Regenbogenhaus-Mitbegründerin «Zur Ehe für alle erwarte ich 75 bis 80 Prozent Zustimmung»

Von Alex Rudolf

30.6.2021

Ulla Blume, Vorstandsmitglied des Vereins Regenbogenhaus, zeigt die hauseigene LGBT-Bibliothek.
Ulla Blume, Vorstandsmitglied des Vereins Regenbogenhaus, zeigt die hauseigene LGBT-Bibliothek.
Alex Rudolf

Der Pride Month ist beinahe um. Doch für die Aktivist*innen rund um das Regenbogenhaus in Zürich beginnt der Kampf jetzt erst recht. Ulla Blume ist Vorstandsmitglied des Vereins und spricht über Dildo-Workshops, Pink-Washing und die Arbeit, die noch getan werden muss.

Von Alex Rudolf

Frau Blume, wir befinden uns im Regenbogenhaus. Hier sollen sämtliche Mitglieder der Queer-Community, also Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transmenschen und Non-Binäre, einen Treffpunkt finden. Wegen der Pandemie muss der Anfang harzig verlaufen sein.

Es lief tatsächlich nicht so, wie wir uns das erhofft hatten. Einige Nutzungen konnten dennoch stattfinden. So haben einige Vertreter*innen der total 35 Mitglieds-Organisationen ihre Arbeitsplätze hier. Unter Einhaltung der Vorgaben konnten diese genutzt werden. Die restlichen Angebote konnten erfolgreich ins Digitale verlagert werden. Dennoch: Unser grosses Einweihungsfest, das ein Bähhhm werden soll, veranstalten wir hoffentlich im August.

Wozu braucht es Ihr Angebot im vermeintlich weltoffenen Zürich?

Die Frage lautet eher, warum es im weltoffenen Zürich noch so viele Angebote von Organisationen für die Queer-Community braucht. Für 35 Organisationen bieten wir ein physisches Dach, damit sie ihre Leistungen erbringen können. Alle taten dies schon zuvor. Beispielsweise die HAZ Queer Zürich hatte ihren Sitz seit 1983 versteckt im dritten Geschoss eines Gebäudes am Sihlquai. Gut zugänglich war dies nicht.

Das Angebot ist vielfältig. Jüngst wurde ein Dildo-Workshop durchgeführt.

Wir sind 35 Organisationen, die viel Verschiedenes zu bieten haben, das braucht Platz. Dieser Workshop ist nur eines der Angebote. Glücklicherweise ist die Raumaufteilung flexibel, da wir Trennwände ausfahren können. So können verschiedene Veranstaltungen parallel stattfinden.

In letzter Zeit häuften sich brutale Angriffe auf Mitglieder der Queer-Community.

Genau. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb es das Regenbogenhaus als safer space braucht. Auf diese Weise sind wir Queer-Menschen sichtbar.

Das Regenbogenhaus steht an der Ecke Zoll-/Langstrasse, also inmitten des Zürcher Nachtlebens. Fürchten Sie sich vor Attacken von homophoben Gruppierungen?

Neben der Sichtbarkeit war es uns auch wichtig, der Community einen sicheren Ort bieten zu können. Weil wir nun inmitten der Stadt sind, werden jene Menschen mit Berührungsängsten mit der Zeit endlich verstehen, dass auch wir nur ganz normal sind. Die meisten fürchten nur das Unbekannte. Furcht vor Attacken haben wir nicht. Wir denken, dass eher Gay-Clubs, in deren Nähe die meisten Angriffe stattfanden, Schutz brauchen, da der Alkoholkonsum im Ausgang homophobe Menschen gewalttätig werden lässt.

Vergangenen Sonntag startete die Kampagne hinsichtlich der Abstimmung vom 26. September. Dann entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die Ehe für alle.

Genau – im Regenbogenhaus wurden bunte Bilderrahmen verteilt. Passant*innen können sich damit ablichten lassen und so ihre Unterstützung für das Anliegen auf den sozialen Medien verbreiten. Ich bin zuversichtlich, dass die Ehe für alle kommt. Mir ist aber wichtig, dass die Vorlage sehr hohen Zuspruch erhält, damit auch der Hinterste und Letzte versteht, dass die Queer-Community in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

In der TV-Serie «Modern Family» längst gelebte Realität: Das schwule Ehepaar Cameron (links) und Mitchell mit ihrer Adoptivtochter Lily.
In der TV-Serie «Modern Family» längst gelebte Realität: Das schwule Ehepaar Cameron (links) und Mitchell mit ihrer Adoptivtochter Lily.
ABC via Getty Images

Welche Zahl schwebt Ihnen vor?

In der Stadt Zürich 75 bis 80 Prozent und gesamthaft hoffe ich auf mindestens 70 Prozent.

Um den Stonewall-Aufständen von 1969 zu gedenken, findet jährlich im Juni der Pride Month mit verschiedenen Veranstaltungen, unter anderem der Pride Parade, statt. Was bedeutet dieser Anlass für die Community heute?

Die politische Komponente ist noch immer sehr wichtig. Stonewall steht sinnbildlich für den Kampf gegen die Schikane der Polizei gegen vorwiegend Trans-Personen, aber auch Lesben, Schwule und Bisexuelle. Für viele ist der Pride Month und vor allem die Parade auch Anlass, ausgiebig zu feiern. Diese beiden Prioritäten sind meist gut in Einklang zu bringen.

Wann funktioniert dieser Einklang nicht?

Es liegt in der Natur der Sache, dass einige den Fokus auf das politische Signal legen und andere lieber feiern. Das ist auch das Schöne an der Pride. Unsere Vielfältigkeit wird sehr gut aufgezeigt.

Zahlreiche Unternehmen hissen im Juni die Regenbogen-Flagge. Oft wird ihnen vorgeworfen, dies sei nur Marketing und nicht mehr als ein Lippenbekenntnis.

Ich bin hin- und hergerissen. Dass beinahe jedes Unternehmen eine Regenbogenflagge aufhängt, zeigt, dass wir in der Wahrnehmung der Leute in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Auch ist es erfreulich, dass sich Unternehmen hier ohne Konsequenzen zu fürchten für die Community einsetzen – wenn sie es denn wirklich tun, und nicht nur hier. Deshalb sollten sich die Menschen selbst informieren, ob hinter dem LGBT-Einsatz auch tatsächlich etwas steckt.

Was wäre eines der dringendsten Themen?

Diskriminierungsschutz für Transmenschen: Ein Unternehmen sollte beispielsweise sicherstellen, dass Trans-Menschen nicht automatisch aus dem Bewerbungsprozess ausgesiebt werden. Dies passiert heute viel zu oft und es muss sich etwas ändern.