Mit Lügen ins Land gelockt Afrikanerinnen bauen Drohnen für Moskau – ohne es zu wissen

Jan-Niklas Jäger

5.11.2025

Russland setzt für seine Angriffe in der Ukraine auf unzählige Drohnen.
Russland setzt für seine Angriffe in der Ukraine auf unzählige Drohnen.
Bild: Uncredited/AP/dpa (Symbolbild)

Ein russisches Arbeits- und Studienprogramm lockte vorwiegend afrikanische Frauen mit falschen Versprechen. Dass sie Drohnen für den Krieg in der Ukraine anfertigen, wurde ihnen nicht verraten.

Jan-Niklas Jäger

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In der russischen Sonderwirtschaftszone Alabuga werden unter anderem Drohnen für die russische Militäroffensive in der Ukraine hergestellt.
  • Im Rahmen eines Arbeits- und Studienprogrammen werden dort zahlreiche Frauen aus Afrika sowie aus Südamerika beschäftigt.
  • Dass sie Drohnen herstellen, ist vielen der Frauen nicht bewusst.
  • Alabuga wird vorgeworfen, die Frauen mit falschen Versprechungen nach Russland gelockt und für die Rüstungsindustrie instrumentalisiert zu haben.
  • Die Firma streitet die Vorwürfe ab, gibt aber zu, Drohnen zu produzieren.

Das Arbeits- und Studienprogramm der Firma Alabuga hat einiges zu bieten: eine Vollzeitanstellung in einem aus drei Feldern eigener Wahl, eine feste Bezahlung, Sprachkurse und andere Fortbildungsmöglichkeiten bietet das russische Unternehmen. Zumindest auf dem Papier.

Die Realität sieht wohl anders aus. Bereits im Mai erhob die globale Initiative gegen transnationales organisiertes Verbrechen schwere Vorwürfe: Über 300 Frauen, vorwiegend aus Afrika und Südamerika, seien nachweislich unter falschen Versprechungen in die Sonderwirtschaftszone gelockt worden.

Schätzungen zufolge sollen es deutlich mehr sein: Alleine aus Afrika ist von 1000 Arbeiterinnen die Rede. Eingesetzt wurden sie hauptsächlich zur Herstellung von Drohnen – ohne es zu wissen.

Südsudanesisches Ministerium warb für Russland

Eine der betroffenen Frauen, Adau, hat nun der BBC ihre Erfahrungen geschildert. Ihren Nachnamen oder gar ein Bild wollte die Frau nicht veröffentlicht sehen, weil sie nicht mit dem zweifelhaften Programm assoziiert werden möchte.

Auf das Programm gestossen ist Adau demnach 2023, ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, durch eine Werbeanzeige des südsudanesischen Ministeriums für Hochschulbildung, die von der russischen Regierung geschaltet worden war. Südafrika warnt seine Bevölkerung inzwischen vor dem Programm.

Wegen des komplizierten Prozesses zur Erteilung eines Visums sollte es ein weiteres Jahr dauern, bis alles geregelt war. Im März 2024 kam Adau schliesslich in Russland an. Drei Monate lang musste sie an Sprachkursen teilnehmen, ehe ihre Beschäftigung begann. In dieser Zeit war die junge Frau immer noch guter Dinge. «Ich war sehr beeindruckt», erzählt sie der BBC. «Ich habe viele Fabriken, Autos und Agrikultur gesehen.»

Die Lüge von der freien Arbeitswahl

Doch als sie ihre Stelle antrat, begannen die gebrochenen Versprechen. Von dem versprochenen Gehalt wurden mehrere Beträge abgezogen: für den Russischunterricht, Internetzugang, die Fahrt zur Arbeit. Wer seine Russisch-Hausaufgabe nicht abgab oder nicht zum Unterricht auftauchte, musste mit weiteren Kürzungen rechnen.

Eigentlich hätte Adau in einem der drei Felder arbeiten sollen, für das sie sich angemeldet hatte. Doch statt wie gewünscht in einem Turmkran, fand sie sich in einer Fabrik wieder. Zuvor, sagt sie, war ihr mehrmals von Mitarbeiter*innen versichert worden, dass Teilnehmerinnen an dem Programm nur in den drei von ihnen ausgewählten Feldern eingesetzt würden.

Um was für eine Fabrik es sich handelte, war der jungen Frau lange nicht klar. «Behauptungen, dass wir Drohnen bauen würden, fühlten sich für mich lange nach anti-russischer Propaganda an», sagt sie. Sie sei davon ausgegangen, die russische Wirtschaft brauche einfach nur afrikanische Ersatzkräfte für Arbeiten, die vor dem Krieg von Europäer*innen ausgerichtet wurden.

Nach und nach wurde Adau klar, dass sie Waffen produzierte. Plötzlich machte auch ein Vorfall Sinn, der sich zwei Wochen nach ihrer Ankunft ereignet hatte.

Ziel eines ukrainischen Angriffs

Am 2. April 2024 griff die ukrainische Armee das Gebiet an, in dem sie und andere Teilnehmerinnen an dem Alabuga-Programm untergebracht waren, an. Das Hostel neben ihrem eigenen wurde zerstört. Zu der Zeit handelte es sich um den bisher tiefsten Angriff der Ukraine auf russischem Gebiet.

Vorwürfe eines Angriffs auf Zivilist*innen wies die ukrainische Armee zurück. Er habe Produzent*innen von russischen Drohnen gegolten. Dass sie damit gemeint war, wusste Adau zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Als ihr schliesslich klar wurde, wofür sie nach Russland geholt wurde, kündigte sie ihre Stelle bei Alabuga. Weitere zwei Wochen musste sie in der Fabrik verharren, wegen einer Kündigungsfrist. In diesen zwei Wochen, sagt sie, sei sie dazu verdonnert worden, die Aussenhüllen der Drohnen mit Chemikalien zu bemalen. Dabei trug sie Verbrennungen auf der Haut davon. Die Schutzkleidung, die ihr gegeben wurde, sei nutzlos gewesen.

Alabuga gab in einem Statement gegenüber der BBC an, sein Personal mit der nötigen Schutzkleidung auszustatten. Vorwürfe von irreführenden Rekrutierungspraktiken streitet die Firma ab, nicht aber dass manche ihrer Mitarbeiter*innen für die Produktion von Drohnen eingesetzt werden.