Testament einer Sekretärin Die heimliche Millionärin von New York

tsch

9.5.2018

Noch mit 96 arbeitete Sylvia Bloom als Sekretärin. Dabei hatte sie ein Millionenvermögen auf der Bank.
Noch mit 96 arbeitete Sylvia Bloom als Sekretärin. Dabei hatte sie ein Millionenvermögen auf der Bank.
Keystone

Sylvia Bloom lebte ein bescheidenes Leben. Umso grösser war die Überraschung ihrer Erben, als das Testament der Sekretärin eröffnet wurde.

Eine besondere Sorte Schokolade war der einzige Luxus, den sich Sylvia Bloom hin und wieder gönnte. Schon eine Taxifahrt war für die Sekretärin extravagant, den Weg von ihrer kleinen Wohnung in Brooklyn zur Arbeit in Manhattan legte die Seniorin stets mit Bus oder U-Bahn zurück - selbst mit 96 noch. Dabei hätte die alte Dame schon längst nicht mehr arbeiten müssen.

Als ihre Nichte Jane Lockshin 2016 den Nachlass ihrer jüngst verstorbenen, kinderlosen Tante in Augenschein nahm, erlebte sie ihren ganz persönlichen «Oh-mein-Gott-Moment»: Sylvia Bloom hatte ein Vermögen von rund neun Millionen Franken angehäuft! «Sie hat nie etwas davon erwähnt», sagte Lockshin in der «New York Times». «Wahrscheinlich war sie der Meinung, dass das niemanden etwas anginge».

«Sie sprach nie über Geld»

Auch ihre ehemaligen Kollegen aus der Anwaltskanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton, in der Bloom fast 70 Jahre lang gearbeitet hatte, fielen aus allen Wolken: «Sie sprach nie über Geld und lebte definitiv nicht auf grossem Fuss», erinnert sich Paul Hyams, der 35 Jahre lang mit der 2002 verwitweten Sekretärin befreundet war. «Dabei hätte sie in der Park Avenue wohnen können».

Wie die Büroangestellte zu so viel Geld kam, konnte ihre Nichte inzwischen rekonstruieren: «Sie arbeitete in einer Ära, in der Sekretärinnen noch um sämtliche Lebensbereiche ihrer Chefs kümmerten, einschliesslich ihrer persönlichen Geldanlagen». Dieses Insider-Wissen nutzte Bloom für sich: «Wann immer ihr Boss bestimmte Aktien kaufte, kaufte sie sich auch welche davon, nur eben in kleinerem Rahmen von ihrem Sekretärinnen-Gehalt». Obwohl Bloom jahrzehntelang mit einem Feuerwehrmann verheiratet war, liefen die entsprechenen Konten allein auf ihren Namen. Ihre Nichte Jane Lockshin hält es für «gut möglich», dass nicht einmal Blooms Ehemann von dem stattlichen Finanzpolster seiner Gattin gewusst hat.

Letzte grosse Geste

Jane Lockshin und der Rest von Blooms Verwandten und Freunden werden von dem Geld nur einen kleinen Teil erben. Den Löwenanteil vermachte Sylvia Bloom wohltätigen Organisationen, allen voran der Stiftung Henry Street Settlement, bei der ihre Nichte tätig ist. Über sechs Millionen Franken erhält die Vereinigung, die bedürftigen Studenten finanziell unter die Arme greift.

Eine letzte grosse Geste, die ihrem Freund Paul Hyams zufolge sehr gut zu ihr passt: «Sie war ein Kind der grossen Finanzkrise und wusste, wie es ist, nicht genug Geld zu haben. Ausserdem empfand sie viel Mitgefühl für andere, die in Not waren, und wollte, dass alle ihren Anteil abbekommen.»

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