«Mose»-Projekt Acqua Alta in Venedig – es geht um wenige Zentimeter

dpa/toko

9.12.2020 - 19:37

Hochwasser in Venedig – für die Menschen in der Lagunenstadt soll das mit «Mose» nicht mehr passieren. Doch diese Woche sind die Fluttore offenbar nicht rechtzeitig hochgefahren. Was ist schief gelaufen?

Wieder einmal mussten die Menschen in Venedig zu den Gummistiefeln greifen. Unwetter mit starkem Regen und kräftigem Wind hatten die Wassermassen am Dienstag auf die Plätze und in die Gassen der historischen Altstadt dringen lassen.

Auf dem berühmten Markusplatz wateten Menschen knietief durch die Brühe. Erst in der Nacht zu Mittwoch fuhren die Behörden das Flutschutz-System «Mose» hoch. Am Vormittag war das Wasser wieder abgeflossen.

Grossprojekt mit Makel

Eigentlich sollte die Lagunenstadt gegen «Acqua Alta», wie Hochwasser auch bezeichnet wird, sicher sein. Im Oktober war das viel kritisierte und gleichzeitig lang herbeigesehnte «Mose»-Projekt in Betrieb gegangen. An drei Zuflüssen zur Lagune können knapp 80 gelbe Barrieren aus dem Wasser gefahren werden. Diese sollen das Wasser zurückhalten und die Stadt schützen.

Fast sechs Milliarden Euro (rund 6,45 Milliarden Franken) hat das Bauprojekt gekostet und war über Jahrzehnte geplant worden. Vor etwa 17 Jahren war der erste Spatenstich. Doch Korruption, Bürokratie, fehlende Entscheidungen, politische und wirtschaftliche Eigeninteressen zögerten das Grossprojekt lange hinaus.



Am vergangenen Sonntag hatte Venedigs Bürgermeister, Luigi Brugnaro, noch den Erfolg der Fluttore gelobt. Das System sei 40 Stunden aktiv gewesen und habe zwei Hochwasserwellen von 130 Zentimetern abgewehrt, hatte er auf Twitter geschrieben. Zuvor wurde es schon einige wenige Male gegen Hochwasser in Gang gesetzt.

«Stadt sollte Entscheidung treffen»

«Mose» befindet sich immer noch in einer Art Erprobungsphase, und darüber hinaus sorgen Zuständigkeiten innerhalb der Politik für Ärger. Denn die Entscheidung, wann die Fluttore an den drei Zufahrten zur Lagune hochgefahren werden, fällt derzeit nicht die Stadt, sondern die von der Regierung in Rom bestellte Kommissarin Elisabetta Spitz. Das ärgert vor allem Brugnaro.

«Heute hat man gesehen, dass die Stadt diese Entscheidung treffen sollte», sagte er der Zeitung «La Repubblica» (Mittwoch). Der Bürgermeister von Venedig müsse diese Situationen bewerten, weil er das Problem des Hafens von Venedig kenne.

Für den Einsatz von «Mose» sind zudem die Vorhersagen der für Flutprognosen zuständigen Behörde wichtig. Am Dienstag hatte diese zunächst einen Höchststand von 125 Zentimetern über dem Normalwert prognostiziert. «Mose» wird derzeit jedoch erst ab einer Vorhersage von 130 Zentimetern aktiviert.

Ladenbesitzer verärgert

Schlussendlich hätten starke Winde aus Richtung Kroatien binnen kurzer Zeit die Wassermassen auf rund 140 Zentimeter anschwellen lassen, erklärte Brugnaro am Dienstagabend. Zu spät für «Mose», denn das Anschalten brauche einen Vorlauf von bis zu 48 Stunden.

Man könne da nicht einfach nur auf einen Knopf drücken, zitierte die Zeitung «Corriere della Sera» Kommissarin Spitz. «Man müsse das System vielleicht schon bei niedrigeren Pegelständen in einen Vor-Alarmzustand versetzen», schlug Brugnaro vor.

Verärgert von der jüngsten Überschwemmung sind die ohnehin schon von der Corona-Pandemie geplagten Ladenbesitzer, in deren Geschäfte das Wasser drang. Auch für den bei Touristen beliebten Markusdom ist das salzige Wasser Gift. Die Situation sei dramatisch gewesen, zitierten Medien den Prokurator des Doms, Carlo Alberto Tesserin. Das Wasser setze den Mosaiken zu.

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