Elf Minuten totDie Frau, die Himmel und Hölle gesehen haben will
Von Philipp Dahm
21.10.2024
Charlotte Holmes war elf Minuten lang tot, bis die Ärzte sie ins Leben zurückholten. Die Amerikanerin berichtete, dass sie Gott getroffen hat, der ihr den Himmel, aber auch die Hölle gezeigt hat.
Philipp Dahm
21.10.2024, 04:30
21.10.2024, 06:10
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Charlotte Holmes aus dem US-Bundesstaat Kansas wird im September 2019 wegen extrem hohen Blutdrucks ins Spital gebracht.
Dort kommt es zu Komplikationen: Die Patientin ist für elf Minuten klinisch tot.
Holmes berichtet anschliessend von einer Nahtoderfahrung, bei der sie Gott getroffen haben will, der ihr den Himmel und die Hölle gezeigt haben soll.
Holmes hat verstorbene Verwandte, aber auch ihr Kind gesehen, das sie bei einer Fehlgeburt verloren hat.
September 2019 in Wichita, Kansas. Charlotte Holmes wird wegen ihres Bluthochdrucks ins Spital im benachbarten Springfield eingeliefert: 234 zu 134 ist definitiv zu hoch. Jahre zuvor hat sie bereits einen Schlaganfall erlitten. Die Sache ist ernst.
Holmes ist bereits seit drei Tagen im Spital, als sie bei der Pflege im Bett zusammenbricht. Sie atme nicht, teilt eine Krankenschwester den Angehörigen mit. Elf Minuten bleibt sie leblos, doch später wird sie erzählen, was ihr in dieser Zeit widerfahren ist.
«Ich war über meinem Körper», berichtet Holmes dem Christian Broadcasting Network. «Ich konnte sehen, wie sie Herzmassage machen. Ich konnte das ganze Personal sehen. Ich konnte [meinen Mann] Danny in der Ecke stehen sehen.» Sie habe keine Angst gehabt. «Ich war verblüfft, dass ich das sehen kann.»
Doch dann habe sie sich von der Realität verabschiedet. «Ich konnte die schönsten Blumen riechen.» Solche Blumen gebe es auf der Erde nicht. «Und dann habe ich Musik gehört. Als ich meine Augen öffnete, wusste ich, wo ich war. Ich wusste, dass ich im Himmel war.» Dort habe sie die Himmelspforte gesehen: «Ja, sie ist aus Gold.»
Wie sieht der Himmel aus?
Wie sieht der Himmel aus? «Ich habe die Schönheit um mich herum gesehen. Ich konnte die Bäume sehen, ich konnte das Gras sehen. Und alles hat geschwungen durch Musik. Denn alles im Himmel betet Gott an.» Wie genau der Himmel sei, könne sie jedoch nicht vermitteln. «Es ist so stark über dem, was wir uns vorstellen können.»
In den Himmel sei sie begleitet worden: «Es war die reine Freude, als die Engel übernommen haben. Es gibt keine Angst, wenn du heimkehrst.» Und dann will sie verstorbenen Verwandten begegnet sein. «Ich habe meine Mutter gesehen. Ich habe meinen Vater gesehen. Ich habe meine Schwester gesehen. Ich habe Familienmitglieder gesehen, die dahinter standen.»
Die Angehörigen und Freunde waren offenbar guter Dinge: «Sie sahen nicht alt aus. Sie sahen nicht krank aus. Keiner von ihnen trug eine Brille. Sie sahen aus, als wären sie in ihren 30ern. Sie sahen wundervoll aus.» Und hinter ihrer Familie will sie ein helles Licht ausgemacht haben, von dem sie wusste, dass es «ihr himmlischer Vater» gewesen sei.
Holmes trifft das Kind, das sie per Fehlgeburt verlor
Verwirrt habe sie der Anblick eines kleinen Knaben, den sie nicht kannte. «Ich hörte, wie mein himmlischer Vater mir sagte: ‹Es ist dein Kind.›» Sie habe einst nach fünfeinhalb Monaten Schwangerschaft einen ungeborenen Jungen verloren, berichtet Holmes.
«Als ich das Kind sah, fragte ich: ‹Gott, wie ist das möglich?› Er antwortete: ‹Sie wachsen im Himmel weiter, aber es gibt keine Zeit. Es ist die Ewigkeit.›»
Gott habe ihr aber auch die Hölle gezeigt, sagt Holmes. «Ich habe runtergeguckt. Dieser Geruch. Verrottetes Fleisch, so roch es. Die Schreie. Nachdem ich die Schönheit des Himmels gesehen habe, war der Kontrast zur Hölle fast unerträglich. Und [Gott] sagte: Ich zeige dir das, um dir zu sagen: Wenn einige sich nicht ändern, ist das [der Ort], an dem sie bleiben.»
«Der Himmel ist mehr, als du dir vorstellen kannst»
Gott habe ihr auch gesagt, dass Charlotte noch Zeit habe und mit anderen teilen solle, was sie gesehen habe. Und schon endet ihre Nahtoderfahrung: «Ich habe gefühlt, wie ich zurück in meinen Körper gezogen wurde. Ich habe den Schmerz gespürt, wo ich zuvor keinen Schmerz gespürt habe. Ich habe die Sorgen gespürt.»
Nach zwei Wochen kann Holmes aus dem Spital entlassen werden. Sie spricht mit jedem über ihre Erfahrungen, der sie hören will. «Die Leute brauchen Hoffnung», sagte die Christin. «Sie wollen wissen, dass alles in Ordnung sein wird.» Und: «Der Himmel ist mehr, als du dir vorstellen kannst. Der Himmel ist real.»
Holmes sagte in einem der Interviews, Gott habe ihr gesagt, sie hätte nicht viel Zeit für ihre Mission, den Menschen von ihren Erfahrungen zu berichten. Sie habe die Wahl gehabt, ob sie bleiben oder in die Realität zurückkommen wolle. Sie habe jedoch noch sehen wollen, wie ihre Enkel heiraten.
Holmes stirbt im November 2023
Im Dezember 2019 erzählt Holmes ihre Geschichte der «Ozark County Times»: Das Interesse ist derart gross, dass die Server des Mediums zusammenbrechen. Mit ihrem Mann Danny bestreitet sie in den folgenden Jahren weitere Medienauftritte und spricht auf Veranstaltungen. Doch ihre Familie sorgt sich um Charlotte: Es steht weiterhin nicht gut um ihre Gesundheit.
Am 28. November 2023 sitzt sie mit ihrem Mann vor dem Fernseher, als sie sich plötzlich ans Herz greift. Sie ist nicht mehr ansprechbar – und stirbt. Charlotte Holmes wird 72 Jahre alt. Die Tochter Chrystal Meek macht ihren Tod auf Facebook publik. Die Familie erhält viele Beileidsbekundungen.
Überprüfen lässt sich Holmes' Geschichte natürlich nicht. Nahtoderfahrungen kommen in allen Kulturen vor und sind gar nicht so ungewöhnlich. Eine belgische Studie hat 126 mögliche Fälle in Intensivstationen untersucht: 19 Patienten, also 15 Prozent, berichten von ähnlichen Nahtoderfahrungen wie Holmes.
Nahtod-Erfahrungen in der Wissenschaft
Woher diese Erfahrungen kommen, ist Thema einer regen Debatte. Die Erklärungen reichen von psychologischen Ursachen bis zu physiologischen Theorien. Ist so was eine emotionale Reaktion auf den drohenden Tod? Sind Endorphine oder Neurotransmitter im Gehirn der Grund für die Erfahrungen? Gibt es einen transzendentalen Auslöser?
Das Thema bleibt Gegenstand der Forschung. Der Niederländer Pim van Lommel und seine Kollegen listen in einer Studie zehn Faktoren einer Nahtoderfahrung auf: Die Patienten sind sich bewusst, dass sie tot sind. Sie haben positive Emotionen und entfahren ihrem Körper. Sie bewegen sich durch einen Tunnel und kommunizieren mit Licht.
Sie beobachten Farben und eine überirdische Landschaft. Sie treffen auf verstorbene Personen. Sie blicken auf ihr Leben zurück. Und sie spüren eine Grenze. Andere Wissenschaftler ergänzen weitere Punkte wie ein plötzliches Verständnis und eine Stärkung der Sinne, eine Harmonie mit dem Universum, aber auch eine Einsicht in Vergangenes oder die Zukunft.
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