Sie erklingen am Rande von Weihnachtsmärkten und schaffen feierliche Stimmung in Konzertsälen: Posaunenklänge können Gänsehaut erregen, vor allem bei historischen Exemplaren aus der Romantik. Deren legendärer Klang entsteht nun im Rahmen eines Forschungsprojekts neu.
Welchen Klang hatten Brahms, Schumann oder Rossini im Ohr, als sie ihre Kompositionen für Posaune schrieben? Sehr wahrscheinlich den weichen, vollen Ton der «Deutschen Romantischen Posaune», die im 19. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum und teils auch in Italien beliebt war.
Heutige Posaunen klingen ganz anders, doch unter Musikerinnen und Musikern regt sich der Wunsch, den Klang von damals wieder auferstehen zu lassen. Doch die historischen Instrumente sind rar.
Der Instrumentenbauer Rainer Egger in Basel will Abhilfe schaffen mit möglichst originalgetreuen Replikaten von Posaunen aus der Epoche der Romantik. Hilfe dabei bekommt er im Rahmen eines Forschungsprojekts mit dem Titel «The Sound of Brass» von der Forschungsanstalt Empa und der Hochschule der Künste Bern.
Egger ist auf historisch-informierten Instrumentenbau spezialisiert und ist überzeugt, dass der Schlüssel zum einmaligen Klang der Romantischen Posaune in Material und Fertigungstechnik steckt. Aber woraus bestehen die historischen Instrumente genau und welche Beschaffenheit haben die einzelnen Teile?
Historische Instrumente analysiert
Dieser Frage ist Materialforscher Martin Tuchschmid von der Empa nachgegangen und hat 64 Exemplare aus historischen Sammlungen im Detail untersucht, unter anderem aus dem Musikinstrumentenmuseum Basel. Davon berichtete die Empa in ihrem Magazin «Empa Quarterly».
Um die Materialliste zu entschlüsseln, die in den Posaunenbestandteilen steckt, nutzten die Forschenden um Tuchschmid die sogenannte energiedispersive Röntgenfluoreszenzspektrometrie. Dabei werden die historischen Instrumente nicht beschädigt.
Das Ergebnis lässt sich sehen: Die Instrumentenbauer der Romantik nutzten eine grosse Vielfalt an Legierungen – oft verschiedene für die einzelnen Bestandteile wie Kranz, Schallstück und Zug. Vor allem goldgelbe und rötliche Messingvarianten waren dabei, aber auch Neusilber, eine Kupferlegierung mit Nickel und Zinn. Teils ermittelte Tuchschmid allerdings auch giftige Komponenten wie Arsen oder Blei im Mundstück.
Wie archäologische Ausgrabung
«Die Analysen ähnelten einer archäologischen Ausgrabung», liess sich der Forscher im Empa-Magazin zitieren. Bisher habe man nicht gewusst, was für Werkstoffe im historischen Blechblasinstrumentenbau verwendet worden seien.
Nicht nur die verwendeten Materialien, auch die Herstellungsverfahren unterscheiden sich zwischen damals und heute: Früher entstand alles in Handarbeit. So stellten die Forscher mittels Ultraschall fest, dass das Metallblech für jedes Bauteil der historischen Posaunen unterschiedlich dick beziehungsweise dünn gehämmert wurde – an manchen Stellen bis auf unter zwei Zehntel eines Millimeters.
Anhand der gesammelten Daten wählte Egger anschliessend die geeignetsten Materialzusammensetzungen aus und baute die Posaunen in Handarbeit nach.
Künstlicher Posaunenspieler
Die ersten Replikate kehrten an die Empa zurück: Ein Team um Armin Zemp analysierten ihren Klang im Akustiklabor. Damit nicht die individuelle Spieltechnik eines Musikers das Ergebnis verfälschte, setzten sie ein Gerät ein, das einen Posaunenspieler imitierte und die verschiedenen Instrumente kontrolliert und immer exakt gleich anspielte.
Neben Schallfrequenz und -amplitude massen die Forschenden auch die Reaktion des Materials beim Spielen mithilfe eines «Scanning Laser Doppler Vibrometers». Ausserdem nutzten sie Computersimulationen, um die Wechselwirkung der Schallwellen mit den Wänden des Instruments darzustellen.
Die Untersuchung bestätigt Eggers Hypothese: Materialzusammensetzung, Fertigungstechnik und Design bestimmen den Klang massgeblich. Die Analysen lieferten beispielsweise auch Hinweise für die Verarbeitung des Materials, zum Beispiel dass der Klang weicher wird, wenn das Blech geglüht wird. Grund dafür sei, dass sich durch die thermische Behandlung Spannungen im Material abbauen und sich sein Schwingungsverhalten ändert, erklärte Zemp. Die Daten könnten nun wiederum in den historisch informierten Instrumentenbau fliessen.
Ausdrucksstärker als das Original
Die Ergebnisse der Zusammenarbeit sind vielversprechend, wie Ian Bousfield von der Hochschule der Künste Bern nach ersten Auftritten mit den nachgebauten Posaunen zu berichten weiss. «Das Publikum fand, dass die Replikate manchmal sogar ausdrucksstärker klingen als das Original», liess er sich von der Empa zitieren.
Er sei erst skeptisch gewesen, ob sich die Qualität der legendären Romantischen Posaune tatsächlich neu erzeugen lasse. Nun sei er jedoch sicher, dass man auf dem richtigen Weg sei.
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