BundesgerichtBeschwerden wegen Diskriminierung werden häufig abgelehnt
SDA
21.1.2021 - 11:16
Beschwerden wegen Geschlechterdiskriminierung werden am Bundesgericht in den meisten Fällen abgelehnt. Die meisten Beschwerden stammen aus dem Gesundheitswesen.
Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau (EBG) hat untersucht, wie erfolgreich Beschwerden wegen Geschlechterdiskriminierung am Bundesgericht sind. Die Studie zeigte, dass von 81 Fällen knapp ein Drittel gutgeheissen wurde.
Insgesamt 55 dieser Beschwerden wurden wegen Lohnungleichheit eingereicht, wovon wiederum 60 Prozent abgelehnt wurden, wie das EBG am Donnerstag mitteilte. Analysiert wurden 81 Bundesgerichtsurteile aus den Jahren 2004 bis 2019.
Die Beschwerden, die Betroffene wegen sexueller Belästigung einreichten, wurden in fast 70 Prozent abgelehnt. Dabei sind gemäss Bericht in etwas mehr als der Hälfte der Fälle die geschilderten Situationen nicht als «belästigend» oder «unerwünscht» beurteilt wurden. So würden gemäss Bericht etwa Sprüche, E-Mails, Geschenke, oder Einladungen nicht ausreichen, um sexuelle Belästigung gerichtlich als erwiesen zu definieren.
24 von 81 Beschwerden im Gesundheitswesen
Insgesamt wird gemäss der Studie die Beschwerde einer Mitarbeiterin in «lediglich» 27 Prozent der Fälle gutgeheissen. Ein Gutheissen bedeute jedoch nicht immer, dass die Frau den Prozess gewonnen habe. Das Bundesgericht weise die Sache nämlich häufig zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück. Die Studienautoren merken an, dass in den meisten dieser Fälle das Endergebnis unbekannt bleibe, weil es schwierig sei, die neuen kantonalen Entscheide zu ermitteln.
Am häufigsten führten die Umstände im Gesundheits- oder Bildungswesen zu Beschwerden. In den 16 Jahren behandelte das Bundesgericht 24 Beanstandungen aus dem Gesundheits- und 19 aus dem Bildungswesen, 17 Beschwerdeführerinnen waren im Dienstleistungssektor tätig.
In den meisten Fällen (51 Beschwerden) ging es um das öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnis, in 30 um privatrechtliche. Die Studienautoren erklären dies dadurch, dass das finanzielle Risiko und das Risiko des Arbeitsplatzverlustes für Mitarbeitende im öffentlichen Dienst geringer zu sein scheine.
Häufig waren die Frauen, die eine Beschwerde eingereicht haben, älter als 50 Jahre. Anlass für eine Beschwerde gaben neben sexueller Belästigung (14 Fälle) und Rachekündigungen auch die diskriminierende Entlassung wegen Schwangerschaft, Mutterschaft oder der familiären Situation. Auch die Geschlechtsidentität und die sexuelle Orientierung führten zu Beschwerden. Sechs der 81 Beschwerden wurden von Männern eingereicht.
Zugang zur Justiz erleichtern
Das Büro für Gleichstellungsfragen empfiehlt unter anderem, den Arbeitnehmenden den Zugang zur Justiz bei Diskriminierungen im Erwerbsleben zu erleichtern. Zudem sollen auch Verbände bessere Bedingungen haben, um Beschwerden einzureichen.
Bei der Beurteilung des Falls war die Zusammensetzung der Richter mehrheitlich – in 51 von 81 Fällen – gemischt. In 19 Fällen sassen nur Männer im Entscheidgremium, in elf Fällen nur Frauen. Es könne aber keine Verbindung zwischen der Zusammensetzung und dem Entscheid gemacht werden.
Die Beschwerden stammten mehrheitlich aus den Kantonen Zürich und Genf, die über grosse städtische Zentren verfügen. Sie wurden auf Basis des Gleichstellungsgesetzes (GIG) beurteilt. Es trat 1996 in Kraft und verbietet Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben.