Umgangston Wütende Politiker – Trump-Effekt in Bern 

Von Philipp Dahm

23.9.2020

Zank vor laufender Kamera: Andreas Glarner und Sibel Arslan.
Zank vor laufender Kamera: Andreas Glarner und Sibel Arslan.
Bild: Keystone

Das Klimacamp auf dem Bundeshausplatz hat für Emotionen gesorgt – und bei einigen Politikern für einen ungewöhnlich derben Ton. Das hat Gründe und Folgen, glaubt Stilexperte Jeroen van Rooijen.

Auch wenn das Klimacamp in Bern nur zwei statt der geplanten fünf Tage überdauerte, haben die Aktivisten ihr Ziel erreicht: Das ganze Land hat auf den Bundeshausplatz geschaut, wo der Klimawandel wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt worden ist. Die – auch mediale – Aufmerksamkeit wurde nur noch angeheizt, als auf die Durchsetzung des seit 1925 geltenden Kundgebungsverbots vor dem Bundeshaus gepocht wurde.

Hitzig waren deshalb auch die Gemüter einiger Politiker: Die Volksvertreter waren in Bern nicht gerade zimperlich. Am Dienstagvormittag wurde SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel gegen die Aktivisten ausfällig («Ihr seid alle Arschlöcher»), dann gerieten Parteikollege Andreas Glarner und die Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan vor laufender Kamera aneinander – und heute beschwerte sich der 57-jährige Aargauer wiederum über SP-Politikerin Jacqueline Badran, die im «SRF» vom «fucking Glarner» sprach.

Es kracht im Berner Gebälk, aber wie sinnvoll ist eine solche konfrontative Kommunikation, und was macht sie mit den Beteiligten und ihrem Publikum. Wir haben beim Stilexperten Jeroen van Rooijen nachgefragt.

Was würden Sie den Politikern mitgeben, wenn Sie morgen im Parlament das Wort an sie richten könnten?  

Nun, man sieht sich ja immer zweimal im Leben. Und wenn man Parlamentarier ist, sieht man sich wahrscheinlich tausendmal im Leben – da sollte man Worte wählen, die ein späteres Wiedersehen nicht komplett unmöglich machen. Dass man unterschiedlicher Meinung ist und das auch sagt, gehört ja sozusagen zum Beruf, aber wenn man ausfällig wird, verlässt man eine Ebene, auf der man in Zukunft noch gemeinsame Wege gehen kann.

Zur Person
Keystone

Der Frauenfelder Jeroen van Rooijen ist Stilexperte. Er ist Mitinhaber des Concept Stores Cabinet in Zürich. Bekannt wurde er etwa durch seine Kolumne in der «NZZ am Sonntag», in der er Stil-Fragen beantwortete. 2016 kürte das deutsche Magazin «Gentlemen’s Quarterly» (GQ) ihn zum «bestangezogenen Mann in der Schweiz».

Hat sich der Ton in der Politik insgesamt verändert?  

Ich habe eindeutig das Gefühl, dass es hier einen negativen Einfluss gibt, der von der anderen Seite des Atlantischen Ozeans zu uns geschwappt ist.  

Sie meinen den US-Präsidenten Donald Trump?  

Ich habe den Eindruck, dass sich diese vier Jahre Trump auch bei uns bemerkbar machen, dass der Umgang rauer wird, die Leute schneller gereizt sind und vor allem, dass der gegenseitige Respekt ein wenig verloren gegangen ist.  

Wie reagiere ich am besten, wenn ich persönlich beleidigt werde?  

Da muss man ein paar Kurse in Impulskontrolle belegen, weil es die naheliegendste Reaktion ist, zurückzuschimpfen. Souverän ist es, die Contenance zu wahren und sich nicht auf diese Ebene herabzulassen, sondern bei der Sache, beim Thema und bei einem einigermassen freundlichen Umgang zu bleiben. Es kann aber natürlich auch Momente geben, in denen es einem reicht, wenn man in einer Weise beleidigt worden ist, dass man nicht mehr weiterdiskutieren möchte. Statt zurückzuschiessen kann man dann besser die Kommunikation abbrechen.  

Mit dem Finger auf andere zeigen – Donald Trump am 22. September bei einer Wahlkampfveranstaltung am Pittsburgh International Airport.
Mit dem Finger auf andere zeigen – Donald Trump am 22. September bei einer Wahlkampfveranstaltung am Pittsburgh International Airport.
Bild: Keystone

Wie sollte das besterdings geschehen?  

Man muss sich schon erklären und nicht einfach wortlos abziehen. Man könnte sagen, dass man auf der dieser Ebene nicht zu diskutieren gewillt sei und sich deshalb aus der Zänkerei verabschieden.  

Wie sollten Streithähne miteinander umgehen, wenn sie sich – etwa im Bundeshaus – wieder begegnen?  

Am besten ist es, wenn derjenige, der am lautesten gebrüllt hat, auf seinen Kontrahenten zugeht und Grösse zeigt. Man könnte sagen: ‹Mir sind die Sicherungen durchgebrannt und das tut mir nun Leid. Ich bitte um Verzeihung!› Ich denke, dass derjenige, der angefangen hat, auch die Hand ausstrecken sollte – wenn man denn daran interessiert ist.  

Wie erklären Sie sich die scharfen Worte vor dem Bundeshaus?  

Ich glaube, mit solchen Aktionen wird Öffentlichkeit gesucht. Eigentlich wäre es das Beste, wenn über sowas gar nicht debattiert würde.  

Auf Twitter wird das Ganze ziemlich hitzig diskutiert.  

Es ist natürlich ein gefundenes Fressen, um sich zu positionieren. Leider ist mit den neuen Medien eine Aufreger-Kultur entstanden, die sehr negativ und für den Einzelnen belastend sein kann. Auch wenn sich wohl jeder schon mal dabei erwischt hat, einen giftigen Kommentar schreiben zu wollen. Wir müssen erst noch lernen, in so einem Moment besser erstmal an der frischen Luft spazieren zu gehen und erst dann in die Tasten zu greifen. Und wenn wir in die Tasten greifen, bitte mit korrekter Rechtschreibung, Interpunktion und entsprechenden Umgangsformen.

Transparenz: Das Gespräch mit Herrn van Rooijen erfolgte telefonisch.

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