Justiz Berner Hausbesetzende kommen mit bedingten Geldstrafen weg

hn, sda

17.6.2021 - 12:08

Bei der Räumung einer besetzten Liegenschaft ist es 2017 in Bern zu gewalttätigen Randalen gekommen. 16 Besetzerinnen und Besetzer standen nun drei Wochen vor Gericht. (Archivbild)
Bei der Räumung einer besetzten Liegenschaft ist es 2017 in Bern zu gewalttätigen Randalen gekommen. 16 Besetzerinnen und Besetzer standen nun drei Wochen vor Gericht. (Archivbild)
Keystone

Das Regionalgericht Bern hat am Donnerstag 16 Hausbesetzerinnen und -besetzer wegen Hausfriedensbruchs mehrheitlich zu bedingten Geldstrafen verknurrt. Freigesprochen wurden die Angeklagten vom Vorwurf der Drohung und Gewalt gegen Beamte.

Keystone-SDA, hn, sda

Der Freispruch in diesem Punkt erfolgte aufgrund eines Beweisnotstands, wie die Einzelrichterin in ihrer Urteilsbegründung ausführte. Dass es am Morgen der polizeilichen Räumung der Liegenschaft zu Gewalt kam und diese von den Hausbesetzerinnen und -besetzern ausging, daran liess die Richterin keinen Zweifel aufkommen.

Gewalt sei eine «moralische Totalbankrotterklärung», wandte sie sich energisch an die 16 Angeklagten. So etwas wie an jenem Morgen im Februar 2017 an der Berner Effingerstrasse dürfe sich nie mehr wiederholen.

Doch letztlich war für das Gericht nicht mit Sicherheit erstellt, wer im Innern des Gebäudes gewaltsam Widerstand gegen die Polizei geleistet hatte. So gab es denn für das Gericht auch glaubhafte Aussagen einzelner Angeklagter, die das Gebäude eigentlich hätten verlassen wollen, aber von der Räumung der Polizei überrascht worden waren. Ein Entkommen aus dem Haus habe es nicht mehr gegeben.

Hätte die Polizei den Besetzenden am Morgen der Räumung eine kurze Frist eingeräumt, um die Liegenschaft noch zu verlassen, wäre die Beweislage viel einfacher gewesen, kam die Richterin zum Schluss.

So aber kamen die 16 Personen, die bei der Räumung angehalten wurden, lediglich mit einer Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs davon. Die Richterin sprach mit einer Ausnahme bedingte Geldstrafen von mehreren Dutzend Tagen zu 30 Franken aus. In einem Fall fiel die Geldstrafe unbedingt aus.

Dazu kamen in vielen Fällen noch Verbindungsbussen von über 200 Franken. Auf alle Angeschuldigten wurden zudem Verfahrenskosten überwälzt – rund 2450 Franken pro Person.

Riesiger Aufwand

Damit kam am Donnerstag eine rund dreiwöchige Gerichtsverhandlung zu ihrem Abschluss. Stundenlang war plädiert, hartnäckig geschwiegen, tausende Seiten Akten gewälzt und taktiert worden. Staatsanwaltschaft und Verteidigung schenkten sich nichts.

Die Anklage warf den Besetzerinnen und Besetzern massive Gewaltanwendung gegen die vorrückenden Polizeikräfte vor. So etwas hätten sie noch nie erlebt, sagten mehrere Einsatzkräfte vor dem Gericht.

Laut Anklageschrift hatte das Besetzerkollektiv den Zugang zur Liegenschaft verbarrikadiert. Als die Polizei anrückte, flogen Gegenstände wie Ziegelsteine, Geschirr und eine Holztüre aus dem Haus gegen die Polizisten.

Im Innern sprühten die Besetzer die Einsatzkräfte mit Schaum- und Staubfeuerlöschern ein. Feuerwerk explodierte in unmittelbarer Nähe der Polizisten. Einer wurde von einer Rakete am Visier getroffen, etwa auf Augenhöhe, wie der Anklageschrift zu entnehmen ist. Mehrere leiden bis heute an Gehörschäden.

Die Polizei setzte gegen die Besetzer Gummischrot ein, wie seinerzeit ein Journalist der Nachrichtenagentur Keystone-sda vor Ort feststellte.

Die Verteidigung liess ihrerseits kein gutes Haar am Polizeieinsatz. Die Polizistinnen und Polizisten seien unverhältnismässig gegen das Besetzerkollektiv vorgegangen.

Auch die Verteidigung bestritt nicht, dass Feuerwerk und Mobiliar Richtung Polizei geflogen war. Doch niemand wisse, wer was getan habe. Die Besetzerinnen und Besetzer hüllten sich während des gesamten Prozesses in Schweigen.

Ihr Urteil wollte die Einzelrichterin «mitnichten als Freipass für Hausbesetzungen» verstanden wissen, wie sie eindringlich betonte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann an die nächsthöhere Instanz weitergezogen werden.