Interview «Würde ich vieles anders sehen als Blocher, wären wir nicht in der gleichen Partei»

Von Anna Kappeler, Brugg

22.8.2020

Mit Blumenstrauss vor den Delegierten: Marco Chiesa ist der neue SVP-Präsident.
Mit Blumenstrauss vor den Delegierten: Marco Chiesa ist der neue SVP-Präsident.
Bild: Keystone

Der neue SVP-Chef Marco Chiesa sagt, wie er den Abwärtstrend der Partei stoppen will und warum es unter ihm kein Erdbeben geben wird. Und er spricht über seine Nähe zu Christoph Blocher.

Herr Chiesa, wie fühlt es sich an, frischgewählter Präsident der grössten Partei dieses Landes zu sein?

Ich bin stolz. Und sehr bewegt. Es ist nicht selbstverständlich, dass die SVP mit einem solchen Enthusiasmus einen Tessiner gewählt hat. Ich habe eine grosse Energie und eine gute Stimmung im Saal gespürt (hier geht es zur Reportage). Aber es ist klar, dass sich einige Leute eine Kampfwahl gewünscht hätten. Ich sage an dieser Stelle Danke an die Adresse von Nationalrat Alfred Heer und den Zürcher Parteipräsidenten Benjamin Fischer.

Sie bedanken sich bei Fischer?

Ja, seine Rede über eine geeinte Partei war wunderbar. Ich habe mich sehr über die «Forza Marco»-Aussage aus Zürich gefreut.

Sie gelten als Blocher-nah. Sind Sie auch deswegen gewählt worden?

Ich höre das immer wieder, dass ich sehr nah sein soll zu Christoph Blocher. Die Tessiner sind allgemein nahe bei Christoph Blocher. Schauen Sie: Würde ich viele Sachen anders sehen als Christoph Blocher, wären wir nicht in der gleichen Partei.



Worin werden Sie sich von Ihrem Vorgänger Albert Rösti unterscheiden?

Das ist schwierig zu beantworten. Rösti ist ein super Typ. (Just in dem Moment taucht Rösti auf und verabschiedet sich von seinem Amtsnachfolger.) Als Tessiner sehe ich mich stark als Brückenbauer zwischen den verschiedenen Landesteilen.

Unter Rösti hat die Partei bei den letzten Wahlen verloren. Sie müssen doch nun diesen Abwärtstrend stoppen?

Ganz klar, ja. Sonst habe ich ein Problem. Ich muss nun unsere Wähler mobilisieren, wir Tessiner können so etwas gut.

Meinungsumfragen prognostizieren der Begrenzungsinitiative einen Absturz an der Urne. Sie beginnen mit einer Niederlage.

Ich denke, hier müssen wir nun wirklich kämpfen. Dieser Kampf ist nicht ein Kampf nur für mich persönlich oder nur für meine Partei. Es geht um viel mehr: Wir kämpfen für die nächste Generation. Gerade im Kanton Tessin ist das Problem des Lohndumpings ausgeprägt, zudem sind viele Leute unterbeschäftigt. Es gibt im Tessin nicht für alle Arbeit. Der Inländervorrang wäre so wichtig für unser Land. Er muss endlich richtig umgesetzt werden.

Ganz konkret: Für was werden Sie einstehen als neuer Parteichef?

Für mich ist es essentiell, die Linie unserer Partei zu vertreten. Ich bin nicht gewählt, um ein Erdbeben innerhalb der Partei zu verursachen. Ich wurde gewählt, weil ich zu den Werten der SVP stehe. Und ich möchte die Partei einen. Gerade heute haben wir gesehen, dass die Romands beispielsweise für ein Ja zum Vaterschaftsurlaub sind, im Gegensatz zu den anderen Sektionen. Das stört mich nicht, das gehört dazu.

Haben Sie es als erster lateinischer SVP-Chef einfacher bei den Westschweizer Parteigspänli als ein Deutschschweizer Präsident?

Das wird sich zeigen. Was ich weiss: Ich bin ein Fan der Romandie. Ich habe dort gearbeitet, meine Onkel und Tanten leben noch immer dort. Wir machen oft Ferien dort. Und ich spreche gut Französisch.

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