Fall KümmertshausenBandenboss muss 14 Jahre ins Gefängnis
SDA
12.3.2018 - 11:28
Im "Fall Kümmertshausen" hat das Bezirksgericht Kreuzlingen am Montag die Endurteile gefällt: Der Bandenboss wird zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt, der 48-jährige Iraker wird nicht verwahrt. Der "Kronzeuge" muss 7,5 Jahre ins Gefängnis.
Der 39-jährige Türke war zur Tatzeit als Polizeispitzel tätig. Er soll dabei gewesen sein, als im November 2010 im thurgauischen Kümmertshausen ein 53-jähriger IV-Rentner getötet wurde.
Das Bezirksgericht Kreuzlingen machte den "Kronzeugen" für den Tod des Rentners mitverantwortlich und verurteilte ihn wegen eventualvorsätzlicher Tötung durch Unterlassung. Am Montag wurde das Strafmass bekannt: Das Gericht verurteilte den 39-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren. Die Anklage hatte 9 Jahre und 4 Monate gefordert.
Tod in Kauf genommen
Der Beschuldigte habe den Tod des IV-Rentners zwar nicht aktiv beabsichtigt, er sei aber untätig geblieben, sagte der vorsitzende Richter Thomas Pleuler am Montag im Kreuzlinger Rathaus: "Sie haben den Tod des Opfers in Kauf genommen."
Der Raub und die qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz seien straferhöhend. Er habe zwar mit dem Behörden kooperiert, jedoch kein Geständnis abgelegt, so Pleuler.
Die Anklage hatte ins Feld geführt, der Bandenboss und zwei weitere Türken hätten den IV-Rentner beseitigen lassen. Die drei Mitangeklagten waren im Januar in einem Teilurteil zu den Straftatbeständen jedoch vom Gericht vom Vorwurf der vorsätzlichen Tötung freigesprochen worden.
Schuldsprüche gab es wegen Anstiftung und Gehilfenschaft zu Raub, qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, qualifizierten Erpressungen, Menschenschleusungen sowie Widerhandlungen gegen das Waffengesetz.
Der Drahtzieher, ein 48-jähriger Iraker, wurde zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Das Gericht blieb damit deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 19 Jahre und eine Geldstrafe gefordert hatte. Die Verteidigung forderte eine Freiheitsstrafe von 6,5 Jahren.
Andere die schmutzige Arbeit machen lassen
Das Bild des Bandenbosses decke sich nur teilweise mit dem Bild, dass sich das Gericht vom 48-Jährigen gemacht habe. "Sie hatten aber das Sagen und liessen andere die schmutzige Arbeit erledigen", sagte der vorsitzende Richter. Die Höhe der Strafe begründete das Gericht auch mit fehlender Einsicht.
Dem Antrag auf Verwahrung kam das Bezirksgericht Kreuzlingen nicht nach. Aufgrund des Freispruchs von der vorsätzlichen Tötung seien die Voraussetzungen dafür nicht mehr erfüllt.
Gegen die beiden Türken, 54 und 47 Jahre alt, welche ebenfalls mit dem Tötungsdelikt in Verbindung gebracht wurden, sprach das Gericht Freiheitsstrafen von 30 Monaten, 20 davon bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren, beziehungsweise 8,5 Jahren aus.
Der 54-Jährige, der die Beute bei sich zuhause gelagert hatte, sass bereits seit über drei Jahren und acht Monaten in Untersuchungs- und Sicherungshaft. Er sei aber kein naives Unschuldslamm, sagte der Richter. Für die "Überhaft" wurde der Mann mit einer Genugtuung von 60'000 Franken entschädigt.
Sein 47-jähriger Komplize wurde wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und versuchter qualifizierter Erpressung sowie Nötigung verurteilt. Der Beschuldigte schrecke vor fast nichts zurück, so Thomas Pleuler.
Berufung ans Obergericht
Das Tötungsdelikt geschah vor mehr als sieben Jahren. Ein 53-jähriger IV-Rentner war tot in seinem Einfamilienhaus in einem abgelegenen Weiler in Kümmertshausen TG gefunden worden. Er war durch eine brutale Knebelung gestorben. Die Tat gab vorerst Rätsel auf.
Während der Strafuntersuchung stiess die Polizei auf eine kriminelle Organisation aus türkisch-kurdischen Kreisen. Laut Anklageschrift lebten deren Mitglieder vom Drogenhandel, von Erpressungen und Menschenschmuggel.
Im "Fall Kümmertshausen" war 14 Mitgliedern der kriminellen Band seit über einem Jahr der Prozess gemacht worden. Am Montag eröffnete das Bezirksgericht Kreuzlingen die Endurteile.
Es sei ein schwieriges Jahr gewesen, sagte der vorsitzende Richter in seinem Schlusswort. Einiges bleibe weiterhin unklar, vieles bleibe unverständlich und sinnlos, vor allem der Tod des IV-Rentners. In der Türkei sitzt noch ein weiterer Verdächtiger im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt in Haft. Er kann nicht in die Schweiz ausgeliefert werden.
Der Fall wird die Thurgauer Justiz wohl noch weiter beschäftigen: bereits vor Ende der Verhandlungen hatte der Verteidiger des "Kronzeugen" angekündigt, in Berufung zu gehen. Die Staatsanwaltschaft will Berufung anmelden, um sich alle Optionen offen zu halten.
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