Aufgeheizte Debatte zu Agrar-Initiativen«Wir stammen alle von Bauern ab»
Von Lukas Meyer
20.5.2021
Gleich zwei Agrar-Initiativen kommen am 13. Juni zur Abstimmung, die Diskussion darüber ist aufgeheizt und überschreitet oft Grenzen. Die Debattenkultur habe sich während der Pandemie verschlechtert, findet ein Experte.
Von Lukas Meyer
20.05.2021, 18:03
20.05.2021, 18:06
Lukas Meyer
Am 13. Juni entscheiden die Schweizer Bürger bei der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative über zwei Agrarthemen. Dieser Abstimmungskampf sei aus dem Ruder gelaufen, konstatiert der «Tages-Anzeiger», die beiden Lager deckten sich gegenseitig mit Verunglimpfungen ein. Der Bauernverband empfindet die Debatte als «enorm aufgeheizt», während die Gegenseite die Eskalation als «klar gewollt» empfindet. Zudem erhielten die grüne Ständerätin Céline Vara und Franziska Herren von der Trinkwasserinitiative Morddrohungen.
Es sei zwar nicht der erste Abstimmungskampf, der ausarte, aber die Entgleisungen schienen sich zu häufen, so der «Tages-Anzeiger» weiter. Wie sieht es mit der Debattenkultur in der Schweiz aus? Warum werden landwirtschaftliche Themen so emotional verhandelt?
Wir-Gefühl hat abgenommen
«Die Debattenkultur hat sich während der Corona-Pandemie massiv verschlechtert», meint Mark Balsiger, Politologe und Kampagnenspezialist, im Gespräch mit «blue News». Das starke Wir-Gefühl des Frühjahrs 2020 sei in lang anhaltende Angespanntheit und Ungewissheit übergegangen, die sich in Aggressionen entladen.
Das merke man auch in den sozialen Medien und in den Kommentarspalten von Online-Medien, wo die Leute ein Ventil suchen. «Dort gehen sie wie Gladiatoren aufeinander los – die Bereitschaft, einander zuzuhören und entgegenzukommen, hat stark abgenommen.» Dass eine Eskalation der Debatte von einer Seite gewollt sei, kann er sich aber nicht vorstellen.
Zudem werden Landwirtschaftsthemen anders angegangen, weil viele Schweizer glauben, dazu eine Nähe zu haben. «Nur noch wenige Leute sind in diesem Sektor tätig, aber wir stammen alle von Bauern ab», so Balsiger. «Diese gefühlte Nähe sorgt für Emotionalität und heftige Reaktionen von den Betroffenen.» Bei anderen Themen entzünde sich die Diskussion weniger stark. Das Terrorgesetz oder das CO₂-Gesetz etwa enthielten mehr abstrakt-technische Komponenten und erführen darum weniger Aufmerksamkeit und Emotionalität.
Dass so heftig gestritten wird, sei aber nicht komplett neu. Balsiger erinnert etwa an das EWR-Nein von 1992, als der Abstimmungskampf neun Monate dauerte und sehr heftig geführt wurde. «Auch da gab es Morddrohungen, es wurde sehr emotional und unverrückbar diskutiert. Schon damals sagte man, das sei nicht typisch für die Schweiz, da ist eine neue Dynamik.»
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