Oktoberfest-Absage «A bisserl Wiesn geht nicht»

afp/dpa/toko

3.5.2021

Auftakt zum Oktoberfest 2019. Eine Blaskapelle geht beim Einzug der Festwirte über die Theresienwiese in München auf das Riesenrad zu. Das Oktoberfest findet wegen der Corona-Pandemie auch 2021 nicht statt.
Auftakt zum Oktoberfest 2019. Eine Blaskapelle geht beim Einzug der Festwirte über die Theresienwiese in München auf das Riesenrad zu. Das Oktoberfest findet wegen der Corona-Pandemie auch 2021 nicht statt.
Felix Hörhager/dpa

Die Aussagen der Politik in Deutschland haben Hoffungen auf mehr Normalität geweckt. Doch jetzt ist klar: Für die Stadt München wird hierzu etwas ganz Wichtiges fehlen. Zum zweiten Mal in Folge gibt es einen Herbst ohne «das globalste Fest überhaupt».

Überraschend kam es nicht mehr, doch in München und darüber hinaus dürften viele traurig sein: Auch in diesem Jahr fällt das Münchner Oktoberfest aus, zum zweiten Mal in Folge. Keine trunkene Volksfestfröhlichkeit, kein Kettenkarussell und keine gebrannten Mandeln — was manch einer angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie für eine Selbstverständlichkeit hält, ist für Oktoberfestfans eine Katastrophe.

«A bisserl Wiesn geht nicht»

«Für mich persönlich ist das auch keine leichte Entscheidung», sagte der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter, nachdem er zusammen mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder das Aus verabredet hatte. «Sehr schade ist es für die vielen Fans der Wiesn», sagte Reiter. 

Schade sei es aber auch, weil es «teilweise existenzielle Auswirkungen» habe für die auf dem Oktoberfest arbeitenden Menschen. «A bisserl Wiesn geht nicht.»

Bisher galt in München als ungeschriebenes Gesetz, dass wer auf der Wiesn ein Bierzelt betreiben, ein Karussell aufstellen oder Mandeln und Zuckerwatte verkaufen darf, finanziell ohne Sorgen durchs Jahr kommt. Doch umgekehrt zeigt sich jetzt, dass ein Wegfall genau dieser Einnahmen viele der Unternehmen und Beschäftigten in Existenznot stürzt.

Vom 18. September bis 3. Oktober hätte die Wiesn stattfinden sollen. Auch wenn bis dahin viele geimpft sein könnten: Wie wäre es mit der Ansteckungsgefahr in voll besetzten Bierzelten und im Gedränge der Gassen? Etwa ein Testzelt vor dem Bierzelt, ein Impfpass zum Reservieren, Feiern mit 1,50 Metern Abstand oder gar ein Verzicht aufs Bier, damit die Gäste die Regeln nicht vergessen — das wäre kaum vorstellbar.

«Schwerer Schlag»

Der Wiesn-Chef und Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner stellte sich hinter die Absage. Die Entscheidung sei «völlig richtig — nicht nur aus Rücksicht auf die Gesundheit der Besucher, sondern auch aus Rücksicht auf den guten Ruf des Münchner Oktoberfestes als qualitätsvolles, sicheres Fest». Er setze nun auf 2022.

«Dass wir zwei Jahre keine Wiesn haben, ist für alle Kollegen ein schwerer Schlag — wir hätten uns nie vorstellen können, dass es so kommen könnte», sagte der Sprecher der Wiesn-Wirte, Peter Inselkammer. Trotz aller Ungewissheit hatten sich laut Inselkammer die allermeisten Stammgäste vor allem aus der Region ihre Plätze gesichert. Zu 95 Prozent hätten sie ihre Tische so bestellt wie 2019.

«Uns trifft das ins Mark», sagte der Vorsitzende des Münchner Schaustellerverbandes, Peter Bausch. «Uns fehlt wieder ein ganzes Jahr.» Schliesslich werde nicht nur das Oktoberfest abgesagt — «sondern wieder eine ganze Saison». Dabei hätten Aussagen der Politik Hoffnung aufkeimen lassen: «Wenn es im Herbst Normalität geben soll, dann gehört zur Normalität auch ein Volksfest», sagte Bausch.

Gut 1,2 Milliarden Euro (rund 1,32 Milliarden Franken) Umsatz machen die Festwirte, Schausteller, Gastronomen, Hoteliers und Taxiunternehmen mit einem Oktoberfest. Die Wiesnbesucher aus aller Welt geben das Geld gern mit vollen Händen aus. Für das erste Wiesnwochenende in diesem Jahr verlangten Hotels, die sonst für 50 Euro pro Nacht Zimmer anbieten, in den Tagen vor der Absage noch über 300 Euro.

Wiesnbesucher feiern 2019 in einem Festzelt. «Uns fehlt wieder ein ganzes Jahr», heisst es nun.
Wiesnbesucher feiern 2019 in einem Festzelt. «Uns fehlt wieder ein ganzes Jahr», heisst es nun.
Sven Hoppe/dpa

«Das globalste Fest überhaupt»

Die Chance, die durch den monatelangen Lockdown entstandenen Löcher in den Kassen zu stopfen, ist für die Unternehmen nun gestoppt. Gross war der Druck auf Oberbürgermeister Reiter und Ministerpräsident Söder, ein Oktoberfest zu ermöglichen, wenn es irgendwie geht. Doch die beiden Politiker sahen in der Absage auch die einzige Chance, dass die weltweit bekannte Marke nicht beschädigt wird.

Das Oktoberfest sei «das globalste Fest überhaupt», sagte Söder. Es sei «die grösste Visitenkarte, die Bayern abgibt». Unter den in diesem Jahr sicher nötigen «unzähligen Auflagen» würde aber diese starke Marke nur beschädigt. Ausserdem hält Söder Abstandsregeln in einer vom besonders kräftigen Oktoberfestbier angetrunkenen Menge für nicht durchsetzbar. «Es wäre auch die Gefahr, dass es zu zum Teil chaotischen Zuständen führen kann.»

Es ist in diesem Jahr erst das 26. Mal in der 211-jährigen Geschichte, dass die Wiesn abgesagt werden muss. Dass sich dies im nächsten Jahr ein weiteres Mal wiederholt, glauben weder Reiter noch Söder. Reiter sagt, sollte die Wiesn 2022 stattfinden, sei sicher auch «sofort» wieder das gewohnte Oktoberfestgefühl zurück. «Die Menschen, wenn sie wieder feiern dürfen, dann werden sie wieder feiern», glaubt der Oberbürgermeister.

Auch Söder erwartet im Fall eines Oktoberfest 2022 die bekannten Bilder mit fröhlichen Menschen in Tracht, die Bierkrüge stemmen und Lebkuchenherzen naschen. «Die Wiesn ist letztlich ein ganz grosses Fest der Lebensfreude, diese Lebensfreude kommt ganz sicher zurück.» Er glaubt auch, dass die Wirte eine «Tradition» pflegen, die den Besuchern nicht so gut schmeckt. «Dass die Wiesn stattfindet, ist wahrscheinlicher, als dass der Bierpreis sinkt», sagte Söder — üblicherweise gibt es da in jedem Jahr einen kräftigen Aufschlag.