500'000 Franken wert Kanton und Stadt Zürich entsorgen bekannte Schweizer Kunst – einfach so

Maximilian Haase

30.10.2025

Zwei öffentliche Installationen des Lichtkünstlers Christian Herdeg - hier eine andere Arbeit aus dem Jahr 2006 - wurden einfach entsorgt. (Archivbild)
Zwei öffentliche Installationen des Lichtkünstlers Christian Herdeg - hier eine andere Arbeit aus dem Jahr 2006 - wurden einfach entsorgt. (Archivbild)
sda

Kunst, die plötzlich verschwindet: Zwei Lichtinstallationen des Zürcher Künstlers Christian Herdeg im Wert von 500'000 Franken wurden offenbar ohne dessen Wissen entsorgt – und das von Stadt und Kanton.

Maximilian Haase

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Zwei öffentliche Lichtinstallationen des Zürcher Künstlers Christian Herdeg sind augenscheinlich ohne dessen Zustimmung und Wissen entsorgt worden.
  • Die Kunstwerke im Wert von zusammen rund einer halben Million Franken befanden sich im Flughafen Zürich sowie im Verwaltungsbau des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich.
  • Herdeg sieht das Urheberrecht verletzt und will sich wehren.

Wenn Kunstwerke plötzlich verschwinden, kann das mehrere Ursachen haben, vom versehentlichen Entfernen eines Banksy-Graffitos bis zum spektakulären Museums-Diebstahl. Selten sind jedoch so grossflächige Werke im öffentlichen Raum betroffen wie im Fall von Christian Herdeg. Zwei seiner wichtigsten Lichtinstallationen seien ohne sein Wissen entsorgt worden, beklagt der Zürcher Künstler in einem Artikel der «Neuen Zürcher Zeitung»

Das ist nicht alles: Ausgerechnet zwei Institutionen von Stadt und Kanton Zürich seien verantwortlich für das Entfernen der Kunstwerke, die zusammen über eine halbe Million Franken wert sind. Angekauft wurden sie, öffentlich finanziert, einst für den Flughafen Zürich und das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ). Sie gehörten zu den 30 über die Welt verteilten Lichtinstallationen, die der Pionier der Lichtkunst für den öffentlichen Raum geschaffen hat.

Von öffentlichen Geldern finanziert

Die Installation «So near – so far», eine grossflächige Lichtarbeit mit farbigen Argon Röhren, wurde 1986 im Terminal A des Flughafens Zürich angebracht. Auftraggeber war die Flughafenleitung selbst. Für rund 250’000 Franken entstand über den Rollbändern ein Werk, das Millionen von Reisenden über Jahrzehnte passierten. Irgendwann war es einfach weg – augenscheinlich, ohne dass Herdeg darüber informiert wurde. 

Auch Herdegs «Lichtsegel», bestehend aus an Stahlseilen hängenden Argon Röhren, die 1995 im damaligen Verwaltungsbau des Elektrizitätswerks Zürich installiert wurden, kostete einst 250'000 Franken. Finanziert wurde das Werk, mit dem Herdeg einen Wettbewerb gewann, vom EWZ und damit auch von Steuergeldern.

Nach Jahren verschwand das Werk auf ähnliche Weise, wobei der 1942 geborene Künstler laut NZZ nur zufällig von der Entfernung erfuhr, als er sich nach dem Zustand der Leuchtmittel erkundigt habe. Im Zuge von Umbaumassnahmen habe das Werk entfernt werden müssen, habe das EWZ im Nachhinein mitgeteilt, der Flughafen hingegen habe keine Gründe angegeben.

Der Künstler wehrt sich

Herdeg wehrt sich derweil gegen die Entsorgung seiner Kunst: Sein Anwalt spricht von Urheberrechtsverletzungen und davon, dass Verträgen zufolge der Künstler informiert werden müsse, bevor sein Werk verändert oder zerstört werde, selbst wenn es ihm abgekauft wurde. Zudem müsse ihm das Werk laut Schweizer Recht vor der Entsorgung – zum Materialwert – angeboten werden. Darüber habe man sich in beiden Fällen hinweggesetzt.

Das EWZ berufe sich derweil laut NZZ-Anfrage auf eine Einschätzung des Amts für Hochbauten, wonach das «Lichtsegel» kein offizielles «Kunst-am-Bau»-Objekt sei und die Richtlinien somit nicht greifen würden.

Der Flughafen wiederum gibt der Zeitung zufolge an, dass keine Dokumentation zur Entfernung vorliege – und dass die Richtlinien für die Kunstsammlung des Kantons Zürich keine Gültigkeit für die Flughafen Zürich AG besitze.

Verantwortung für Kunst im öffentlichen Raum

Und der Künstler selbst? Er wolle erreichen, dass Entscheidungsträger ihre Verantwortung betreffend Kunst im öffentlichen Raum wahrnehmen, wie die NZZ Christian Herdeg zitiert.

Der 83-Jährige, der in den 1960er-Jahren in New York die Leuchtkraft von Neon als Medium entdeckte, seither international ausstellt und unter anderem den Zürcher Kulturpreis 2021 erhielt, macht jedenfalls weiter: Im kommenden Frühjahr will er im Kantonsspital Chur ein neues Werk aus energieeffizienten LED-Leuchtdioden installieren.