Stadtplanung in Bern, Basel und Zürich«Wir sehen es entspannter mit den Hochhäusern»
Von Alex Rudolf
14.11.2021
Zürich entscheidet am 28. November über seine städtebauliche Zukunft. Ein Blick nach Bern und Basel zeigt, dass sich dort ähnliche Lösungen für unterschiedliche Probleme finden.
Von Alex Rudolf
14.11.2021, 00:00
14.11.2021, 10:57
Alex Rudolf
In der Schweiz wächst die Bevölkerung, der Platz wird knapper. Mit Zürich stellt die grösste Stadt des Landes am 28. November die Weichen für die städtebauliche Zukunft.
Die Richtpläne Siedlung und Verkehr, über die dann abgestimmt wird, geben den Rahmen vor, in dem sich die Stadt entwickeln soll. Leben heute rund 435'000 Menschen in Zürich, könnten es in 20 Jahren bereits über 550'000 sein. Für diese braucht es Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und gute Verkehrswege.
Die Vision der Stadtregierung ist eindeutig: Zürich soll weniger Autoverkehr haben und dafür mehr Grünräume und Raum für Fussgänger sowie Velofahrende erhalten. Um dies zu erreichen, sollen rund 40 lokale Quartierzentren über das ganze Stadtgebiet entwickelt werden. Hier sollen die Menschen alles für den täglichen Bedarf finden. Die Idee: So müssen die Zürcher*innen nicht ins Auto oder ins Tram steigen, um in die Innenstadt zu gelangen.
Weiter sollen rund 140 neue Pärke entstehen. Neu ist, dass auch private Grundeigentümer eingebunden werden, die ihre privaten Innenhöfe der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen sollen. An den grossen Achsen soll zudem vermehrt in die Höhe gebaut werden. Damit hier aber nicht nur teurer Wohnraum entsteht, will Zürich den gemeinnützigen Wohnungsbau fördern.
Die Autos werden aus der Stadt vertrieben
Auch in Sachen Verkehr ist die Stadt Zürich mit dem neuen Richtplan an einem Wendepunkt. Sagen die Stimmberechtigten Ja, sollen rund 100 Kilometer Routen entstehen, auf denen die Velofahrer Vortritt geniessen.
Weiter soll die Anzahl Parkplätze abgebaut und auch die Fläche zum Parkieren in den blauen Zonen soll deutlich reduziert werden. Auf allen städtischen Strassen soll zudem künftig Tempo 30 herrschen. So werde der Lärm reduziert.
Diese Massnahmen haben einen grossen Einfluss auf das künftige Zusammenleben: Wie meistern die anderen Grosszentren der Deutschschweiz die Herausforderungen des Wachstums?
Solche Massnahmen wie in Zürich kommen auch in anderen Städten gut an. «Erst diesen Sommer hatten wir einen Austausch mit dem Zürcher Amt für Städtebau und in vielen Bereichen setzen wir auf dieselben Strategien», sagt etwa Jeanette Beck. Die Leiterin des Bereichs Raumentwicklung der Stadt Bern betont, dass man in hier schon seit Mitte der 1990er-Jahre auf die Weiterentwicklung von Quartierzentren setze. Diese würden jeweils ihren eigenen Charakter aufweisen und sollen gestärkt werden.
Martin Sandtner
Foto: Ketty Bertossi
Anders sieht es in Basel aus, wo solche Quartierzentren nur in Plänen einzelner Stadtteile, nicht aber im kantonalen Richtplan vorkommen, wie Martin Sandtner, der die Raumplanung des Stadtkantons leitet, erklärt. Möglicherweise hängt dies mit der urbanen Tradition Basels zusammen, wo eine Vielzahl von Orten als Zentren dient.
Es mangelt an Wohnungen
Dafür hat Bern an anderen Orten zu kämpfen. «Wir haben einen grossen Überhang an Arbeitsplätzen. Auf rund 143'000 Einwohner*innen kommen über 188'000 Beschäftigte, was unter anderem an der Vielzahl der staatsnahen Betriebe, der öffentlichen Verwaltung und dem Gesundheitswesen liegt», so Beck. Hier gilt das Rezept: Wohnungsbau ermöglichen. Mehrere Tausend Wohnungen würden in den kommenden Jahrzehnten erstellt.
Auch in Basel wird fleissig gebaut. Hier entstehen die neuen Wohnungen vorwiegend in Entwicklungsgebieten. Im Unterschied zu Zürich, wo der Anteil an Genossenschaftswohnungen 27 Prozent beträgt, liegt dieser in Basel bei 11 Prozent. Werden Geringverdienende aus Basel verdrängt? «Wir arbeiten daran, diesen Anteil zu erhöhen. Beispielsweise verlangen wir in den Neubau-Gebieten einen Anteil von Genossenschafts- oder anderen preisgünstigen Wohnungen von einem Drittel», so Sandtner. Die Wohnungsmieten seien in Basel aber auch moderater gewachsen als in Zürich, sagt er.
Velos stechen den Autoverkehr aus
In allen drei Städten müssen die Autofahrer*innen zugunsten von anderen Verkehrsteilnehmenden zurückstecken. Basel konnte den Autoverkehr in den vergangenen zehn Jahren um 10 Prozent reduzieren. Erst jüngst seien entlang zweier Strassen die seitlichen Parkplätze aufgehoben worden, da für Velofahrende die Gefahr von unachtsam geöffneten Autotüren ausgegangen war. «Niemand hat sich gegen diesen Parkplatzabbau gewehrt. Die Basler*innen stehen hinter der Verkehrsplanung», so Sandtner.
Jeanette Beck
Bern nimmt sich sogar noch mehr vor. So setzt es sich die Bundesstadt zum Ziel, die Velohauptstadt der Schweiz zu werden. «In diesem Bereich passiert in Bern ganz viel.»
Entwicklungsgebiete oder Innenverdichtung?
«Zürich ist Basel rund 20 Jahre voraus, was die Entwicklung der Neubaugebiete angeht», sagt Sandtner. Während die Brachen im Norden und Westen Zürichs bereits vollständig mit neuen Quartieren bebaut sind, ist man in Basel erst inmitten der Planung. «Gebiete wie das Klybeck-Areal sind auch unsere einzige Chance auf Wachstum, da wir keine Landreserven mehr haben», sagt Sandtner.
In Bern fokussiert man wie in Zürich auf die innere Verdichtung, wie das Stadtentwicklungskonzept festhält. Eine Chance bildet hier der Rückbau der Autobahn A6 zu einer Stadtstrasse. Bis 2050 könnte hier eine östliche Stadterweiterung vollzogen werden.
Hochhäuser – Flucht nach oben
Beinahe in jeder Schweizer Stadt hat das Hochhaus in den letzten 20 Jahren eine Renaissance erlebt. Doch besonders im Basler Stadtbild stechen eindrückliche Beispiele ins Auge. Der Roche-Turm 2 wird nach seiner Fertigstellung im kommenden Jahr mit seinen 205 Metern das höchste Gebäude der Schweiz sein. Ein weiterer mit 221 Metern Höhe ist bereits in Planung. In Zürich und Bern ist man zurückhaltender. «Wir in Basel sehen es entspannter mit den Hochhäusern. Das liegt wohl daran, dass uns allen klar ist, dass wir nicht in die Breite wachsen können, sondern nur die Entwicklung nach oben bleibt,» sagt Sandtner.
Es wird bei allen eng
Die Schweizer Städte wachsen weiter. Während Zürich bis 2040 um bis zu 135'000 Menschen auf rund 551'000 Einwohner anwachsen könnte, sind es in Bern im selben Zeitraum moderate 18'000: von knapp 143'000 auf bis zu 160'000 Einwohner*innen. In Basel würde sie maximal von heute gut 200'000 auf maximal rund 260'000 Personen wachsen. Als realistischer werden jedoch rund 225'000 Einwohner*innen eingeschätzt.
Es wird eng: Was löst dies bei den Städter*innen aus? «Wo die Berner*innen künftig einkaufen, die nächste Grünanlage finden, um an einem heissen Sommer etwas Kühlung zu finden, oder Kinder in die Schule gehen können, treibt die Menschen um», sagt Beck. Diese handfesten Fragen würden sich wohl in jeder grösseren Schweizer Stadt stellen. Bei der Planung müsse eine transparente Abwägung stattfinden. «Eine Verdichtung muss zur hohen Lebensqualität beitragen.»