Nach dem Vulkanausbruch La Palma gleicht einer Mondlandschaft

dpa/toko

26.12.2021 - 16:25

Ein Haus innerhalb einer Sperrzone in Tacande ist mit Asche bedeckt. Nach rund drei Monaten wurde der Vulkanausbruch für beendet erklärt.
Ein Haus innerhalb einer Sperrzone in Tacande ist mit Asche bedeckt. Nach rund drei Monaten wurde der Vulkanausbruch für beendet erklärt.
Cézaro De Luca/EUROPA PRESS/dpa

Der Alptraum auf La Palma ist endlich vorbei. Nach rund drei Monaten wurde der Vulkanausbruch für beendet erklärt. Die 85'000 Bewohner dürfen aufatmen. Bei vielen Betroffenen weicht die Freude aber schnell der Skepsis.

26.12.2021 - 16:25

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez freute sich auf Twitter über «das beste Weihnachtsgeschenk» – und die rund 85 000 leidgeprüften Bewohner La Palmas durften endlich aufatmen. Nach rund drei langen Monaten und pünktlich zum Christfest wurde der Vulkanausbruch auf der kleinen Kanaren-Insel für beendet erklärt. Man sei «erleichtert», dass die «grösste Katastrophe der Kanaren» vorbei sei, sagte Julio Pérez von der Regionalregierung am ersten Weihnachtstag bei seiner offiziellen Mitteilung. Die Regionalzeitung «Canarias7» jubelte: «Der Alptraum ist vorbei.»

Diesen Augenblick hatten die «Palmeros» seit dem 19. September herbeigesehnt. An jenem Tag hatte sich die Erde im Süden der kleinen Atlantik-Insel vor der Westküste Afrikas um 14.10 Uhr (15.10 MESZ) mit einer gewaltigen Explosion geöffnet – und Lava, Rauch und Asche wurden Hunderte Meter in die Höhe geschleudert.

Am 13. Dezember wütete der Vulkan in einer Art Abschlussvorstellung noch einmal besonders heftig, um dann am Abend plötzlich zur Ruhe zu kommen. Seither treten nur noch Gase aus, die gewaltigen explosionsartigen Entladungen, der Ausfluss von Lava und die Erschütterungen im Vulkankegel hörten alle auf. «Ich zähle die Stunden, bis sie diesem Drachen die Sterbeurkunde ausstellen», sagte der Priester Domingo Guerra kürzlich der Zeitung «El País».

Zwei Frauen schauen auf den Vulkan Cumbre Vieja, vom Aussichtspunkt Tajuya aus.
Zwei Frauen schauen auf den Vulkan Cumbre Vieja, vom Aussichtspunkt Tajuya aus.
Cézaro De Luca/EUROPA PRESS/dpa

Wie eine Mondlandschaft

Die Bilanz des mit einer offiziellen Dauer von gut 85 Tagen längsten Vulkanausbruchs in der bekannten Geschichte La Palmas ist verheerend. Rotglühend wälzte sich die mehr als 1000 Grad heisse Lava durch das dicht besiedelte Tal von Aridane Richtung Meer, wo sich zwei insgesamt rund 50 Hektar grosse Landzungen bildeten. Die Menschen mussten hilflos mitansehen, wie fast 2900 Wohnhäuser und andere Bauten sowie grosse Bananenplantagen, Avocadobäume und Weinreben in Zeitlupe zermalmt und verbrannt wurden. Rund 1200 Hektar sind nun mit einer meterdicken Lavaschicht bedeckt, die nur langsam auskühlt. Die Fläche entspricht rund 1700 Fussballfeldern.

Teile der Insel wirken wie eine Mondlandschaft, aus der Asche ragen hier und da nur noch die Schornsteine verschütteter Häuser heraus. Mehr als 7000 Bewohner mussten in Sicherheit gebracht werden, die Schäden werden auf mehr als 900 Millionen Euro geschätzt.

Vulkanausbruch auf La Palma offiziell für beendet erklärt

Vulkanausbruch auf La Palma offiziell für beendet erklärt

Die spanischen Behörden haben den Ausbruch des Vulkans Cumbre Vieja auf der Ferieninsel La Palma für beendet erklärt. Der Vulkan war am 19. September ausgebrochen; seine Lava hat grosse Teile der Insel verwüstet.

25.12.2021

La Palma ist die jüngste Kanaren-Insel. Wie die bekannteren Touristen-Hochburgen Teneriffa und Gran Canaria ist auch sie vulkanischen Ursprungs. Für die Bewohner kam der Ausbruch nicht wirklich überraschend. Immer häufigere Erdbeben während der Jahre und Monate vor dem Ausbruch hatten das Unheil angekündigt.

«Uns war klar, dass das Ding irgendwann hochgeht. Nur dachten wir, dass der Vulkan weiter südlich ausbrechen würde», erinnert sich die Auswanderin Kathrin Gouffran. Am 19. September musste sie dann wie Tausende Nachbarn Hals über Kopf aus ihrem Haus in Todoque fliehen, das bald darauf wie fast der gesamte Ort ein Raub der Lava wurde.

«Stärker als der Vulkan»

Daran, die Insel nun etwa zu verlassen, denkt die 52-jährige aus Berlin, die schon seit 20 Jahren auf La Palma lebt, aber genauso wenig, wie die meisten Bewohner der Vulkaninsel. «Stärker als der Vulkan», unter diesem Motto meisterten die Menschen monatelang die Krise, halfen sich gegenseitig und hoffen nun auf einen Neuanfang. «Ich liebe die Insel und ihre Menschen, die so hilfsbereit sind, dass es mich total überwältigt hat», sagt Gouffran.

Noch aber treten Gase aus dem Vulkan aus. Die sind gesundheitsschädlich – und die Behörden warnen deshalb alle, die zu ihren Häusern in der Nähe des Vulkans zurückkehren, etwa um Asche zu beseitigen oder wichtige Gegenstände zu sichern, sie sollten die Gebäude vorher mindestens 15 Minuten gut lüften. Der Vulkanausbruch sei zwar vorbei, aber der Notstand noch nicht, betonte Pérez.

Auch die Ungewissheit ist noch lange nicht vorbei. Da weicht die Freude bei einigen «Palmeros» schnell dem bangen Blick in die Zukunft. Einige befürchten sogar, dass das Ende des Vulkanausbruchs womöglich auch negative Folgen haben könnte. «Ich frage mich, was mit uns Betroffenen passieren wird, jetzt, wo das keine grosse Nachricht für die Medien mehr sein wird», wurde die Kosmetikerin Davinia González am Sonntag auf Seite eins der Zeitung «El País» zitiert. Ihr Haus in Todoque wurde am 28. September von der Lava verschüttet. «Aussagen wie diejenigen von Davinia González hört man überall auf der Insel», erzählt ein Reporter des Blattes.

Sánchez versprach, man werde «die wunderbare Insel La Palma wiederbeleben und die entstandenen Schäden beseitigen.» Auch der Regionalpräsident Ángel Víctor Torres sicherte «schnelle Hilfe» zu. Die Menschen sind derweil skeptisch. Sehr skeptisch. Für Montag rief ein Zusammenschluss von Betroffenen zu einer Kundgebung auf, bei der man der Forderung nach schnelleren Hilfsleistungen mehr Nachdruck verleihen will. «Ich habe etwas Hilfe von der Gemeinde bekommen, aber vom Staat erwarte ich ehrlich gesagt nichts. Ich traue denen nicht», sagte Davinia González.

dpa/toko