Vorbild Baselland Wie man Kriminaltouristen die Tour verdirbt – ganz ohne Zusatzpersonal

Von Philipp Dahm

13.9.2019

Kriminaltouristen sind im Tessin ein grösseres Problem als in Baselland – aus Gründen.
Kriminaltouristen sind im Tessin ein grösseres Problem als in Baselland – aus Gründen.
Symbolbild: Keystone

Einige Grenzgemeinden leiden unter Kriminaltouristen – der Ruf nach Grenzschliessung tönt teils laut. Doch dass man die Fallzahlen auch anders signifikant senken kann, beweist die Kapo Baselland.

Einige Schweizer Grenzorte leiden unter ihrer Nähe zum Ausland, weil nicht nur zahlungskräftige Gäste einreisen, sondern auch Kriminaltouristen. Der SVP-Gemeindepräsident von Monteggio TI, Piero Marchesi, hat sich deshalb nun in einem offenen Brief an den Bundesrat gewandt.

Darin fordert Marchesi mehr Überwachung. Einerseits will der 38-Jährige mehr technische Hilfsmittel wie Wärmebildkameras einsetzen, andererseits braucht es seiner Meinung nach mehr Personal am Schlagbaum. «Wir wollen 24 Stunden nonstop Grenzwächter an unseren Posten. Nur das hilft», sagt der Politiker im «Blick».

Grenzschliessung bringt keine Verbesserungen

Sein Kollege Gianfranco Pli sieht es genauso: Der unabhängige Gemeindepräsident von Brusino Arsizio TI ruft ebenfalls nach mehr Personal und schlägt sogar vor, die Grenze komplett zu schliessen. Notabene aber erst ab ein Uhr morgens, «damit Tessiner oder Touristen nach dem Abendessen in Italien noch rechtzeitig in die Schweiz kommen.»

Und auch Ottavio Guerra (FDP) stört sich vehement an den unbewachten Grenzposten in seiner Tessiner Gemeinde Camedo.  «Das lädt ja förmlich zum Schmuggel ein», poltert er im «Blick».

Kampagne gegen Einbrecher im Januar 2018 in Kerns im Kanton Obwalden.
Kampagne gegen Einbrecher im Januar 2018 in Kerns im Kanton Obwalden.
Bild: Keystone

Doch: Ob sich eine Schliessung der Grenze tatsächlich entsprechend auswirkt, das hat das Eidgenössische Finanzdepartement 2017 in Chiasso TI bereits für drei Monate getestet. Ergebnis: Die Massnahme hatte keinerlei Einfluss auf die Kriminalitätsrate, wie es damals hiess.

Überhaupt ist die Zahl der Kriminaltouristen landesweit rückläufig: Sie sank von knapp 16'000 im Jahr 2013 auf knapp 13'000 Delikte in 2018. Dennoch will der Gemeindepräsident von Novazzano TI, Sergio Bernasconi, keine Entwarnung geben: «Einbrüche mögen zurückgegangen sein. Doch brutale Raubüberfälle mit skrupellosen Verbrechern nehmen zu. Das ist gefährlich», warnt der CVP-Politiker Bernasconi im «Blick».

Baselland zeigt: Es geht auch anders

Dabei helfen häufig schon kleinere Massnahmen gegen Verbrechen: So gibt der 66-jährige Bernasconi zu, dass sich viele Einwohner Alarmanlagen angeschafft hätten. Und auch im Jura hat bereits die blosse Ankündigung, dass die Gemeinde – als erste im Land – Alarmanlagen subventioniert, geholfen, Kriminaltouristen fernzuhalten. Dennoch will auch der dortige CVP-Gemeindepräsident, Lionel Maitre, den Schlagbaum ab 22 Uhr runterlassen: «Wir fordern, dass nachts die Grenze geschlossen wird.»

Dass es jedoch nicht unbedingt mehr Personal braucht, hat die Kantonspolizei Basel-Landschaft unter Beweis gestellt: Dort haben Ordnungshüter 2014 die Aktion «Ladro» (Italienisch für Dieb) ins Leben gerufen, dank der die Zahl der Einbruchsdiebstähle massiv gesunken ist. 

Ein Schlagbaum hätte die Täter nicht aufgehalten, die 2007 in Zermatt mit einem Auto in ein Juweliergeschäft gerauscht und auf Mountainbikes geflohen sind.
Ein Schlagbaum hätte die Täter nicht aufgehalten, die 2007 in Zermatt mit einem Auto in ein Juweliergeschäft gerauscht und auf Mountainbikes geflohen sind.
Bild: Keystone

Während es 2015 noch 1'686 solcher Fälle gegeben hat, von denen elf Prozent aufgeklärt werden konnten, waren es 2018 nur noch 1'010 – und dabei wurden doppelt so viele Täter ermittelt wie noch vier Jahre zuvor.

Bei Raub sank die Zahl der Delikte im selben Zeitraum von 32 auf 24 – die Aufklärungsrate ging gleichzeitig von 28 auf 38 Prozent hoch. Und selbst beim einfachen Diebstahl sind die Zahlen im Baselland rückläufig.

Erfolge ohne Zusatzpersonal

Die vorhandenen Beamten wurden einfach nur flexibler und gleichzeitig zielgerichteter eingesetzt – dank «Ladro». Dabei passt die Polizei ihre Kräfte bei der Einbruchsprävention der aktuellen Lage an, erläutert Adrian Gaugler, der Leiter der externen Kommunikation, auf «Bluewin»-Nachfrage.

Wie funktioniert das genau? Im Bürokratendeutsch tönt das so: «Wir erstellen mit verschiedenen Systemen wie beispielsweise PICAR sowie Daten aus den Rapportierungssystemen ein Lagebild. Dieses Lagebild und das Know-how der Kriminalisten ergeben zeitliche und räumliche Indikatoren für [unsere] Einsatzplanung. Mit diversen Elementen in Zivil und Uniform arbeitet die Polizei präventiv und repressiv an den erkannten Brennpunkten im Kanton.»

Rückläufige Zahlen: die Statistik «Straftaten gegen das Vermögen» aus der aktuellen Kriminalstatistik Basel-Landschaft.
Rückläufige Zahlen: die Statistik «Straftaten gegen das Vermögen» aus der aktuellen Kriminalstatistik Basel-Landschaft.
Quelle: Kapo BL

Jene Massnahmen jedenfalls, zu denen auch die sichtbare Präsenz auf den Strassen und überhaupt verstärkte Ermittlungstätigkeiten gehörten, hätten «erfreulicherweise zu einem markanten Rückgang der Einbruchszahlen» geführt, sagt Gaugler.

Kein Wunder, dass sich auch Kollegen im In- und Ausland für die Aktion «Ladro» interessierten: «Wir ziehen deshalb ein sehr positives Fazit», freut sich Kapo-Sprecher Gaugler.

Bilder aus der Schweiz

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