BAG in der Kritik Wie steht es um die Impfstoffe in der Schweiz?

Von Lukas Meyer

11.3.2021

Impfungen von Pfizer/Biontech liegen bereit: Diese werden in der Schweiz bereits angewendet.
Impfungen von Pfizer/Biontech liegen bereit: Diese werden in der Schweiz bereits angewendet.
Keystone/Martial Trezzini

Bürgerliche Politiker kritisieren die Impfstoffbeschaffung des BAG. Warum verschmäht man Johnson & Johnson und Sputnik V? Was ist schon da, was soll noch kommen? Eine Übersicht.

Von Lukas Meyer

11.3.2021

Weitere drei Millionen Impfdosen des Herstellers Pfizer/Biontech hat der Bund gekauft, wie er diese Woche bekannt gab. Damit hat der Bund insgesamt 36 Millionen Dosen bestellt, 1,5 Millionen wurden geliefert und eine knappe Million verabreicht. Weiterhin gilt: Bis Ende Juni sollen alle, die wollen, geimpft sein.

Diskussion und Beschaffung gehen aber weiter. Auf den Impfstoff von Johnson & Johnson werde man verzichten, sagt die zuständige BAG-Vizedirektorin Nora Kronig dem «Blick». Die Lieferung im dritten Quartal sei zu spät. «Zudem setzen wir im Moment den Fokus auf mRNA-Impfstoffe, die eine höhere Wirksamkeit aufweisen.» Diese könnten auch rasch angepasst werden.

Bürgerliche Politiker werfen laut «20 Minuten» dem Bundesamt für Gesundheit Versagen bei der Impfstoffbeschaffung vor. So sagte Thomas Aeschi wie schon im Nationalrat am Montagabend, der Bund habe im Dezember ein Angebot von Pfizer/Biontech über mehrere Millionen zusätzliche Dosen abgelehnt. Zudem versteht er nicht, warum der russische Sputnik V immer noch kein Thema sei.

Zugelassen: Pfizer/Biontech und Moderna

Zugelassen und in Anwendung sind in der Schweiz zwei mRNA-Impfstoffe: Comirnaty von Pfizer/Biontech erhielt das Okay im Dezember, bestellt sind insgesamt 6 Millionen Dosen. Im Januar wurde auch der Impfstoff von Moderna zugelassen, von dem die Schweiz 13,5 Millionen Dosen bestellt hat. Dieser wird in Visp von Lonza produziert.

Laut einem Bericht des «Tages-Anzeigers» könnte von letzterem schon deutlich mehr da sein. So habe Lonza dem Bund eine eigene Produktionsstätte für den Schweizer Bedarf angeboten. Das hätte für eine Produktion von 100 Millionen Dosen etwa 60 bis 70 Millionen Franken gekostet. Doch um in eine staatliche Impfstoffproduktion zu investieren, hätte die Gesetzesgrundlage angepasst werden müssen, sagte Nora Kronig gegenüber der Zeitung.

Das ärgert bürgerliche Politiker sehr, wie Nau.ch berichtet – es sei «eine verpasste Chance», sagt etwa Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel. SVP-Präsident Marco Chiesa fordert, dass die zuständigen Beamten zur Verantwortung gezogen würden. Die FDP bringt in einer Medienmitteilung gar eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ins Spiel.

Offen: Astrazeneca – und Johnson & Johnson

Offen sind die Zulassungen für Johnson & Johnson und Astrazeneca – der Zeitpunkt dafür sei offen, schreibt das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic auf Anfrage von «blue News». Sobald alle erforderlichen Daten und Unterlagen eingereicht und die offenen Fragen befriedigend beantwortet würden, könne ein rascher Entscheid getroffen werden.

Auf den Impfstoff von Johnson & Johnson will die Schweiz nun sowieso verzichten. Der Vorteil von diesem wäre, dass nur eine Impfung nötig ist und die Aufbewahrung einfacher ist. In den USA wird dieser Impfstoff schon verwendet, die EU hat ihm heute als viertem Impfstoff die Zulassung erteilt. Der Schweizer Ableger der Firma sei enttäuscht, berichtet CH Media. Wenn das BAG früher bestellt hätte, wäre man auch in der Lage gewesen, früher zu liefern.

Anders ist der Fall bei Astrazeneca. Hiervon wurden 5,3 Millionen Dosen bestellt, in der EU wird der Impfstoff bereits verabreicht. Allerdings stoppten Dänemark und Norwegen die Anwendung für mindestens 14 Tage, weil es nach einer Impfung zu einem Todesfall in Zusammenhang mit einem Blutgerinnsel kam. Die Arzneimittel-Agentur der EU (EMA) hat aber keinen Zusammenhang mit den Impfungen gefunden, wie sie in einer Medienmitteilung schreibt. Auch ein deutscher Experte hält einen Zusammenhang von Impfung und Blutgerinnsel für unwahrscheinlich.

Bestellt: Novavax und Curevac

Bestellt sind auch Impfstoffe bei Novavax aus den USA (6 Millionen Dosen) und beim deutschen Unternehmen Curevac (5 Millionen Dosen). Diese sind noch in der Entwicklung, in der Schweiz wurde kein Gesuch um Zulassung eingereicht. Laut Medinside könnte Curevac das im April machen.

Kein Gesuch für Sputnik V

Bleibt Sputnik V – die EU hat letzte Woche mit der Prüfung des russischen Impfstoffs begonnen. In der Schweiz ist er allerdings kein Thema: «Von Sputnik V ist bei Swissmedic kein Zulassungsgesuch gestellt worden», schreibt das Institut auf Anfrage.

Die Schweiz hat auch keine Bestellung aufgegeben. Der russische Botschafter sagte bereits Mitte Februar gegenüber «20 Minuten», man habe der Schweiz zweimal ein Angebot gemacht, der Bund habe aber nicht mal reagiert.

Auf Anfrage von «blue News» schreibt das BAG: «Seit Beginn der Pandemie verfolgt der Bund verschiedene Impfstoffe eng und beobachtet laufend die Datenlage. Dazu steht der Bund mit unterschiedlichen Impfstoffherstellern sowie Regierungen in Kontakt. Aus verhandlungstaktischen Gründen können wir dazu keine näheren Angaben machen.» Die Schweiz bleibe bei der Impfstoffbeschaffung aktiv, die oberste Priorität hätten dabei Qualität, Sicherheit und Wirksammkeit.