Der Nationalrat zeigt Härte gegenüber vorläufig Aufgenommenen. Sie sollen Familienangehörige nicht mehr in die Schweiz nachziehen dürfen. Für die entsprechende Motion der SVP stimmten auch die FDP- und fast die ganze Mitte-Fraktion.
Der Nationalrat hielt am Dienstag eine ausserordentliche Session zum Thema Asyl ab. Die Motion, die vorläufig Aufgenommenen das Recht nehmen will, Familienangehörige in die Schweiz zu holen, nahm er mit 105 zu 74 Stimmen und mit 9 Enthaltungen an, gegen den Willen des Bundesrates.
«Aufenthalt muss kurz sein»
Der Aufenthalt von vorläufig Aufgenommenen in der Schweiz müsse kurz sein, sagte SVP-Sprecher Thomas Knutti (BE). Dürfe ihre Familie nachreisen, würden sie die Schweiz «nie wieder verlassen». «Wir sind einfach zu attraktiv.» Für die Motion stimmten SVP, FDP und etliche Mitglieder der Mitte-Fraktion.
Der Vorstoss hätte kaum einen Effekt, warnte Justizminister Beat Jans. Das Grundrecht auf Familienleben sei in der Verfassung verankert, und das Bundesgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hätten es wiederholt anerkannt. Die Hürden für den Familiennachzug seien zudem schon heute hoch.
Weiter will der Nationalrat, dass Daten zu illegalen Aufenthalten im Land künftig systematisch ausgetauscht werden. Kantone, Gemeinden, Krankenkassen, AHV, IV und andere Sozialversicherungen sollen einbezogen werden. Er nahm dazu eine weitere SVP-Motion mit 119 zu 71 Stimmen an.
Taskforce Asyl gefordert
Die Forderung aus der FDP für eine Taskforce Asyl, die Krisen und Missbräuchen vorbeugen soll, hiess der Nationalrat ebenfalls gut. Die Migration von Wirtschaftsflüchtlingen und der Medizin-Tourismus müssten eingedämmt werden, sagte Jacqueline de Quattro (FDP/VD). Dafür sei das Asylsystem nicht gerüstet. Jans plädierte erfolglos für ein Nein. Das Anliegen sei erfüllt, solche Gremien gebe es schon.
Mit zwei weiteren Asyl-Motionen konnte die SVP zwar die FDP gewinnen, aber nicht den Nationalrat. Dieser lehnte es ab, Asylsuchende, die über ein sicheres Drittland in die Schweiz kommen, nicht mehr als Flüchtlinge zu anerkennen. Der Bundesrat hielt dagegen, dass das mit der Flüchtlingskonvention nicht vereinbar sei.
Ein Nein gab es auch zur Schaffung von Transitzonen in der Nähe der Landesgrenzen. Dort hätten Asylsuchende ihr Gesuch stellen und bis zum Entscheid bleiben müssen. Der Bundesrat sprach von einem unverhältnismässigen Eingriff in die persönliche Freiheit und nannte solche Transitzonen «schwer umsetzbar».
Bei Status S härter durchgreifen
Auch beim Status S für ukrainische Geflüchtete will die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat härter durchgreifen. Mit 131 zu 67 Stimmen nahm er eine Motion von Nicolò Paganini (Mitte/SG) an.
Sie verlangt, den Schutzstatus S abzuerkennen oder nicht mehr zu gewähren für Menschen, die die Schweiz für eine gewisse Zeit verlassen und bereits Rückkehrhilfe bezogen haben respektive den Schutzstatus missbräuchlich erlangt haben. «Missbräuche unter dem Status S stören», sagte Paganini.
Missbräuche würden bereits konsequent bekämpft und der Status S aberkannt, wenn jemand für länger als 15 Tage ins Heimatland ausreise, hielt der Bundesrat dagegen. Den Schutzstatus erneut zu beantragen, müsse wegen der sich ändernden Lage in der Ukraine möglich sein, sagte Jans dazu.
Anreiz zum Arbeiten gefordert
Auch eine Motion von Corina Gredig (GLP/ZH) für ein Anreizsystem, damit Menschen mit Status S mit Arbeit finanziell eigenständiger werden können, nahm der Nationalrat an. Oft scheitere ein Stellenantritt an der fehlenden Bewilligung und an Wartezeiten, sagte Gredig.
Der Bundesrat beantragte ein Nein, obwohl er eine höhere Erwerbsquote von 40 Prozent anstrebt. Zuletzt lag die Quote bei etwa 28 Prozent, wie Jans ausführte. Das genüge noch nicht.
Jans' Justiz- und Polizeidepartement erhielt vor Kurzem den Auftrag, bis im Februar 2025 Gesetzesänderungen vorzuschlagen, damit das Arbeiten für Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz einfacher wird. Dabei erwähnte Drittstaatenkontingente für Menschen mit Status S seien aus rechtlichen Gründen nicht möglich, sagte Jans.
Der Nationalrat führte die mittlerweile dritte ausserordentliche Asyl-Session innerhalb weniger Monate durch, wie der seit Anfang Jahr amtierende Justizminister anmerkte. Der Tonfall der Debatte war zeitweise emotional. Die angenommenen Motionen gehen an den Ständerat. Er wird am (morgigen) Mittwoch ebenfalls eine Asyl-Session durchführen und teilweise dieselben Motionen behandeln.