Prozess 7,5 Jahre für Schweizer Reeder gefordert

SDA

2.7.2020 - 17:34

Im Prozess um mutmasslichen Betrug rund um Bürgschaften zugunsten von Schweizer Hochseeschiffen hat der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren unbedingt gefordert. Auch eine bedingte Geldstrafe von 54'000 Franken für den angeklagten Reeder beantragte er.

Zudem stellte Staatsanwalt Roman Sigrist am Donnerstag vor dem Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern im Berner Amthaus den Antrag, der 66-jährige Mann sei zur Zahlung einer Ersatzforderung an den Staat zu verurteilen. Diese soll 11,7 Millionen Franken betragen.

Die Summe entspreche dem Vermögensvorteil, welche sich der im Kanton Bern wohnhafte Mann mit seinen Delikten verschafft habe. Gemäss dem Strafgesetzbuch beschliessen Gerichte solche Ersatzforderungen grundsätzlich, wenn Vermögenswerte eines Verurteilten eingezogen werden sollten, sie aber nicht mehr vorhanden sind.

Sigrist liess einen Teil seiner Vorwürfe wegen Verjährung fallen. Trotzdem hält er eine Reihe von Straftatbeständen für erfüllt, so unter anderem Betrug im Sinn des Strafgesetzbuchs, Leistungsbetrug im Sinn des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Landesversorgung, Urkundenfälschung und ungetreue Geschäftsführung.

In seinem rund zweieinhalbstündigen Plädoyer forderte Sigrist weiter, eine ganze Reihe von Vermögenswerten des Reeders müssten mit Blick auf die Durchsetzung der Ersatzforderung beschlagnahmt bleiben. Es geht unter anderem um zwei Boote und um Autos und ein Motorrad. Auch müssten aus demselben Grund die Grundbuchsperren für Häuser des Angeklagten bestehen bleiben.

«Auf der Basis von Schwindel»

Es sei dem Reeder nicht immer um persönliche Bereicherung gegangen, sagte Sigrist. Oft habe der 66-Jährige auch delinquiert, um Löcher in seinem umfangreichen Firmengeflecht zu stopfen. Dies, nachdem 2008 die weltweite Wirtschaftskrise zahlreiche Reedereien in Not gebracht hatte.

Schon vor 2008 sei der Angeklagte aber auf die schiefe Bahn geraten, namentlich indem er dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) simulierte Schiffbauverträge vorgelegt habe. Die darin angegebenen Preise lagen laut Anklageschrift 20 Prozent über der Summe, welche die Reederei tatsächlich den japanischen Schiffsbauern zahlte.

Sigrist wirft dem Reeder auch vor, mit Hilfe eines Darlehensvertrags dem BWL eine inexistente Eigenkapitalbasis von Schiffsgesellschaften seiner Reederei vorgetäuscht zu haben. Dies, um in den Genuss der Bundesbürgschaften zu kommen. Diese Täuschungen des Bunds, diese sogenannten Leistungsbetrüge zulasten der Eidgenossenschaft, hält Sigrist für die schwerwiegendsten Straftaten.

Den Darlehensvertrag soll der Reeder zwischen zwei ihm gehörenden Firmen abgeschlossen haben.

Der Berner Staatsanwalt kritisierte auch die Bundesverwaltung: Dort sei man «wenig kritisch» mit dem Reeder umgegangen. Anfänglich sei es um ein System gegangen, das vermeintlich allen zugute gekommen sei: Der Reeder verdiente gut, «die Bundesbeamten durften hin und wieder schnuppern an der aufregenden Luft der Hochseeschifffahrt», so Staatsanwalt Sigrist.

Die Basis des Handelns des Reeders sei aber Schwindeln gewesen, so Sigrist weiter. Es sei höchste Zeit, dass der Mann verurteilt werde. Nicht der Bund, nicht die Justiz und nicht die Medien seien schuld am Niedergang des Reeders, so Sigrist, sondern er allein. Der 66-jährige war Alleinaktionär der Reederei.

Urteil am 9. Juli

Am Donnerstag plädierten auch die Anwälte der Privatkläger. Pablo Duc forderte namens der Reederei und mehrerer Tochtergesellschaften in Liquidation unter anderem Schadenersatz in der Höhe von rund 24 Millionen Franken. Die vorhandenen Vermögenswerte seien den Privatklägern zuzuweisen.

Einen Anteil der Vermögenswerte forderte auch Thomas Schmid namens der Eidgenossenschaft. Er beantragte Schadenersatz in Höhe von 30 Millionen. Es handle sich um eine Teilklage; der Bund behalte sich eine weitere Klage vor.

Noch ausstehend war am früheren Donnerstagabend das Plädoyers des Verteidigers. Der Reeder bestreitet die Vorwürfe. Das Urteil will das Gericht am 9. Juli bekanntgeben.

Die Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte hat den Schaden für den Bund, der im Zusammenhang mit den Bürgschaften für die Schiffe des fraglichen Reeders entstand, in einem Bericht von 2019 auf 204 Millionen Franken beziffert.

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