Flickenteppich Weitere Kantone denken über Verbot von Grossveranstaltungen nach

Von Anna Kappeler und Julia Käser

19.10.2020

Im Kanton Bern sind Grossveranstaltungen mit über 1'000 Personen seit heute wieder verboten. 
Im Kanton Bern sind Grossveranstaltungen mit über 1'000 Personen seit heute wieder verboten. 
Bild: Keystone

Der Bundesrat möchte das «Gstürm» der Kantone beenden, doch diese preschen bei den Grossveranstaltungen erneut vor. St. Gallen könnte bereits morgen Dienstag ein Verbot erlassen, Zürich noch diese Woche folgen. 

Es war gut gemeint von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga: «Jetzt müssen Bund und Kantone zusammenspannen, damit das ‹Gstürm›, wer was macht, aufhört», sagt sie an der Pressekonferenz gestern Sonntag, an der der Bund neue nationale Massnahmen verkündete (hier die Übersicht, was man noch darf).

Nur: Nicht überall greift der Bund durch, so gibt es etwa keine weiteren nationalen Beschränkungen bei Grossveranstaltungen. Das hatte zur Folge, dass nur eine Stunde nach der bundesrätlichen Pressekonferenz der erste Kanton bereits vorpreschte. In Bern sind Grossveranstaltungen mit mehr als 1'000 Personen ab sofort verboten. Der Corona-Flickenteppich besteht also weiterhin.



Dass unter diesen Umständen weitere Kantone nachziehen, ist sehr wahrscheinlich. Das zeigt eine Umfrage von «blue News» bei den Kantonen.

Die Gesundheitsdirektorenkonfernz (GDK) verzichtet zwar vorerst darauf, eine Empfehlung zum Vorgehen bei Grossveranstaltungen herauszugeben, wie Michael Jordi, Generalsekretär der Gesundheitsdirektorenkonfernz (GDK), auf Anfrage sagt. 

Klar sei aber, dass die Kantone drei Elemente berücksichtigen müssten: die epidemiologische Lage, die Belastung des Contact Tracings und die Kohärenz zu den Beschränkungen im privaten und sonstigen öffentlichen Bereich. «Die Schutzkonzepte in den Stadien sind zwar gut und wirken, der Knackpunkt ist aber, was vor und nach den Spielen ausserhalb der Stadien passiert», sagt Jordi.

St. Gallen entscheidet morgen Dienstag, Zürich noch diese Woche

Aus den Anfragen bei einzelnen Kantonen geht zudem hervor, dass diese unter Hochdruck an einer Lösung zu den Grossveranstaltungen arbeiten. Im Kanton St. Gallen kommt bereits morgen ein Entscheid. «Die Regierung informiert diesbezüglich am Dienstag an einer Medienkonferenz. Bis dahin können wir zu den Fragen keine Stellung nehmen», sagt deren Mediensprecherin Fabienne Frei.

Auch im Kanton Zürich werden zusätzliche Massnahmen geprüft. Ginge es nach Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP), würde auch sie Grossveranstaltungen mit über 1'000 Personen wieder verbieten, wie sie gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagte. «Der Regierungsrat wird noch diese Woche über das weitere Vorgehen entscheiden und entsprechend orientieren», gibt Andreas Werner Melchior, Kommunikationschef der Staatskanzlei, auf Anfrage von «blue News» an.

Contact Tracing in Basel-Stadt «schwer belastet»

Andere Kantone versuchen, dass Massnahmen-Chaos möglichst gering zu halten und sich regional abzusprechen. «Aktuell laufen die Koordinationsgespräche mit unseren Nachbarkantonen, um eine einheitliche Regelung zu finden», sagt Andrea Bürki, Mediensprecherin beim Kanton Basel-Land.

Wenn diese Gespräche abgeschlossen seien, könne man mehr dazu sagen. «Morgen Dienstag wird das Thema Grossveranstaltungen bei uns zudem auch an der Regierungsratssitzung thematisiert», sagt Bürki.

Die Nachbarskantone von Basel-Land sind Solothurn, Aargau und Basel-Stadt. Bei Letzterem heisst es ebenfalls, man analysiere die Situation. Dies deshalb, weil das Contact Tracing «schwer belastet» sei und die Fallzahlen wachsen würden. Zudem habe sich mit dem Entscheid des Bundesrates, Menschenansammlungen von mehr als 15 Personen zu verbieten, die rechtliche Situation verändert, sagt Anne Tschudin, die Leiterin Kommunikation des Gesundheitsdepartement Basel-Stadt. «Das verträgt sich schlecht mit Grossveranstaltungen mit Tausenden Personen, selbst wenn es im Stadion ein Schutzkonzept gibt.»

«Keine konkreten Pläne» im Thurgau

Der Kanton Aargau hat heute um 15 Uhr über neue Massnahmen zur Coronabekämpfung informiert. Zu den Grossveranstaltungen wurde allerdings nichts gesagt.

Zurückhaltend klingt es auch aus dem Thurgau: «Im Moment bestehen im Kanton Thurgau keine konkreten Pläne, Grossveranstaltungen zu verbieten», sagt Miriam Hetzel vom Informationsdienst.

Auch an der heutigen Regierungssitzung in Solothurn wurde nichts Neues zu den Grossveranstaltungen beschlossen, wie die Staatskanzlei anschliessend in einer Medienmitteilung mitteilte.

«Alkoholkonsum an Konzerten und in Stadien hinterfragen»

Das Thema Grossveranstaltungen beschäftigt auch die Politik. Den Knackpunkt, wie sich die Besucher vor und nach den Fussballspielen oder Konzerten verhalten, gibt etwa Manuela Weichelt-Picard, Grünen-Nationalrätin, zu denken – wie sie «blue News» bereits gestern sagte. Auch sie hat bei der gemeinsamen Anreise und beim Anstehen in der Warteschlange draussen ihre Bedenken.



Weiter gelte es den Alkoholkonsum an Grossanlässen zu hinterfragen. «Ich verstehe nicht, wieso der Bundesrat diesen Punkt bis jetzt unberührt lässt.» Sie hätte sich von der Regierung deshalb eine klare bundesweite Ansage gewünscht. 

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