Sexuelle Übergriffe häufen sich Berlin will Frauenwaggons im ÖV einführen – und die Schweiz?

Von Lea Oetiker

14.11.2024

Berlin: Sicherheit in U-Bahnen – Grüne schlagen Frauen-Abteile vor

Berlin: Sicherheit in U-Bahnen – Grüne schlagen Frauen-Abteile vor

Berlin, 13.11.2024: Eigene U-Bahn-Waggons nur für Frauen? Die Berliner Grünen schlagen vor, zu manchen Zeiten einige U-Bahnwagen in Berlin für weibliche Fahrgäste vorzubehalten. Damit wollen sie die Sicherheit für Frauen erhöhen. O-Ton Antje Kapek, Grüne, Sprecherin für Verkehrspolitik «Es gibt eine sehr schöne Idee, die ich aus Tokio abgeguckt habe, wo man in den Abendstunden spezielle Frauen-Abteile eingerichtet hat.» Hintergrund des Vorschlags ist eine Vergewaltigung im Frühjahr dieses Jahres in einer Berliner U-Bahn. O-Ton Antje Kapek, Grüne, Sprecherin für Verkehrspolitik «Erstens in der Rush Hour, wenn es besonders eng ist, ist es auch oft besonders unangenehm und das Beispiel des Angrabschens ist nicht nur aus Tokio, sondern leider auch aus Berlin bekannt. Und gleichzeitig stellen wir fest, dass wenn es immer weniger Fahrgäste in den Zügen gibt, gerade in den späteren Abendstunden, die Gewalt gegenüber Frauen zunimmt.» Bisher handelt es sich lediglich um eine Idee im Landesverband der Grünen. Einen Gesetzesvorschlag gibt es dazu bisher nicht. Was halten Frauen von dem Vorschlag? O-Töne Umfrage «Auf der anderen Seite finde ich es schade, wenn Frauen sich abgrenzen müssen räumlich, um sich sicher zu fühlen, weil für mich spricht das nicht für eine emanzipierte Gesellschaft, die wir sein sollten.» «Ich finde es erstmal prinzipiell gut, wenn man abends unterwegs ist, habe ich auch schon Situationen erlebt, wo ich mich nicht so sicher gefühlt habe.» «Ob das nun der richtige Weg ist oder das richtige Mittel, ist vielleicht fraglich. Eigentlich muss man ja schauen, wie man daran kommt, dass weniger Gewaltdelikte entstehen.» Die Berliner Verkehrsbetriebe sehen den Vorschlag skeptisch und halten die bisherigen Sicherheitsvorkehrungen in ihren Fahrzeugen für ausreichend.

14.11.2024

In Berlin will man in U- und S-Bahnen Frauenwaggons einführen. Grund dafür: Immer häufiger haben sich Frauen nicht mehr getraut, abends allein den ÖV zu nehmen. Und was unternimmt die Schweiz?

Von Lea Oetiker

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Berlin will Frauenwaggons in der U- und S-Bahn einführen. Grund dafür: Immer mehr Frauen getrauen sich am Abend nicht mehr, den ÖV zu nehmen.
  • Auch in der Schweiz kommt es immer wieder zu sexuellen Übergriffen im ÖV.
  • blue News fragt bei den SBB und VBZ nach – kommen auch hierzulande bald Frauenwaggons?

Als Frau bist du irgendwie immer auf der Hut. Soll man abends durch die Unterführung laufen? Kopfhörer rein oder raus, wenn es bereits dunkel ist? Wer sitzt im Zug neben mir?

Mit letzterer Frage befasst sich aktuell die deutsche Hauptstadt Berlin. Denn immer häufiger haben sich Frauen nicht mehr getraut, abends allein die U- und S-Bahn zu nehmen. Grüne-Verkehrs-Expertin Antje Kapek will deshalb extra Waggons einrichten, die nur für Frauen gedacht sind. Auch in der japanischen Hauptstadt Tokio wird es so gemacht.

Es soll explizit markierte Zonen mit Notrufsäulen und Videoüberwachung auf den Bahnsteigen geben. Und einige Waggons, die ausserhalb von Stosszeiten nur von Frauen genutzt werden können. «Entweder direkt hinter dem Fahrer oder am Ende des Zuges, wenn es wie in Tokio einen zweiten mitfahrenden Fahrer gibt», sagt Kapek in einer Mitteilung.

Berlin will Frauenwaggons einführen, da sich die sexuellen Übergriffe in den vergangenen Jahren gehäuft haben. 
Berlin will Frauenwaggons einführen, da sich die sexuellen Übergriffe in den vergangenen Jahren gehäuft haben. 
Bild. Keystone

In den letzten zehn Jahren sei der Anteil von Sexualdelikten im Berliner öffentlichen Verkehr (ÖV) um 260 Prozent gestiegen. Letztes Jahr waren es 391 Delikte. 89 Prozent der Opfer waren weiblich und 90 Prozent der Täter Männer.

Ein Drittel der jungen Frauen wurde im ÖV in der Schweiz schon sexuell belästigt

Und in der Schweiz? Auch hierzulande kommt es immer wieder zu sexuellen Übergriffen im ÖV. Im Februar wurde bekannt, dass über ein Drittel aller jungen Frauen schon einmal im ÖV sexuell belästigt worden sind. Das gaben die Meldestellen «Bern schaut hin» und «Zürich schaut hin» bekannt.

Dabei handle es sich um anzügliche Gesten, verbale Äusserungen oder Berührungen. Es gehe nicht um strafrechtlich relevante Gewaltdelikte, sagte Regula Bühlmann von der Fachstelle für Gleichstellung von Mann und Frau der Stadt Bern.

Im September veröffentlichten die SBB eine Umfrage, die zeigt, dass 1400 ihrer Mitarbeiterinnen bereits sexuell belästigt wurden.

Keine Frauenabteile oder -waggons in der Schweiz geplant

«Die Einführung spezieller Frauenabteile oder -waggons ist derzeit nicht geplant», schreiben die SBB auf Anfrage von blue News. In einer kürzlich durchgeführten Kundenbefragung der SBB zu den Bedürfnissen sowie ausgewerteten Kundenrückmeldungen gab es keine Forderung von speziellen Frauenabteilungen oder -waggons.

Weiter schreiben die SBB: «Es ist uns wichtig, dass die Bahnkundinnen und Bahnkunden sich in Bahnhöfen und Zügen sicher und wohlfühlen. Die Sicherheit in den Zügen wird von den Reisenden auch als hoch eingestuft.»

Trotzdem könne es im Reisealltag zu Vorfällen kommen, die eine negative Auswirkung auf das Sicherheitsgefühl haben können. «Wir empfehlen Reisenden, sich in solchen Situationen an unser Personal zu wenden oder in Notfällen die Transportpolizei zu rufen», schreiben die SBB.

Zudem würden moderne Züge über Notfallknöpfe verfügen, welche sich unter anderem im Eingangsbereich der Wagons befinden. Durch die Betätigung des Knopfs werde eine direkte Verbindung zur Einsatzzentrale der Transportpolizei aufgebaut.

Zudem setzte die SBB rund 2400 Kameras an Bahnhöfen und 22'300 Kameras in Zügen ein. Seit September trägt die Transportpolizei auch Bodycams als deeskalierende Massnahme. «Wir schulen unsere Mitarbeitenden im Umgang von heiklen Situationen, welche sie selbst oder Kunden betreffen. Die Befähigung zum Umgang mit schwierigen Situationen wie beispielsweis einer sexuellen Belästigung oder eines Übergriffs ist Teil der Ausbildung und wird perspektivisch auch noch verstärkt», schreibt die SBB.

Viele Massnahmen im Kraft um Sicherheit zu gewährleisten

blue News fragt auch bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) nach: «Während eines Jahres – von Februar 2023 bis Februar 2024 – haben sich die VBZ mit einem Präventionsbus auf der Linie 32 in Zürich sowie mit zusätzlichen Plakaten am städtischen Projekt ‹Zürich schaut hin› gegen sexuelle, sexistische und homo- und transfeindliche Belästigungen im öffentlichen Raum beteiligt.»

Ziel war es, die Öffentlichkeit für sexuelle, sexistische und homo- und transfeindliche Belästigungen zu sensibilisieren und Handlungsoptionen aufzuzeigen.

Um die Sicherheit auf dem VBZ-Netz zu gewährleisten, seien zudem aktuell viele Massnahmen in Kraft. Beispielsweise würden Kundenberater*innen, welche Fahrausweiskontrollen durchführen, regelmässig Deeskalationstrainings durchführen und von Coaches im Team begleitet.

Frauenwaggons ernten auch Kritik

Im Jahr 2016 diskutierte auch Australien über die Einführung von Frauenwaggons im ÖV. Die Idee wurde aber eher kritisiert als gelobt. Radiomoderator Ben Fordham sagte beispielsweise dazu: «Ich finde die Idee, dass Frauen vor jemandem wie mir beschützt werden müssen, wirklich sehr, sehr seltsam.»

Sowohl Frauen als auch Männer würden anderen schlimme Dinge antun, also solle man sich lieber generell auf die Bestrafung der Täter und Täterinnen konzentrieren. Eine Userin auf Twitter schrieb, dass die Frauen als potenzielle Opfer die Leidtragenden seien und schlug reine «Männerwaggons» vor.


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