Reaktionen Wenig Applaus, dafür viele Forderungen an den Bundesrat

SDA/gbi

16.2.2022

Trotz Öffnungen: Deshalb bleibt die besondere Lage

Trotz Öffnungen: Deshalb bleibt die besondere Lage

Der Bundesrat behält die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz bis Ende März bei. Die entsprechende Verordnung regelt die noch verbleibenden Schutzmassnahmen – die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Gesundheitseinrichtungen und die Isolationspflicht für Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet worden sind.

16.02.2022

Den einen geht es zu langsam, die anderen hätten die Maskenpflicht auch in den Läden beibehalten: Für seinen Lockerungskurs erhält der Bundesrat nur verhaltenen Zuspruch. 

SDA/gbi

16.2.2022

«Ein Schritt, der längst überfällig war»: So kommentiert die SVP die umfassende Abschaffung der Corona-Massnahmen. Vor allem die «diskriminierende Zertifikatspflicht» ist der Partei ein Dorn im Auge. Dennoch ist sie mit dem Bundesrat nicht zufrieden: «Aus Sicht der SVP ist auch die Maskenpflicht im ÖV per sofort aufzuheben», heisst es in einem Communiqué vom Mittwoch. 

Dass die Maskentragpflicht überall aufgehoben wird ausser im öffentlichen Verkehr, damit ist man auch in der Branche nicht wirklich glücklich. Der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) akzeptiere den Entscheid und versuche, ihn bestmöglich umzusetzen, sagte Direktor Ueli Stückelberger der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Doch befürchte er, dass die Akzeptanz der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr nun sinken könnte.

Für den VöV wäre es besser gewesen, wenn die Massnahmen überall gleichzeitig aufgehoben worden wären.

Auch die Gewerkschaft des Eisenbahnpersonals reagiert kritisch: Die Angestellten würden nun noch mehr unter Druck gesetzt. Es brauche eine Kommunikationsoffensive der Behörden, um zu begründen, «warum die Maskenpflicht derart unterschiedlich gehandhabt werden soll».

SVP und FDP fordern politische Aufarbeitung

Die SVP hält weiter fest, dass der Bundesrat die «besondere Lage» gemäss Epidemiengesetz per sofort beenden solle und nicht erst Ende März. Und schliesslich fordert die Partei «eine lückenlose Aufarbeitung der Corona-Politik des Bundesrates».

Auch die FDP verlangt, dass der Bundesrat und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) «zwingend Lehren aus den Geschehnissen der letzten zwei Jahren» ziehen müssten. Nur so könne verhindert werden, dass die Fehler der Corona-Pandemie wiederholt würden.



Die Freisinnigen nennen eine ganze Liste von Forderungen: Es brauche eine nachhaltige Impfstrategie zur schnellen Bekämpfung einer künftigen Pandemie. Ausserdem müsse sichergestellt werden, dass genügend Spitalbetten und Personal zur Verfügung stehe, ein Krisenmanagement mit einem Bundeskrisenstab müsse eingerichtet und die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigt werden.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist auch der Mitte-Partei ein Anliegen. Zudem müssten «Prozesse und Ressourcen in der Gesundheitsversorgung krisentauglich ausgestaltet und die Versorgungssicherheit» gestärkt werden. Auch die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen im Krisenfall müsse überprüft werden.

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Zwar sei die Schweiz dank des solidarischen und rücksichtsvollen Verhaltens der Bevölkerung «alles in allem glimpflich durch diese zwei Pandemiejahre gekommen», hält die Mitte-Partei fest. Das Vertrauen in die Institutionen und die Demokratie habe sich bewährt. Doch bei aller Zuversicht müsse man wachsam bleiben, um rasch reagieren zu können.

Mit Blick auf den Herbst fordert die SP die Kantone auf, sich bereits jetzt vorzubereiten, die Reservekapazitäten in Spitälern aufzubauen, Schutzkonzepte für die Schulen auszuarbeiten und die Test- und Impfmöglichkeiten sowie die psychologische Unterstützung sicherzustellen. Zudem brauche es ein Monitoring für Long-Covid-Betroffene.

Im Gegensatz zur SVP sei für die SP klar, dass die Pandemie noch nicht vorbei sei. Vor allem dürften jetzt die verletzlichsten Personen nicht vergessen werden, die sich nicht impfen lassen könnten. Deshalb hätte die Maskenpflicht in den Einkaufsläden beibehalten werden sollen, solange die Fallzahlen so hoch seien wie aktuell.

Auch die Mitte-Partei, Grünen-Präsident Balthasar Glättli und GLP-Präsident Jürg Grossen bezeichnen die noch geltende Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr als richtig. Für den Schutz der besonders vulnerablen Personen sei das wichtig, schreibt etwa Glättli auf Twitter. Gleich wie die SP hätte auch er sich gewünscht, dass die Maskenpflicht in den Läden beibehalten worden wäre.

Des Weiteren fordern SP und Grüne mehr Impfungen für den globalen Süden: Wie es die SP ausdrückt: Die Pandemie könne nur erfolgreich bekämpft werden, wenn die Menschen in allen Weltregionen geschützt seien.

GastroSuisse und Gewerbe sind erleichtert

Erleichtert über das Ende der «schädlichen Zertifikatspflicht» zeigt sich der Gastronomie-Branchenverband Gastrosuisse. «Die Freude in der Branche ist riesig, endlich wieder alle Gäste bedienen zu dürfen», lässt sich Präsident Casimir Platzer in einer Medienmitteilung zitieren. Die wirtschaftliche und personelle Lage im Gastgewerbe bleibe aber weiterhin ernst. 

Der Schweizerische Gewerbeverband sieht in der Aufhebung der meisten Massnahmen einen «Sieg der Vernunft und des beharrlichen Drucks der Wirtschaft». Endlich sei der Bundesrat den Forderungen nachgekommen und «auf den Pfad der evidenzbasierten Politik» eingeschwenkt.

Die «besondere Lage» müsse jedoch bereits Ende Februar aufgehoben werden, fordert der Gewerbeverband. «Es ist Freedom Day und das Land braucht dringend und schnell wieder die Normalität zum Wohl von Gesellschaft und Wirtschaft», heisst es im Communiqué. 

Die Gewerkschaft Travail.Suisse warnt jedoch vor dem Wiederaufleben des sogenannten Präsentismus, dem Erscheinen bei der Arbeit trotz Krankheit. Für die neue Phase sei es nun wichtig, dass Arbeitnehmende, die sich krank fühlten, zu Hause bleiben könnten. Mit Rücksicht auf vulnerable Personen müssten die Arbeitgebenden hier nun ihre Verantwortung wahrnehmen.

Für ihn müsste die besondere Lage sofort enden: SVP-Parteichef Marco Chiesa. 
Für ihn müsste die besondere Lage sofort enden: SVP-Parteichef Marco Chiesa. 
Bild: Keystone