«Gezielt Rambos rekrutiert»Luzerner Polizei buhlt mit schwer bewaffneten Typen um Neulinge
Von Oliver Kohlmaier
25.10.2022
Die Luzerner Polizei wirbt mit Plakaten und im Internet um neues Personal. Die Bilder wirken sehr martialisch. Sind die Gesetzeshüter über das Ziel hinausgeschossen?
Von Oliver Kohlmaier
25.10.2022, 15:51
25.10.2022, 16:16
Von Oliver Kohlmaier
Bis 2030 muss die Luzerner Polizei über 100 Stellen neu besetzen — und wirbt deshalb immer wieder um neues Personal. Im Rahmen der neuen Kampagne unter dem Motto «117 Prozent Du» bemüht sich die Behörde auf Plakaten im Kanton sowie im Internet. Auch in Bussen sind sie zu sehen. So weit — so normal.
Die Motive der neuen Kampagne allerdings wirken mitunter so, als möchte nicht die Polizei, sondern die Armee neues Personal gewinnen.
Auf den Bildern werden Polizist*innen schwer bewaffnet und mit Schutzausrüstung gezeigt. Eines der Bilder könnte — mit alternativer Beschriftung — auch einen Ego-Shooter bewerben. Auf einem weiteren ist eine Verhaftung zu sehen.
Polizist*innen mit Schlagstock und Schutzschild sowie in voller Montur und schwer bewaffnet. Sieht so der Polizeialltag in Luzern aus?
«Es werden gezielt Rambos und Adrenalinjunkies rekrutiert», sagt Adrian Muheim vom Verein «Resolut» zu Radio Pilatus und Tele 1. «Die Luzerner Polizei muss über die Bücher gehen und eine neue Kampagne erarbeiten.» Man erreiche mit der Kampagne schlicht die falsche Zielgruppe, erklärt Mulheim. Mit solchen Bildern werde ein falsches Bild der Polizeiarbeit vermittelt, findet die Organisation.
Bei der Polizei Luzern sieht man die Sache natürlich anders. «Das Augenmerk liege sicher nicht auf der Provokation», sagt Martin Jossen, Personalverantwortlicher der Behörde, dem SRF. Vielmehr wolle man «einfach für einen tollen Beruf werben». Die Plakate würden sehr wohl auch den Polizeialltag abbilden. Man werde die Kampagne daher auch nicht einstellen.
Auch die Polizei ist im Wettbewerb um Talente
Neu sind derartige Kampagnen nicht, wie Harley Krohmer betont, Professor für Marketing an der Universität Bern. Seit Jahrzehnten stünden Kampagnen zur Personalrekrutierung für staatliche Sicherheitskräfte unter politischer Beobachtung und brächten Diskussionen mit sich.
«Das werbliche Prinzip ist es, Emotionen einzusetzen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen», schreibt Krohmer auf Anfrage von blue News. Während dies jedoch bei Werbung im Konsumgüterbereich und auch bei Stellenanzeigen privater Arbeitgeber mittlerweile Standard sei und nicht von der Gesellschaft kritisiert werde, scheine entsprechende Werbung für Sicherheitskräfte des Staats anzuecken.
Dabei werde oft übersehen, dass «vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ein Wettbewerb um die Talente vorherrscht», erklärt Krohmer und fügt hinzu: «Jedoch haben die Rekrutierungsbüros für Sicherheitskräfte im Personalmarketing wohl nicht die gleich langen Spiesse wie private Arbeitgeber.»
Die Luzerner Polizei stösst mit ihrer Kampagne nicht zum ersten Mal auf Unmut. 2020 musste sie ein Foto löschen, mit dem sie ebenfalls um neues Personal warb. Auf dem Bild war eine Verhaftung zu sehen. Ein Mann liegt am Boden und wird von einem Polizisten festgehalten, seine Kollegin drückt ihr Knie auf die Schulter des Mannes, während sie die Handschellen bereithält.
Die Szene erinnerte an die brutale und tödliche Verhaftung von George Floyd in den USA, die kurz zuvor weltweit für Empörung sorgte. Das Bild wurde schliesslich aus der Kampagne entfernt, die Luzerner Polizei musste sich entschuldigen.