogramm «Horizon Europe».
Nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative vor sechs Jahren beteiligt sich die Schweiz an Erasmus+ zwar nur noch im Rahmen einer Übergangslösung; dennoch ermöglichte das Programm allein im vergangenen Jahr rund 26'000 Schweizer Studentinnen und Studenten einen Auslandsaufenthalt.
Um das Programm auch 2021 weiterzuführen, sei man «eigentlich schon zu spät», so APK-Präsidentin Tiana Angelina Moser gegenüber «Blick». «Bundesrat Parmelin hat offensichtlich wenig Herzblut für das Programm, sonst würde er vorwärtsmachen.» Die Politik hätte mehrere Jahre Zeit gehabt, sich darum zu kümmern. Vom zuständigen Ministerium habe man allerdings «bisher nur unverbindliche Aussagen erhalten».
Auch von anderen Politikern kommt Kritik an Parmelin. Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP) sagt, es gebe «grossen Druck» vonseiten des Parlaments; Bildungspolitiker Christoph Eymann (LPD) glaubt, Parmelin zeige sich «wegen der Kosten» derart zurückhaltend.
Parmelins Ministerium äusserte sich zum «Blick»-Bericht, so schreibt das Blatt, nur ausweichend. Schweizer Studentinnen und Studenten, die schon jetzt für die Zeit nach Corona planen, dürften darüber wenig erfreut sein.