Erste Kantone legen los Wie ist das jetzt genau mit der Kinderimpfung?

Von Lia Pescatore und Uz Rieger

4.1.2022

Bund empfiehlt Kinder-Impfung gegen Covid

Bund empfiehlt Kinder-Impfung gegen Covid

Der Bund hat sich offiziell für die Impfung gegen Covid-19 auch bei Kindern im Primarschulalter ausgesprochen. Der Impfstoff von Pfizer/Biontech für Fünf- bis Elfjährige war am Freitag durch das Heilmittelinstitut Swissmedic zugelassen worden.

14.12.2021

Seit dieser Woche impfen erste Kantone Kinder im Alter zwischen 5 und 11 Jahren gegen das Coronavirus. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Lia Pescatore und Uz Rieger

4.1.2022

Hinweis: Dieser Artikel wird laufend mit den neuesten Erkenntnissen und Ereignissen aufdatiert. Aktueller Stand: 4. Januar. 

Welcher Impfstoff ist für die Kinder zugelassen?

Für die 5- bis 11-Jährigen ist momentan einzig der Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer zugelassen. Wie der Kanton Zürich schreibt, handelt es sich dabei um einen eigens hergestellten Kinder-Impfstoff, bei dem die Dosierung niedriger ist als beim Vakzin für Personen ab 12 Jahren. Die Prüfung des Moderna-Impfstoffs für Kinder von 6 bis 11 Jahren ist noch im Gange. 

Wann kann ich meine Kinder impfen lassen?

Mehrere Kantone haben am Montag, 3. Januar 2021, den Startschuss für die Kinderimpfungen gegen das Coronavirus gegeben. Im Kanton Aargau sind die Kinderimpfungen bereits seit gestern Montag möglich. Viele andere Kantone – etwa Zürich – haben mit Wochenbeginn Termine für die Impfungen freigeschaltet. 

Wie gross ist die Nachfrage nach der Kinderimpfung?

Der Kanton Zürich registrierte am ersten Tag der Terminvergabe für die Impfungen eine grosse Nachfrage. «Nach acht Stunden waren rund 90 Prozent der 4000 aufgeschalteten Termine gebucht», teilte die Medienstelle der Gesundheitsdirektion blue News mit.

Man werde nun weitere Termine aufschalten, hiess es. Diese würden explizit auf Randzeiten gelegt und auf Zeiten, in denen viele Kinder nicht in der Schule seien, etwa am Mittwochnachmittag. Für ein zuverlässiges Fazit zum Interesse an den Impfungen sei es aber noch zu früh – der Impfstoff stehe aber in ausreichender Menge zur Verfügung. 

Welchen Kindern wird die Impfung empfohlen?

Laut den Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (Ekif) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist die Impfung für alle Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren empfohlen, wenn die Eltern oder Erziehungsberechtigten das nach «individueller Nutzen-Risiko-Abwägung für ihr Kind wünschen».

Besonders gilt die Impfempfehlung für Kinder im entsprechenden Alter, die bereits aufgrund einer chronischen Erkrankung stark beeinträchtigt sind oder aber einen engen Kontakt zu anderen Personen haben, die sich selbst nicht durch eine Impfung schützen können. Das sind etwa Menschen mit einer Immundefizienz.

Ein Kind erhält eine Corona-Impfung.
Ein Kind erhält eine Corona-Impfung.
Bild: Keystone

Impfchef Christoph Berger sagte dazu im Dezember, es sei Sache der Eltern, die Nutzen und Risiko für ihr Kind abzuwägen. «Es ist viel wichtiger für die Pandemie, dass die Erwachsenen sich impfen lassen», erklärte Berger. Die Impfung der Kinder sei im Vergleich nur ein kleiner Beitrag, solle aber all denen offen stehen, die das auch wollen.

Marc Sidler, Präsident der Kinderärzte Schweiz, sagte dem «Blick», dass in dieser Altersgruppe eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Analyse besonders wichtig sei, da die Krankheitslast vergleichsweise gering ausfalle und gleichzeitig wenig Daten zu Sicherheit und Langzeitwirkung der mRNA-Impfstoffe für 5- bis 11-Jährige vorliegen würden.

Wer sollte von einer Impfung Abstand nehmen?

Nicht impfen lassen sollten sich Kinder, wenn eine Überempfindlichkeit auf Inhaltsstoffe des Impfstoffs – vor allem auf Polyethylenglykol (PEG) oder Tromethamine (TRIS) – bekannt sind, schreibt das BAG. Erst nach Rücksprache mit den betreuenden Fachärzt*innen soll zudem eine Impfung bei Kindern mit bestehender Immundefizienz vorgenommen werden. 



Wie wirksam ist die Kinderimpfung?

Laut Swissmedic hat die Zulassungsstudie für den Kinder-Impfstoff gezeigt, dass er schwere Verläufe «praktisch vollständig verhindern» kann. Laut Information des BAG bietet der Impfstoff eine Wirksamkeit von 90,7 Prozent gegenüber symptomatischen Covid-Erkrankungen im Zuge einer zwischen Juni und Oktober 2021 durchgeführten Studie. Damals seien auch keine schweren Krankheitsverläufe aufgetreten. Zur Dauer des Schutzes und auch zum Ansteckungsrisiko trotz Impfung liegen indes noch nicht genug Daten vor.

Wie fallen die Nebenwirkungen aus?

Die Nebenwirkungen gestalten sich laut BAG ähnlich wie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wobei sie bei Kindern grundsätzlich seltener festzustellen seien. Gemäss Studien von Pfizer/Biontech sind bislang keine schweren Nebenwirkungen bekannt.

Häufige Nebenwirkungen sind Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Einige Kinder litten zudem an Fieber, Durchfall, Schüttelfrost sowie Muskel- und Gelenkschmerzen.

Das BAG schreibt aber auch, dass derzeit das Risiko von «seltenen, aussergewöhnlichen oder schwerwiegenden Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden» könne. Entsprechende Nebenwirkungen würden innerhalb von Monaten nach der Impfung auftreten. Nach den derzeitigen Erfahrungen sei das Risiko hierfür aber sehr gering.

Wie sieht das Impfschema für die Kinder aus? 

Für die Grundimmunisierung gesunder Kinder sollen zwei Impfdosen innerhalb von 28 Tagen verabreicht werden. Der zu erwartende Impfschutz trete dann etwa nach ein bis zwei Wochen ein. 

Sollen sich auch genesene Kinder impfen lassen?

Für Kinder, die bereits eine Covid-Infektion durchgemacht haben, wird eine Impfung laut BAG nur im Falle von chronischen Erkrankungen oder vulnerablen Angehörigen frühestens vier Wochen nach der Infektion empfohlen. Allerdings sei es «medizinisch unbedenklich, wenn ein Kind geimpft wird, das bereits eine (unentdeckte) Infektion hatte».

Worauf ist nach der Impfung zu achten? 

Wie auch nach der Impfung von Erwachsenen sollen Kinder nach der ersten Impfung mindestens 15 Minuten vor Ort bleiben, um im Falle einer allergischen Reaktion medizinisches Personal konsultieren zu können. Falls die erste Impfung indes ohne Probleme verlaufen ist, kann der Beobachtungszeitraum nach der zweiten Dosis auf fünf Minuten reduziert werden, so das BAG. 

Zudem soll in Folge der Impfung auf Anzeichen von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung wie Kurzatmigkeit, Herzklopfen und Schmerzen in der Brust geachtet werden und im Falle entsprechender Symptome sofort ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden. 

Wo finden die Impfungen statt?

Wie Lukas Engelberger, Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz, auf einer Medienkonferenz im Dezember sagte, kommen für die Kinderimpfungen die bestehenden Impfzentren, aber auch Kinderarztpraxen infrage.

Anders als bei den Kindern ab 12 Jahren sieht man von Impfaktionen an den Schulen ab. «Es ist Sache der Eltern, zu entscheiden, ob sie ihre Kinder impfen lassen wollen oder nicht», sagte Silvia Steiner, Präsidentin der Konferenz der Erziehungsdirektoren, dazu bereits der «NZZ am Sonntag». Auch Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer, spricht sich gegen Impfaktionen auf dem Schulgelände aus, da sich gezeigt habe, dass das Thema für viele Eltern sehr emotional sei. 

Im Fall des Kantons Zürich erfolgen die Impfungen einerseits im Referenz-Impfzentrum am Hirschengraben, am Universitäts-Kinderspital Zürich sowie im Impfzentrum Uster, wie es auf der Website der Gesundheitsdirektion heisst. Eine Anmeldung dafür ist seit Montag über das kantonale Impftool möglich.

Wie die Medienstelle der Gesundheitsdirektion auf Nachfrage sagte, seien zudem die Kinderarztpraxen ein zentraler Pfeiler bei der Durchführung der Impfungen. Der Kanton Zürich habe deshalb sämtliche Kinderarztpraxen bereits früh angefragt.

Wie hoch sind die Fallzahlen unter Kindern?

Laut den Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) erreichten die Fallzahlen bei den Kindern bis 9 Jahre kurz vor Weihnachten einen Rekord. Täglich wurden zu diesem Zeitpunkt im Schnitt 1000 Personen dieser Altersgruppe positiv getestet. Noch häufiger erkrankten damals nur Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 19 Jahren. Bei beiden Altersgruppen ging die Zahl bei den Infektionen zuletzt zwar zurück, doch das dürfte grossteils an den Ferien und dem generellen Abebben der Delta-Welle liegen.

Bei der nun zirkulierenden Omikron-Variante schreibt die Taskforce, sie sei «viel stärker übertragbar als die Delta-Variante». Die Experten befürchten zudem: «Auch wenn es noch keine pädiatriespezifischen Daten gibt, dürften Kinder, da sie die am wenigsten geimpfte Gruppe sind», nun «von einer noch nachhaltigeren Viruszirkulation betroffen sein.»

Ab November sind die Ansteckungen unter Kindern und Jugendlichen stark angestiegen um mit den Ferien wieder abzuebben. 
Ab November sind die Ansteckungen unter Kindern und Jugendlichen stark angestiegen um mit den Ferien wieder abzuebben. 
Screenshot BAG

Das Virus grassiert ja gerade in den Schulen. Sind die Kinder nicht besonders gefährdet?

Man beobachte die Zahlen seit dem Sommer, sagte Berger zu SRF. Trotz steigender Fallzahlen sei die Zahl der Hospitalisationen bei den Kindern wegen Corona-Infektionen nicht angestiegen, «Covid-Infektionen sind zwar häufig bei Kindern, aber meist verlaufen sie ganz mild», so der Ekif-Chef. Schwere Erkrankungen seien sehr selten. «Die Kinder liegen meistens mit Corona im Spital, nicht wegen Corona.»

Auch sind Todesfälle aufgrund einer Covid-Erkrankung bei den Jungen in der Schweiz äusserst selten. Das BAG hat gemäss «Watson» seit Pandemie-Beginn bislang 2 Todesopfer unter 10 Jahren und 1 Todesopfer im Alter zwischen 10 und 19 Jahren registriert. In den letzten acht Monaten gab es demnach keine Todesfälle bei Personen unter 20 Jahren. 

Wie sind die Erfahrungen in anderen Ländern?

In den USA sind inzwischen 14 Prozent der Kinder im Alter zwischen 5 und 9 Jahren vollständig geimpft, teilt die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) mit. Bei 12 bis 17-Jährigen liegt die Rate bereits bei 53 Prozent.

Ende Dezember sind die Hospitalisierungen von Kindern im Vergleich zur Vorwoche dennoch um fast 50 Prozent angestiegen. Zwischen 21. und 27. Dezember wurden hier im Schnitt 334 Kinder und Jugendliche täglich wegen einer Covid-Erkrankung in die Spitäler eingeliefert. Wie ein Arzt der Nachrichtenagentur AP sagte, waren alle seine jungen Patienten indes nicht geimpft und hätten zudem unter Vorerkrankungen gelitten oder seien übergewichtig gewesen.

Auch in den benachbarten Ländern ist die Kinderimpfung bereits zugelassen. Österreich hat sie im November für alle ab diesem Alter ohne Einschränkungen empfohlen. In Deutschland ist sie seit Mitte Dezember möglich – Ärzte berichten hier teils von einem Ansturm auf  ihre Praxen.