WWF über Beverin-Rudel«Einfach alle Wölfe abschiessen ist auch keine Lösung für die Landwirtschaft»
gbi/amo
22.2.2023
Schützen oder schiessen? Alle Augen sind auf den Wolf gerichtet
Die Schweiz diskutiert wieder über den Wolf. Soll sein Schutz gelockert werden, wie es das neue Jagdgesetz vorsieht? blue News besucht vor dem Abstimmungssonntag einen Schafzüchter und einen Umweltschützer.
26.09.2020
Ein ganzes Wolfsrudel soll eliminiert werden. Das fordert die Mehrheit des Bündner Parlaments. Damit sei der Landwirtschaft jedoch nicht geholfen, sagt WWF Graubünden. Wichtiger sei, dass Landwirte beim Herdenschutz optimal unterstützt werden.
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22.02.2023, 10:27
22.02.2023, 10:34
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Zehn Rudel, fast hundert Tiere: Die Wolfspopulation in Graubünden ist für viele zu gross geworden. So überwies eine Mehrheit der Abgeordneten im Bündner Parlament letzte Woche einen Vorstoss, mit dem das gesamte Beverin-Rudel sofort eliminiert werden soll – samt Welpen.
«Das war ein politisch aufgeheizter Entscheid. Anscheinend sind die Parteien schon im Wahlkampfmodus», erklärt Anita Mazzetta, Geschäftsleiterin des WWF Graubünden und Grossrätin der Grünen, auf Anfrage von blue News. Doch das Jagdgesetz sei erst gerade revidiert worden, auch die Wolfsregulierung sei darin klar geregelt. «Daran hat sich auch der Kanton Graubünden zu halten.»
Tiere des Beverin-Rudels – das im Gebiet des Piz Beverin bei Thusis lebt – hatten zuletzt wiederholt mit aussergewöhnlichen Rissen für Aufsehen gesorgt: Schafe, Ziegen, Kälber und Esel wurden schon angegriffen, im vergangenen Sommer schliesslich auch zwei Mutterkühe am Schamserberg. Die zuständigen Behörden stellten fest, dass sich Wölfe des Rudels «bereits mehrere Jahre sehr problematisch verhalten». Seit 2019 pflanzt sich das Rudel jährlich fort. Als Folge ist im letzten November der Leitwolf durch den Kanton abgeschossen worden. Es war der erste bewilligte Abschuss eines Leitwolfs in der Schweiz.
Kanton hat nur wenig Handlungsspielraum
Grossrät*innen der bürgerlichen Parteien wollten den Abschuss der Wölfe nun auf die sogenannte polizeiliche Generalklausel abstützen. Diese ermöglicht theoretisch ein Handeln ohne gesetzliche Grundlage. Voraussetzung ist aber eine sehr grosse Gefährdung von Leib und Gut.
Doch: Der Wolf ist in der Schweiz geschützt. Die zuständige Bündner Regierungsrätin Carmelia Maissen erinnerte in der Debatte vergeblich daran, dass der Handlungsspielraum des Kantons extrem klein sei. Bei geschützten Arten habe der Bund das entscheidende Wort. «Der Kanton kann nicht mit der polizeilichen Generalklausel das Gesetz aushebeln und alle ‹unerwünschten› Wölfe beliebig abschiessen», erklärt auch Mazzetta.
«Wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben. Einfach alle Wölfe abschiessen, wie gewisse Politiker fordern, versetzt uns nicht nur ins letzte Jahrhundert, es ist auch keine Lösung für die Landwirtschaft», sagt sie. Zwar sei die aktuelle Situation mit so vielen Wölfen im Kanton herausfordernd, räumt auch sie ein. «Mit Symbolpolitik ist der Landwirtschaft aber nicht geholfen.»
Guter Herdenschutz soll Zusammenleben vereinfachen
Wichtig sei, dass die Landwirtschaft sich den Herausforderungen stelle und beim Herdenschutz optimal unterstützt werde. «Natürlich gehört auch die Regulierung der Wölfe dazu.» Das neue Jagdgesetz gehe bei den Abschüssen der Wölfe bereits weit und lasse eine weitgehende Regulierung zu. «Nun gilt es, das beschlossene Gesetz zu leben.» Die Bündner WWF-Geschäftsleiterin ist überzeugt: «Ein Nebeneinander von Mensch und Wolf geht nur mit einem guten Herdenschutz.»
Im Kanton Graubünden leben aktuell zehn Wolfsrudel auf Kantonsgebiet. Zwei weitere Rudel halten sich an der Kantonsgrenze und im angrenzenden Ausland auf. Der Kanton schätzte den Bestand Ende 2022 auf insgesamt 94 Wölfe.