Kolumne am Mittag Anna Nicole Smith  – Oper in Körbchengrösse D

Von Markus Wanderl

17.2.2020

Einst Star und Sternchen: Anna Nicole Smith.
Einst Star und Sternchen: Anna Nicole Smith.
Bild: Getty

Man nehme eine Berühmtheit, die bestenfalls eine Legende ist, und verfertige gegen allen Widerstand eine Oper. Und für einmal kann Anna Nicole Smith mit Marilyn Monroe locker mithalten.

Marilyn Monroe starb 36-jährig am 5. August 1962 in ihrem Haus am 5th Helena Drive in Brentwood, Los Angeles.

Die Yellow-Press-Ikone Anna Nicole Smith ging am 8. Februar 2007 39-jährig nach einem Zusammenbruch auf dem Weg ins Memorial Regional Hospital in Hollywood – jedoch jenem in Florida – von uns.

Über beider Todesursache wurde wild spekuliert, aber ich sag’s Ihnen gleich: Hier und heute bleibt das aus.

Durch und durch Opern-tauglich 

Monroe war ein Weltstar, 1999 wurde sie vom American Film Institute auf Platz sechs der grössten weiblichen amerikanischen Filmstars gewählt. Aber bitte verstehen Sie: Ich werde hier jetzt nicht Monroes komplette Vita herunterleiern, von wegen: Eigentlich war sie brünett und «Happy Birthday, Mr. President» und dies und das.



Vielmehr sei für einmal der Lebenslauf von Anna Nicole Smith exponiert. Es wird sich zeigen, dass kaum einer Opern-tauglicher ist als der ihre. Es ist vielleicht eine gewieft lancierte Anekdote, wenn es heisst, dass der Komponist Mark-Anthony Turnage und der Librettist Richard Thomas einst unabhängig voneinander auf Zetteln notierten, über welche Persönlichkeit sie gern eine Oper schreiben würden.

Und herauskam dabei? Sie ahnen es? Nein, mit Verlaub, Sie ahnen es nicht.

Das 21. Jahrhundert personifiziert

Das Royal Opera House in London war ganz und gar nicht angetan von der Idee einer Oper über Anna Nicole Smith – sie fragte deshalb an, ob man nicht stattdessen eine Oper über Marylin Monroe verfertigen könne. Sich mutmasslich des genialen Kerns seiner Aussage gar nicht bewusst, begründete Turnage sein Beharren auf ANS so: «Ihr Leben berührt so viele Dinge, es scheint fast das 21. Jahrhundert in sich zu vereinen.»

Hiesse: Das von MM zeichnete das 20. Jahrhundert nach.

Also, das Opernhafte bei Anna Nicole Smith:

Sie will sein wie Marilyn Monroe, als Mädchen schon («Marilyn ist mein Idol»).

Sie wächst in einem 700-Seelen-Kaff in der texanischen Provinz auf.

Sie wird vom Vater missbraucht. Dieser verlässt die Familie.

Sie heiratet 17-jährig den Koch eines Schnellrestaurants und wird von ihm geschwängert.

In Houston jobbt sie bei Walmart, sie will «unbedingt Schauspielerin werden», wird aber eine der umworbensten Stripperinnen der Stadt.

Sie zieht sich für den «Playboy» aus, wird später «Playmate des Jahres».

Guess heuert sie als neues Jeans-Model an, als Nachfolgerin von Claudia Schiffer.

Im «Gigi», einem Strip-Club, lernt sie J. Howard Marshall II. kennen: Öl-Milliardär, 86 Jahre alt. Er kauft ihr alles Vorstellbare («Ich liebte ihn für all das, was er für mich getan hat»).

Nach dessen Tod beansprucht sie – wie angeblich mündlich versprochen worden ist –, die Hälfte des Vermögens, kriegt aber weit weniger.

Sie frisst sich durch die Depressionen, wiegt zwischenzeitlich mehr als 100 Kilo.

Sie versucht, das Steuer herumzureissen, startet 2002 ihre eigene Realityserie: die «Anna Nicole Show».

Sie bringt auf den Bahamas eine Tochter zur Welt, Dannielynn. Vater: Howard Stern. Dieser hält die Geburt fürs Fernsehen auf Video fest.

Smiths Sohn Daniel, 20, stirbt nur drei Tage später in einem Sessel am Krankenbett der Mutter. Der Arzt stellt eine tödliche Kombination aus Methadon – das gegen Heroinsucht eingesetzt wird – und den Antidepressiva Zoloft und Lexapro fest.

Der 8. Februar 2007: Eine dunkelrote Decke hüllt den Leichnam von Anna Nicole Smith ein.

Der Vorhang ist gefallen, die Oper zu Ende.

Regelmässig gibt es werktags um 11.30 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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