Antisemitische Verschwörungstheorien haben durch die Corona-Pandemie erneut Aufwind bekommen und für einen Anstieg antisemitischer Vorfälle im Jahr 2021 geführt. Insgesamt wurden 859 Fälle gemeldet. Online kam es zu einer Steigerung von 66 Prozent.
trm, sda
22.02.2022, 00:59
SDA
Die Corona-Pandemie habe sich als Trigger fast über das ganze vergangene Jahr ausgewirkt und verstärke die gesellschaftlichen Gräben, heisst es im Antisemitismusbericht 2021 des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) und der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA).
Wie schon im Jahr zuvor hätten insbesondere antisemitische Verschwörungstheorien mit Bezug zur Pandemie grosse Verbreitung gefunden. Die Corona-Pandemie verleite offenbar viele Menschen dazu, einen vermeintlichen Sündenbock für die Situation zu finden, so der Bericht.
In der realen Welt gab es laut dem Bericht 53 Vorfälle (Vorjahr 47), darunter vor allem antisemitische Aussagen (49 Prozent), Beschimpfungen (30 Prozent) und Schmierereien (13 Prozent). Zu einer Sachbeschädigung kam es im Februar 2021 bei der Synagoge in Biel BE. An der Türe waren ein Hakenkreuz und antisemitische Parolen eingeritzt worden.
Der Anteil der coronabezogenen online registrierten Vorfälle erhöhte sich stark und nahm gegenüber dem Vorjahr um 66 Prozent auf 806 Vorfälle zu (2020: 485), wie es weiter hiess. Der grösste Teil davon stamme vom Messengerdienst Telegram (61 Prozent) und dem Kurznachrichtendienst Twitter (28,2 Prozent). Bei 51 Prozent gehe es um antisemitische Verschwörungstheorien, bei 37 Prozent um allgemeinen Antisemitismus.
Häufung auf Telegram
Besonders im Umfeld von bei Massnahmengegnerinnen und -gegnern sei eine Vielzahl von Verschwörungen, Bildern und Aussagen mit antisemitischen Inhalten verbreitet, insbesondere in einschlägigen Chats des Kommunikationsdienstes Telegram, bilanziert der Bericht. Dort seien 451 antisemitische Vorfälle aus acht verschiedenen Chats der «Corona-Rebellen» registriert worden (Vorjahr 135). Diese Chats zögen Personen mit antisemitischen Haltungen an, «die auch dort ihre «kruden Vorstellungen verbreiten», heisst es im Bericht.
Ein ernstzunehmendes Problem seien bei der Corona-Massnahmen-Gegnerschaft auch Vergleiche zum nationalsozialistischen Regime sowie zur Schoah. Bekanntestes Beispiel dafür seien zur Schau getragene gelbe Judensterne an Demonstrationen, unter anderem bei der Einführung des Covid-Zertifikats.
Die Vergleiche sind laut Mitteilung zwar nicht per se antisemitisch, sie führen aber in ihrer Häufung zu einer Abschwächung und gewissen Verharmlosung des Holocausts. Entsprechend rufen SIG und GRA wiederholt dazu auf, solche Vergleiche zu unterlassen.
Durch Strafanzeigen des SIG oder der GRA kam laut Bericht 2021 zu sechs Verurteilungen von rechtsextremen und antisemitischen Personen.
Prävention und Bildung
Die Situation zum Antisemitismus in der Schweiz verlange nach Massnahmen, um ein weiteres Erstarken antisemitischer Haltungen zu verhindern, hiess es weiter. Neu beinhaltet der Bericht auch Empfehlungen und Forderungen. Unter anderem sollen, um dem Antisemitismus den Nährboden zu entziehen, Prävention und Bildung ausgebaut werden.
Die Umfrage «Zusammenleben in der Schweiz» 2020 habe ergeben, dass 22 Prozent der Schweizer Bevölkerung den gängigen Stereotypen über jüdische Menschen vollständig zustimmen würden.
Die Situation in der Westschweiz wird in einem eigenen Bericht erhoben. Die SIG-Meldestelle registriert auch antisemitische Vorfälle aus der italienischsprachigen Schweiz. Dort würden jedoch nur vereinzelt Ereignisse gemeldet.
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