Negative oder positive AnreizeWie überzeugen Bund und Kantone die Impfskeptiker?
Lia Pescatore
6.7.2021
Die Corona-Impfquote flacht ab, die Appelle der Kantone bleiben in Teilen der Bevölkerung unerhört. Eine Impfquote von über 75 Prozent scheint wieder in weite Ferne zu rücken. Reicht die jetzige Kampagne des BAG?
Lia Pescatore
06.07.2021, 18:02
06.07.2021, 18:03
Lia Pescatore
Lieber testen statt impfen lassen: Während vor den Ferien der Ansturm auf die Corona-Testzentren beginnt, gerät die Impfkampagne ins Stocken. Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), teilte an der Medienkonferenz vom Dienstag mit, dass 63 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geimpft seien. Der von Experten angesetzte Zielwert von 80 Prozent, der nötig sei, um die Delta-Variante in Schach zu halten, ist noch weit entfernt.
Gleichzeitig steigen die Fallzahlen bereits wieder an – und fast ein Drittel der Fälle ist bereits auf die ansteckendere Delta-Variante zurückzuführen, wie Masserey weiter erklärte.
Auch Martin Ackermann, Präsident der wissenschaftlichen Taskforce, betonte an der Medienkonferenz, dass weiter geimpft werden müsse, um aus der Gefahrenzone rauszukommen.
Doch die Kantone haben teilweise Mühe, die Impftermine zu füllen. Die Impfquote fällt je nach Kanton sehr unterschiedlich aus, wie Zahlen des Bundes zeigen. Die Ausgangslage ist bei fast allen Kantonen gleich: Sie haben bisher circa eine Dose pro Einwohner erhalten. In gewissen Kantonen wurden jedoch nur drei Viertel dieser Dosen auch wirklich verimpft. Zum Vergleich: In den grossen Kantonen Zürich und Bern wurden über 90 Prozent verwertet, Spitzenreiter sind Genf (95,3 Prozent) und Basel-Stadt (96,8 Prozent).
Ein Kanton, der besonders mit sinkender Nachfrage zu kämpfen hat, ist Schwyz. Die Wochenend-Impfzentren mussten dort früher als geplant schliessen – wegen der mangelnden Nachfrage. In einem direkten Appell forderte der Kanton Anfang Monat die Bevölkerung deshalb dazu auf, sich impfen zu lassen. Zudem wurden die Impftermine für Personen geöffnet, die zwar nicht in Schwyz wohnen, aber dort arbeiten.
Lukas Engelberger findet es im Interview mit SRF verständlich, dass die Kantone unterschiedlich auf die Menschen zugingen, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. «Wichtig ist aber, dass man auch auf der nationalen Ebene weiterhin eine starke Kommunikation hat – also mit der gesamtschweizerischen Kampagne des Bundes, die bereits läuft», sagt der Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektor*innen.
Die Jungen mit «Goodies» ansprechen
Doch reicht diese Impfkampagne noch aus? Experten sind sich uneinig.
Dominik Georgie von der Hochschule Luzern sagt Ja. Er ist Autor einer Studie, die der Schweizer Bevölkerung vor drei Monaten eine Impfbereitschaft von 73 Prozent attestierte. Georgie zeigt sich im Interview mit «CH Media» optimistisch, dass eine ähnlich hohe Durchimpfungsrate nach wie vor erreicht werden könne.
Der Bund müsse die Impfwilligen nur besser abholen, indem er zum Beispiel mehr Transparenz bezüglich der Nebenwirkungen, aber auch der Risiken bei einer Ansteckung schaffe. Mit Goodies könnten zudem gerade Junge zum Impfen bewegt werden, für die die Impfung zum Eigenschutz nicht so dringend erscheint.
Weniger optimistisch hingegen sieht der österreichische Verhaltensökonom Gerhard Fehr das Potenzial. Laut seiner Prognosen könnte mit der aktuellen Kampagne gerade mal eine Impfquote von 60 Prozent erreicht werden, sagt er im Interview mit dem Blick.
Auch die Wirkung von «Goodies» sieht er skeptisch. «Leute, die wirklich nicht wollen, kann man kaum mit kommerziellen Anreizen umstimmen. Es würde höchstens Impfwillige dazu bringen, sich schneller impfen zu lassen», so Fehr. Die 35 Prozent, die laut seiner Prognose besonders impfskeptisch sind, könne man allein durch systematische Diskriminierung zum Impfen bewegen. Indem zum Beispiel nur Geimpfte ins Restaurant dürften.
Systematische Diskriminierung sei dabei nichts Neues. «Beispielsweise können sich die meisten Leute nicht jeden Tag einen Restaurantbesuch leisten und sind dementsprechend wegen ihres Lohns davon ausgeschlossen», erklärt Fehr.
Aufklärungsarbeit mit Videos
Das BAG will derweil nichts an seiner bisherigen Kommunikation ändern, wie Masserey an der Medienkonferenz sagte. Es sei nun an den Kantonen, den Zugang zur Impfung zu vereinfachen, zum Beispiel, indem man diese ohne Termin anbietet.
Die Anregungen von Dominik Georgie hat es teilweise bereits umgesetzt: Es setzt auf Aufklärungsarbeit. In einem Video erklärt zum Beispiel Alain Berset Schauspielerin Christa Rigozzi, dass die Impfung nicht unfruchtbar mache.
Das BAG hat auch Videos spezifisch für Personen mit Migrationshintergrund veröffentlicht. Zudem seien die Informationen zur Covid-Impfung in 20 Sprachen übersetzt worden, um sie der gesamten Bevölkerung zugänglich zu machen, schreibt das BAG auf Anfrage von «blue News».
Den Sommerferien sieht das BAG gelassen entgegen. Es sei «naheliegend», dass das Impftempo in den kommenden Wochen etwas abnehme, da nicht beide Impftermine wahrgenommen werden könnten. Die Impfbereitschaft habe aber in den letzten Monaten stets zugenommen. «Wir gehen davon aus, dass sich viele der impfbereiten Menschen bis im Herbst impfen lassen werden», so das BAG.