Was sagen die Experten? Die Maskenpflicht auf der Primarstufe erhitzt die Gemüter

tmxh/SDA

11.2.2021

Sechs Kantone haben die Maskenpflicht an der Primarschule eingeführt. (Symbolbild)
Sechs Kantone haben die Maskenpflicht an der Primarschule eingeführt. (Symbolbild)
KEYSTONE/DPA/ULI DECK

Kanton um Kanton führt eine Maskenpflicht auf der Primarstufe ein. Maskengegner warnen derweil vor angeblichen negativen Folgen für die Kinder – zu Recht?

Viele Schüler haben sich schon an die Maske gewöhnt: In der Sekundarstufe II gilt die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung schon länger, in vielen Kantonen auch auf der Sekundarstufe I. Für die jüngeren Schüler war dies dagegen lange tabu. Nachdem mehrere Ansteckungsherde in den Schulen bekannt wurden, hat sich das aber geändert: Bereits sechs Kantone haben die Maskenpflicht für die Primarstufe eingeführt.

Zuletzt hat am heutigen Donnerstag der Kanton Aargau die Maskenpflicht auf die 5. und 6. Primarklasse ausgeweitet. Die generelle Maskenpflicht gilt vom 22. Februar an, wie das kantonale Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) mitteilte. Bereits am 11. Februar tritt eine analoge Regelung in Graubünden in Kraft, während die Kantone Bern, Basel-Land, Solothurn und Zürich diese Schutzmassnahme an den Volksschulen bereits Ende Januar eingeführt haben.

Veränderte Dynamik

Die Dynamik der Pandemie habe sich verändert, begründet etwa das Aargauer BKS die Maskenpflicht. Im Zusammenhang mit den seit Ende Dezember auftretenden Virusmutationen werde eine erhöhte Übertragbarkeit in allen Altersgruppen beobachtet. 

Bisher kam es an drei Schulstandorten im Aargau zu Ausbrüchen mit den neuen Virusmutationen, in zwei Fällen an Primarschulen. Zur Verhinderung der Virusausbreitung mussten teilweise ganze Schulen geschlossen und breitflächige Tests durchgeführt werden.



Mit dem mutierten Virus hatten sich Ende Januar auch 17 Personen an einer Schule in Arosa angesteckt, 200 Personen mussten in Quarantäne geschickt werden. Die daraufhin eingeführte Maskenpflicht solle dazu beitragen, den Bildungsauftrag sicherzustellen, teilte die Bündner Regierung mit.

Dies gelinge am besten, «wenn der Schulbetrieb im Präsenzunterricht erfolgen kann», heisst es in einer entsprechenden Medienmitteilung. Auch den Behörden im Aargau zufolge kann die Maskenpflicht die Übertragungen reduzieren, den Schutz von Schüler*innen sowie Lehrpersonen erhöhen und Schulschliessungen verhindern.

Kinderärzte befürworten Maskenpflicht

Doch was sagen die Experten? Noch Ende 2020 hatten die Fachgesellschaft Pädiatrie Schweiz und der Berufsverband Kinderärzte Schweiz die Maskenpflicht für Primarklassen abgelehnt. Das hat sich nun geändert: Seit der Stellungnahme vom November habe sich «die Dynamik der Pandemie bei Kindern und Jugendlichen verändert», heisst es in einer neuen gemeinsamen Mitteilung. Übergeordnetes Ziel sei demnach die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts.

Vor dem Hintergrund der Ausbrüche mit den Virusmutationen sowie der zunehmenden Zahl von Schulschliessungen «unterstützen wir kantonale Behörden und empfehlen die Maskenpflicht bereits in der Primarschule für Kantone, in denen die epidemiologische Lage dies erfordert». Geeignet sei diese Massnahme vor allem für die 5. und 6. Klasse, «kann aber auch auf die Unterstufe ausgedehnt werden», wie es heisst.

St. Gallen gegen die Maskenpflicht

Derweil hat man sich vor allem in den Ostschweizer Kantonen gegen eine Maskenpflicht in den Primarschulen ausgesprochen – etwa in St. Gallen. Für schärfere Massnahmen an Schulen gebe es keine Veranlassung, zitiert die NZZ Bildungsdirektor Stefan Kölliker. Er halte es für «absolut nicht angezeigt, von einem hochansteckenden neuen Virus zu sprechen» und «übermässig zu verunsichern». 



Nach der Einführung der Maskenpflicht in der Oberstufe im vergangenen November hatten mehrere Eltern sowie eine Lehrperson in St. Gallen Strafanzeige gegen Kölliker erstattet. Demzufolge würde die Maskenpflicht gegen die Menschenrechte, UNO-Kinderrechtskonvention und Genfer Konvention verstossen. Ein Strafverfahren wird es nun zwar nicht geben – doch zeigt der Fall, wie sehr das Thema «Maske an Schulen» spalten kann. So klagte auch im Baselbiet laut SRF Regionaljournal eine Gruppe Eltern gegen die Maskenpflicht an Primarschulen.

Keine negativen Folgen 

Währenddessen kursieren im Internet und vor allem in den sozialen Medien vermehrt Behauptungen über angebliche negative Folgen der Maskenpflicht: Masken würden dem Immunsystem schaden, lautet eine der Theorien. Viele der oft anonym geposteten Texte verbreiten die Ansicht, dass gerade Kinder gefährdet seien und Schäden durch die Maske davontragen könnten.

Die Experten widerlegen dies: Kinderarzt-Organisationen verweisen darauf, dass das Maskentragen für Kinder «in diesen Altersgruppen medizinisch unbedenklich» sei. Dass dieser fachliche Konsens herrsche, bestätigt SRF auch der Präsident des Verbands Kinderärzte Schweiz, Dr. med. Marc Sidler – dies habe man «breit abgestützt» unter anderem auch mit der Schweizer Fachgesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychologie.

Auch das BAG schreibt auf seinem Onlineportal: «Aus medizinischer Sicht hat das Maskentragen für Kinder ab 12 Jahren keine negativen Auswirkungen. Insbesondere auch nicht auf die Atmung.» Zudem sei das BAG «nicht gegen Entscheide von Schulen, eine Maskenpflicht auch bereits für Kinder ab 12 Jahren einzuführen». Aus wissenschaftlicher Sicht gäbe es zudem «keinen Hinweis, dass Masken eine Auswirkung auf das Immunsystem haben könnten», wie BAG-Mediensprecher Daniel Dauwalder blue News auf Anfrage mitteilte.

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