Wenn Angehörige von Minderheiten viele Berührungspunkte mit gesellschaftlich Privilegierten haben, setzen sie sich weniger für die eigene Gleichstellung ein. Womöglich nehmen sie ihre Benachteiligung weniger bewusst wahr, berichten Zürcher Forschende mit Kollegen.
Wer regelmässig Kontakt mit Menschen aus benachteiligten Minderheitsgruppen hat, setzt sich eher für ihre Belange ein. So nehmen heterosexuelle Personen eher an Demonstrationen, Petitionen oder Abstimmungen für die Rechte von Homosexuellen teil, wenn sie in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis positive Begegnungen mit Personen dieser sexuellen Orientierung haben.
Auf die benachteiligten Gruppen haben solche engeren Kontakte jedoch eine ganz andere Wirkung, wie Tabea Hässler und Johannes Ullrich von der Universität Zürich mit internationalen Kollegen berichten. Haben sie Freunde oder Bekannte in gesellschaftlich privilegierten Gruppen, engagieren sie sich weniger dafür, ihre eigene Situation zu verbessern.
Fast 13'000 Personen befragt
Für ihre Studie, die im Fachblatt «Nature Human Behaviour» erschienen ist, befragte das internationale Forschungsteam fast 13'000 Personen aus 69 Ländern. Darunter waren auch Personen, die aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechteridentität gesellschaftlich benachteiligt sind, wie die Uni Zürich am Mittwoch mitteilte.
Einerseits bestätigte die Analyse der Umfrage die von Sozialwissenschaftlern wie Politikern vertretene Annahme, dass Kontakte zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen Vorurteile abbauen und gegenseitiges Vertrauen stärken. Andererseits engagieren sich dadurch die benachteiligten Gruppen weniger für ihre eigene Gleichstellung. «Immigranten beispielsweise, die viele Berührungspunkte mit Menschen ihres Gastlandes haben, sind sich ihrer Benachteiligungen möglicherweise weniger bewusst», liess sich Hässler in der Mitteilung zitieren.
Benachteiligung offen diskutieren
Um dem entgegenzuwirken, sollten im Austausch zwischen verschiedenen sozialen Gruppen nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Benachteiligungen offen diskutiert werden, betonen die Forschenden.
Auch wenn sich benachteiligte Gruppen durch den Kontakt offenbar weniger für die eigenen Rechte engagieren, so stiegt bei ihnen laut der Studie jedoch ebenfalls die Bereitschaft, sich solidarisch für mehr soziale Gerechtigkeit einzusetzen. «Dieser Wille, solidarisch zusammenzuarbeiten, vereint Personen aller Gruppen», so Ullrich. Dies könne ein Weg zu sozialem Wandel und mehr Gleichberechtigung aufzeigen.
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